366 Geologie und Philosophie. führen dürfen, sondern als Ergebnisse einer naturgemässen Entwickelung anseken müssen, so lange darf am allerwenigsten ein Naturforscher bei Fragen welche nur auf wissenschaftliche Weise lösbar sind, die Segel streichen und mit einer über mässig bescheidenen Resignation ausrufen: ignoramus, ignora- bimus! (Wir sind und bleiben unwissend.) So hat einer unserer geistvollsten Naturforscher (Du Bois- Reymond) am 14. August 1872 am Schlüsse seines zu Leipzig in der zweiten öffentlichen Sitzung der 45. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerztegebaltencn Vortrage („ Ueber die Grenzen des Naturerkennens“, Leipzig, Veit & Co., 1872) ausgerufen, indem er meinte, dass „unserem Witze“ inbetreff zweier Punkte eine unübersteigliclie Grenze gesteckt sei“. Der Naturforscher kennt keinen Zufall, sondern nur Nothwendigkeit; jeder Vorgang ist für ihn das Resultat naturgesetzlicher Wirkungen; sind diese so verwickelter Natur, dass ihre Auflösung ins Einzelne unmöglich erscheint, so pflegt man freilich von Zufall zu sprechen, aber nicht im wahren Sinne dieses Wortes. Der Naturforscher maasst sich auch nicht an, einen bestimmten Zweck zu erkennen, sondern nur ein bewundernswürdiges Ineinandergreifen und gegenseitiges Bedingen alles Vorhandenen, wie es durch das Werden noth- wendig geworden ist. Die Durchschauung von Zwecken und ersten Ursachen liegt als unerreichbar nicht in seiner Auf gabe. Verstand und Gemüth mögen zwei gleichberechtigte Elemente unseres Wesens sein; das ist aber kein Grund, in wissenschaftlichen Untersuchungen — die Aufgaben des Ver standes sind — dem Gemüth irgend ein Recht einzuräumen. Zweck und Plan der Welt mögen bestehen, aber wir kennen sie nicht, und haben keine Macht sie zu durchschauen. Flourens bemerkt sehr passend: man muss nicht von den Endursachen zu den Tkatsacken, sondern von den Thatsachen zu den Endursachen zu gelangen suchen. Wenn man der Natur die bewusste Absicht unterstellen wollte, sie habe alle ihre Einrichtungen für den Menschen vor-