362 Geologie und Philosophie. Jede Naturforschung gestattet nicht nup Hypothesen, son dern sie bedarf derselben. Hypothesen wirken anregend, dringen wie Vorposten in noch nicht hinreichend erkannte Gebiete ein, und bereiten deren wissenschaftliche Ausbeutung vor. Nachtheilig wirken sie nur dann, wenn ihre hypothetische Natur verkannt wird, und unnütz sind sie, wenn weder ein Beweis für noch gegen sie denkbar ist. In diesem Falle sind es über haupt eigentlich nicht wissenschaftliche Hypothesen, sondern nur grundlose Behauptungen. — Ich kann z. B. nicht beweisen, dass der Kern der Erde aus einer kleinen goldenen . Kugel besteht, es ist das sogar nicht im Geringsten wahrscheinlich; wenn ich es aber behaupten wollte, so würde mich Niemand widerlegen können, was allerdings auch ganz überflüssig wäre. — Wissenschaftliche Hypothesen müssen stets eine wissenschaft liche oder thatsächliche Grundlage haben, dürfen auch nicht mit bereits erkannten Naturgesetzen in Widerspruch stehen. Wünschenswerth ist es ferner, dass Httlfshypothesen vermieden werden, d. h. dass man nicht, um die eine zu stützen, noch eine zweite nöthig habe. Stets aber lässt sich nur im Einzel falle über die Zulässigkeit und den Werth von Hypothesen entscheiden. Der Ursprung der Hypothese ist die Idee, ihre entwickeltste Form die T h e o r i e; in dieser sucht sie schon eine ganze Sammlung von zusammengehörigen Thatsachen gemeinsam zu erklären. Die Grenzen dieser Beziehungen sind aber kaum scharf festzustellen. Jede Idee, jede Hypothese und jede Theorie ist ein Kind ihrer Zeit, eben so wie jede Entdeckung; darum kann heute gar Manches befriedigend erklärt werden, dessen Erklärung früher unmöglich war; darum werden in unserem Jahrhundert Erfindungen und Entdeckungen gemacht, die im vorigen nicht gemacht werden konnten, und so wird wohl auch das nächste Säculum sich zu dem unseren verhalten, denn von der Summe der Kenntnisse unserer Vorfahren aus können wir nothwendig etwas weiter blicken als diese, da unsere eignen Erfahrungen noch hinzukommen. Diese Summirung der Kenntnisse bedingt nach unserem Entwickelungsgesetz am meisten den