198 Ueber das Entwicklungsgesetz der Erde. behaarte Schienen zur Befestigung des einzutragenden Blumen- staubes, wir sehen den Magen sich ausbilden zur Ausscheidung des Wachses, woraus die Waben im Bienenstöcke gebildet wer den: Alles lange vor der Zeit des Gebrauches und doch in vollkommenster Uebereinstimmung mit dem künftigen Lebens- Zwecke, in genauestem Yerhältniss zu dem künftigen Willen und den künftigen Fähigkeiten des Thierchens! Das sind wahrlich nicht blinde Schwerkraft und Wahlverwandtschaft, die Das zu schaffen und zu fügen vermöchten. Das ist eine eigene, höhere Lebenskraft! Und über diesen Kräften allen steht, unabhängig vön ihnen, noch eine bewusste eben so allmächtige wie bis in die kleinsten Einzelheiten berechnende Weltordnung, die uns überall eben so deutlich entgegentritt in dem Nebeneinandersein wie in der Aufeinanderfolge der Dinge!“ Der ernste Forscher streckt hier doch sehr voreilig die Waffen, indem er an eine höhere Lebenskraft als an etwas durchaus Unzugängliches appellirt. Sicher, wir kennen die Bedingungen oder Gesetze einer solchen noch nicht, wie z. B. die der Schwere; Lebenskraft ist daher die Benennung für etwas nur aus gewissen Erscheinungen Bekanntes, aber auch die Gesetze der Gravitation, des Lichtes, des Tones, der chemischen Verwandt schaft u. s. w. blieben lange unbekannt; der Mensch hat sie erst in den letzten Jahrhunderten, und sehr allmälig entdeckt; früher waren die meisten durch sie bewirkten Erscheinungen eben so un erklärbar, als die des organischen Lebens es noch jetzt sind. Dass die bekannten chemischen und mechanischen Kräfte nicht ge nügen, alle Lebenserscheinungen der Organismen zu erklären, ist unzweifelhaft, aber durchaus kein Grund, an der Möglichkeit einer Lösung der Räthsel auf diesem Gebiete überhaupt zu zweifeln. Was hier Lebenskraft genannt ist, mag etwas Anderes sein als Gravitation, chemische Verwandtschaft, Licht- oder Wärmewir kung u. s. w., aber deshalb ist es noch nicht etwas absolut Unerforschliches. Welche enormen Fortschritte hat nicht gerade die organische Chemie erst in den letzten Jahrzehnten gemacht, und welch neues Licht wirft nicht bereits Darwin’s Theorie der Artenentstehung auf dieses Gebiet!