274 Geologie und Geschichte. können. Ftir beide verliert sich der erste Anfang ins Dunkel, und so wenig der Geschichtsforscher über den Ursprung und ersten Zustand der Menschen weiss, so wenig weiss der Geolog Uber den Ursprung und ersten Zustand der Erde. Beide suchen aus der Gegenwart die Vergangenheit, aus dem Sein das Werden zu erklären, und greifen von Thatsache zu Thatsache immer weiter zurück, wobei sie mehr und mehr genöthigt sind, die selben durch Hypothesen zu verbinden, je mehr sie sich von der Gegenwart entfernen. Wie das äusserste Ziel der Forschung für den Historiker der erste Mensch sein würde, so für den Geologen der Zeit punkt in welchem die Erde zuerst als individueller Himmels körper im Welträume erschien. Darüber hinaus hören Geschichte wie Geologie als solche auf; die erstere fällt dann ganz mit der Geologie zusammen, die letztere mit der Kosmologie. Aber die Menschengeschichte besitzt mindestens für den grössten und wichtigsten Theil des Zeitverlaufes einen Maass stab, welcher der Geologie für alles Vorhistorische noch ganz fehlt — das ist der Zeitmaassstab. Der Geolog kann seine Perioden nicht nach Jahren oder anderen Zeiteinheiten messen, wie der Geschichtsforscher; er kann in der Regel nur ein früher oder später, älter oder jünger unterscheiden, nicht aber das „wie alt“, denn die Beurtheilung des Zeitmaasses aus dem Resultat der Vorgänge, z. B. aus der Mächtigkeit einer Abla gerung, bleibt unsicher, so lange die Energie der Vorgänge nicht genau bekannt ist; und wenn man auch die Dauer ein zelner geologischer Vorgänge auf diese Weise annähernd ab schätzen kann, so bleibt doch die Verbindung eine höchst mangelhafte. Ueberall sind Zeitlücken erkennbar, in denen local keine bemerkbare Veränderung eintrat, und deren Dauer sich sogar jeder Abschätzung entzieht. Nur wenn es gelänge, geologische Vorgänge mit berechenbaren astronomischen Aen- derungen in bestimmte Beziehung zu bringen, würde es möglich sein, auch für die Geologie einen absoluten Zeitmaassstab festzustellen.