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Anzeiger. AnMI»II dkS KSutgt. BczlrlSSttMlS »ad dl« Raths da Stadt Leipzig. ^ 72. Mittwoch den 13. März. IMl. Bekanntmachung. DaS unter dem Rathhause, an der Grimma'schen Sttaße und dem Markt gelegene, zur Zeit an Herrn Gustav Markendorf vermiethete Gewölbe soll auf dem Wege der Lieitation anderweit auf die Zeit von Ostern 1861 bis Michaelis 1865 vermiethet werden. Miethluftige werden veranlaßt, den LS. März L8SL Vormittags LL Uhr in der Rathsstube zu erscheinen und ihre Gebote zu thun, worauf weitere Beschlußfassung erfolgen wird. Die LicitationS- und Miethbedingungen können schon vor dem obigen Termine bei un- einaesehen werden. Leipzig, den 28. Februar 1861. Des Raths der Stadt Leipzig Finanzdeputation. Die Anforderungen der Gegenwart an die kaufmännische Siidung. i. Wenn die Vorlesungen im kaufmännischen Verein auch Männern aus dem Gelehrtenstande ein hohes Interesse gewähren, so muß es Wunder nehmen, daß verhältnißmäßig noch so wenig Principale dem Verein beigetreten sind. Vielleicht ist ein allgemeines Vor urtheil hier einwirkend. Man hört in kaufmännischen Kreisen zuweilen die seltsame Ansicht äußern, daß eine weiter ausgreifende Bildung dem Geschäftsmanne mehr schade als nütze, indem that- sächlich die weniger gebildeten Kaufleute es oft am weitesten brächten. Demnach wäre also der Handel recht eigentlich dazu angethan, die menschlich? Entwicklung in dem Einzelnen eher zu hemmen als zu fördern. Allerdings mißlingt auch dem Tüchtigsten oft ein Unternehmen. Welchem KaüfMäktte wckke es auch möglich, bei größeren Unternehmungen alle für dieselben etwa sich cttrfwevfenden Chanien im Voraus zu berechnen? Wer das Gras wachsen hören will, bringt nicht immer Heu nach Hanse. Dagegen packt oft die rücksichtslos zugreifende Hand das Glück beim Schopfe. In dessen ist e- doch einerseits gewiß richtig, daß über die wenigen glänzenden Geschäfte untergeordneter Köpfe im Merkantilen Ge triebe ihre anderweitigen Verluste, die sie und durch sie Andere erleiden, zu leicht unbeachtet bleidrn. Die Namen der glücklichen Spieler am grünen Tische werden genannt, die Unglücklichen ver gessen, und anderseits qiebt sich in jener Meinung ein völligrs Verkennen der dem Kaufmanne zugewiesenen winhschaftlichen Auf gabe kund. Die Verkehr-Vermittlung ist ebenfalls eine ökonomische Arbeit und nicht etwa eine Lottert?. Der allgemeine Umlauf im Güterleben wird von dem KaukManne besorgt und unterhalten. Jede Arbeit aber setzt heutzutage eine gewisse Bildung voraus. Schon einem solchen Gesichtspunkte gegenüber müßte daher die oben erwähnte Ansicht einigermaßm haltlos erscheinen, denn in allen Produktionszweigen wird der kenntnißreiche Arbeiter dem kenntnißarmen vorgezogen. Noch mehr indessen tritt ihre innere Unwahrheit hervor, wmn man den Inhalt und Umfang der heu tigen kaufmännischen Arbeit näher betrachtet. Au keiner Zeit in der gesammten Menschheitsgeschichte ist das zwischenländische Leben der Völker so großartig gewesen als gegen wärtig; die Theituna der Arbeit gliedert sich über' den ganzen Erdball hin. Die Bedürfnisse deS Tage- bis in dft kleinste Hütte hinein werden bei Europäern von den verschiedensten Gegenden der Welt befriedigt. Die productive Thätlgkeit der Erdbewohner ist eine einzige, gemeinschaftliche geworden, also wirken auch Vik verschiedenen sie betreffenden Vorgänge ulld Ereignisse Mehr oder weniger auf den ganzett Arbeitsorganismus zurück. Bildet n'ün der Handel das Bindemittel zwischen den über die Erde zerstreuten Arbeitszweigen, so wird in Folge dessen von dem Kaufmanns stande als solchem verlangt, daß er seine stete Aufmerksamkeit dem ganzen Güterleben der Erde zuwende und dazu ist sicher eine sehr tüchtige individuelle