Geologie und Poesie. 355 und Recken kämpfen jetzt die wirklichen Menschen und ihre Leidenschaften. An die Stelle unbeschränkter Poesie ist die durch Wahrheit beschränkte getreten. So beherrschen die Fortschritte der Wissenschaft auch die Producte der Poesie. Schiller könnte seinen Taucher in der Tiefe des Meeres jetzt keine Salamander mehr erblicken lassen, seit jeder Schulknabe weiss, dass es im Meere keine giebt. Auch die bildende Kunst ging der Wissenschaft voran, und wie ihre Schwester, die Poesie, wird auch sie beeinflusst durch den Fortschritt der Wissenschaft. Manche neue Form und manches neue Motiv ist durch die Naturwissenschaften, und insbesondere auch durch die Geologie, für die bildende Kunst gewonnen worden. Am wesentlichsten freilich war der Ein fluss durch neue Hülfsmittel ihrer Technik, da sie sich von Anfang an nur die Darstellung der Wahrheit zur eigentlichen Aufgabe machen konnte. Die Photographie und die Galvanoplastik werden zwar Maler und Bildhauer nimmer verdrängen oder überflüssig machen, aber sie beeinflussen und unterstützen unzweifelhaft deren Thätigkeit. Jene merkwürdigen Erfindungen können den schöpferischen Genius der Kunst nicht ersetzen, aber sie geben der ausübenden und erwerbenden Kunst in gar mancher Be ziehung eine andere Richtung. Ueberall, auf jedem Gebiet menschlicher Thätigkeit giebt sich dieser Einfluss der Naturforschung zu erkennen, und wenn wir bedenken, dass derselbe eigentlich erst in diesem Jahr hundert allseitig eingreifend geworden ist, so können wir noch unermessliche Resultate von den Einwirkungen der beherrschten Natur auf das Leben der Menschen erwarten. Die poetische Seite der Geologie hat kürzlich E. Quin et in seinem Buch „La Creation“ höchst anziehend aufgefasst, indem er damit zugleich historische und philosophische Betrachtungen verband. Wer sich dafür interessirt, dem ist die unter dem Titel „Die Schöpfung“ 1871 erschienene deutsche Uebersetzung dieses trefflichen Werkes zu empfehlen.