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86 Nicht Wo? sondern Ob? und Wie? Nation oder selbst die ganze europäische Raße heutzutage zu verwerthe», d. h. zu colonisireu oder zu cultiviren im Stande ist. Diese über seeischen Länderstrecken sind zum Theil von keiner civilisirten Macht besetzt, also völkerrechtlich neutral, zum Theil auch wohl nominell „weggegeben", aber doch nicht culturell im Besitze irgend einer uns fremden Nationalität. Es fragt sich für uns gegenwärtig nur, ob wir, d. h. unsere Neichsregierung danach streben sollen, diese Länder für unsere Nation und ihre Cultur zu gewinnen, oder ob unser alterndes Geschlecht es vorzieht, unser Volk weiter langsam versinken zu lassen. Ist diese Frage des Ob? einmal entschieden, daun ist der Rest lediglich Sache unserer auswärtigen Politik, — von deren ge schickten, resp. genialen Leitung ja, wie bisher, so auch fernerhin unsere ganze national-politische Bedeutung in der Welt ausschließlich abhängt. Die große Zahl der Möglichkeiten des Wo? der überseeischen Culturpolitik ist also für uns tatsächlich nur beschränkt durch die Art und Weise, wie wir uns solche Länder erwerben wollen, deren wir zum Gedeihen unserer Nation bedürfen. Es ist aber jedenfalls ein Glück für unser Volk, daß die erste Initiative zu dieser nvth- wendigen Richtung unserer nationalen Entwicklung außerhalb des Bereiches der unzähligen Parteien und Fractionen unseres Reichstags mit ihren hunderttausend verschiedenen Principien und endlos sich widersprechenden Bedenken liegt. Diese ältere Generation, die sich nun schon lO Jahre lang erfolglos darüber streitet, wo unser Neichs- tagsgebäude hingebaut werden soll, die würde sicherlich nicht im Stande sein, sich darüber einig zu werden, wo wir überseeische Be sitzungen erwerben könnten, oder sonstwie deutsche Colonialpolitik treiben sollten! Erst wenn unsere Neichsregierung irgendwo festen Fuß gefaßt haben wird, wo uns deutsche Colonisation oder die Gründung einer nationalen Handels-Niederlassung möglich ist, dann erst wird es lohnend sein, weiter darüber nachzudenken, ob wir solches Land national colonisiren wollen, oder ob wir die deutsche Flagge, welche wir dort aufgehißt haben, lieber wieder herunter holen, und von dort abziehen sollen. Mögen sich dann auch gedaukenblasse Theoretiker schwächlich für die letztere Eventualität begeistern und ereifern, die Entscheidung kann ja dann doch im letzten Ende nicht zweifelhaft sein. Wenn wir zum Beispiel eine Inselgruppe wie Neu-Seeland als deutsche Besitzung etwa im atlantischen Ocean liegen hätten, und es träte dann an die Nation und ihre Vertreter im Reichstage die Frage heran, ob wir denjenigen Deutschen, welche dorthin auszu-