Geologie und Philosophie. 369 • volle Unklarheit, wenn Einer in die Sphäre des Andern Uber greifen will“. Den Irrthum kann auch die sorgfältigste Forschung nicht ganz vermeiden, er liegt in unserer Natur begründet; aber seine Berichtigung ist möglich, und daher stete Aufgabe. Dem Irrthum verdanken wir sogar manche wichtige Entdeckung; hätte z. B. Columbus die wahre Entfernung der OstkUste Asiens gekannt, so hätte er es niemals unternommen, sie durch westliche Fahrt von Spanien aus zu erreichen; Amerika wäre damals unentdeckt geblieben. Der Irrthum genügt auch häufig für die Bedürfnisse des Augenblickes. Gewisse, wenn auch nicht genaue astronomische Berechnungen waren auch auf Grundlage des ptolemäischen Weltsystems möglich, und in der Chemie sind bereits manche wichtige Entdeckungen durch An wendung ganz falscher Theorien gemacht worden, z. B. ehe man den Sauerstoff kannte. Auch über diesen Punkt spricht sich Buckle vortrefflich aus, indem er sagt: „Der grösste Feind des Wissens ist nicht der Irrthum, sondern die Träg heit; Alles, was wir brauchen, ist die Erörterung; dann sind wir sicher, dass Alles in Ordnung kommt, wenn wir auch noch so viel Versehen machen. Ein Irrthum bekämpft den andern, jeder zerstört seinen Widersacher und die Wahrheit springt hervor. Dies ist der Verlauf menschlicher Geistesentwickelung, und unter diesem Gesichtspunkte sind die Urheber neuer Ideen, neuer Vorschläge und neuer Kategorien die Wohlthäter des Menschengeschlechtes. Ob sie Recht oder Unrecht haben, das ist das Wenigste. Sie wirken zur Aufstachelung des Geistes, sie bringen seine Kräfte in Thätigkeit; sie regen uns zu neuer Forschung an; sie bringen alte Gegenstände unter neue Ge sichtspunkte; sie stören die allgemeine Trägheit und unter brechen unsanft, aber mit heilsamer Wirkung die Liebe zum Schlendrian, der die Menschen verführt, auf den Wegen ihrer Vorfahren fortzutappen, und jeder Verbesserung im Wege steht als ein beständiges, ein fremdartiges und verderbliches Hinder- niss“. Cotta, Die Geologie der Gegenwart. 4. Aufl, 24