Colonisation nicht Abenteurerleben sondern Culturarbeit. 89 Organisation (pa-A. 121) das ist eine Täuschung, die sich ihnen iu der civilisirten Welt nirgends und niemals thatsächlich realisiren wird. Relativ richtig beantwortete Herr I)r. Kapp ferner auch seine Frage nach der Art und dem Geiste eines deutschen Colonisations- wesens, indem er darstellte, wer die Führung desselben jedenfalls nicht übernehmen könne und solle. Seine negative Antwort lautet kurz gefaßt: „Jedenfalls nicht der Geist der älteren Generation!" — Unser jüngeres Geschlecht aber, so lautet die positive Antwort, hat bisher noch immer die Männer gefunden, welche es gebrauchte, und findet sie täglich für alle ihre Zwecke; warum sollten wir denn bezweifeln, daß wir auch fernerhin zur rechten Zeit die rechten Männer finden werden?! Um den Beweis zu liefern, daß der Geist der älteren Generation für eine Leitung deutscher Colonisation nicht geeignet ist, hätte es übrigens der Ausfälle des Herrn Or. Kapp gegen sein eigenes geistiges Fleisch und Blut nicht bedurft. Er spiegelt vielmehr durch sein ganzes Referat hindurch in unverkennbarster Weise an sich selbst diese Un geeignetheit zu solcher staatsmännischen Leistung wieder. Ich denke dabei vor allem an seine bedächtige Aengstlichkeit vor vermeintlichen „Abenteuern". Er selbst hat doch oft genug anerkannt, und erkennt es auch jetzt in seinem Referate wieder unverholen an, daß die unverwüstliche Abenteuerlust, der übermüthige Thatendrang und der unbeugsame Starrsinn im Erstreben eines einmal gewollten Zieles ohne das pedantische Zurückschrecken vor dem vermeintlich „Unerreich baren", daß gerade diese Abenteuerlichkeit des englischen Stammes den „angelsächsischen" Typus in allen Welttheilen zum herrschenden gemacht hat. In diesem Abenteuersinn, oder besser in dieser Unter nehmungslust solcher genialen Männer wie Sir Walter Raleigh oder anderer seiner Zeitgenossen und geistigen Nachfolger, stellt sich eben der Ueberschuß männlicher Kraft dar, welche, wie zum Fortschritt aller Cultur-Entwicklung überhaupt, so auch zum Colonisiren und zur Leitung einer Kolonie unerläßlich ist. Selbstverständlich soll damit hier nicht der Abenteuerlichkeit das Wort geredet werden. Der Typus des Lumpaci Vagabundus kann am Ende des 19. Jahrhundert nicht mehr ein Held germanischer Cultur sein. Colonisation ist heutzutage wahrlich nicht mehr ein phantastisches Abenteurerleben; aber sie erfordert heute mehr als je die himmelstürmende Energie der alten Zeit. Sie ist Arbeit, eigentliche saure Arbeit im höchsten Sinne des Wortes; Colonisation ist Culturarbeit.