Durchbildung erforderlich. DenN weNn auch ein einzelnes Geschäftshaus nur in einem Artikel Geschäfte macht, so hängt doch die Produaion und Konsumtion diese- einen Artikels von vielen Faktoren ab, die au- den Vorkommnissen anderer merkantiler Branchen sich ergeben Eine schlechte Kornernte zieht gewiß eine durchgehende Einschränkung im Verbrauch von Tabak und kuxuswaaren nach sich, ein gute- Baumwolljahr macht da gegen alle Maschinen schneller arbeiten. Und vollends richten sich die Bewegungen de- Geldmarktes, welche ja das kaufmännische Geschäft so nahe berühren, nach den mannigfaltigsten Momenten der ökonomischen Welt. Der Kaufmann mithin, der nur einiger maßen ein eigenes, selbstständiges Urtheil für seinen Betrieb be darf, hat eine Reihe von Kenntnissen nöthig, um die richtige Stelle feines Marktes in dem allgemeinen Gürerleben einzuhalten. Diese Momente sind indessen nicht blos wirih'chaft icher Natur: auch die politischen Ereignisse des ganzen Völk«rkce»sis wie des engeren HeiMathlättdes, die Gesetzgebungen und Administrations- Maßregeln machen sich dabei in uuläugdarer Bedeutung geltend, und ihnen gegenüber stellt das heutige SraatSgcfüge noch oben drein den Kaufmannsstand nicht blos als passiv hin. Uederall in den europäischen Culturstaaten hat es sich als nothwendig erwiesen, daß die Regierung in den Schichten ihrer producirenden und handeltreibenden Bevölkerung einen Anhalt und eine Stütze für ihre Verwaltung sucht; die Handel-- und Gewerbekammern sind unentbehrlich geworden. In ihnen aber tritt der Kaufmannsstand auf dem administrativen Gebiete unmittelbar an die praktische Politik hiüan; eine Menge von Einzelfragen verlangen ihre Beur« theilung, ihre Lösurig, die vollständig nur dann erfolgen kann, sobald sie uüter allgemesnere Gesichtspunkte gebracht werden. Wie aber soll in solchen Verhältnissen noch die oberwähnte Ansicht aufrecht erhalten werden, daß eine reichere Bildung dem Kauf mann? chek schade als nütze; eS müßte denn der Kaufmannsstand sich dev Thetknahme an der Verwaltung, wie sie ihm die Handels- unv Gewerbekammern ermöglichen, völlig entfchlagen wollen. Diese Lhatfache kst vielfach auch in Preußen mit gerechtem BebslUern hervorgehobeN worden. ES ist aber die lebendige Lheil- nahme an den Handelskammern und zahlreiche Vertretung auf Landtagen Seitens des Handelsstandes um so dringender noth- wendig, cllS elrierseitS die volkSwirthschaftliche Bildung unserer VetwattungSbeamten, zumeist noch nach altem Jurisienmuster er zogen, eine überaus dürftige ist, wovon gegen uns im höchsten Kreise kein Hehl gemacht wurde, andererseits eine nationale deutsche Handelspolitik nicht eher zur Geltung gelangen kann. Fast alle Reformbestrebungen der preußischen und sächsischen Regierung sind bisher an dem grundsätzlichen Widerspruch der andern deutschen Regierungen gescheitert. Wir geben es zü, der Lebenslauf, welchen der angehende Kauf mann durchzumachen hat, ist meistens seiner allgemeinen Durch bildung keineswegs günstig. Fast noch im Knabenalter tritt er als Lehrling ins Comptoir ein, um daselbst, während seine Alters genossen noch ihren Studien obliegen, Jahre lang seine Zeit aus schließlich auf untergeordnete technische Arbeiten und Verrichtungen zü Mtwenden. Muße zur Lektüre oder Erlernung fremder Sprachen bleibt ihm dabei oft wenig übrig; statt dessen hat er Briefe aus- zutragen, abzuschreiben, Bücher zu führen. So wenig jedoch der einzelne Schreiber auf einem größeren Bureau durch seine Arbeit einen Ueberblick über den aesammten Gang der Geschäfte er hält, ebenso sieht sich der kaufmännische Lehrling oder Eommi« gewöhnlich blos auf einen bestimmten ArbeitSzweig hingewiesen, ohne vermittelst desselben tiefere Einsicht in das Handelsleben zu erlangen. Dieselbe eröffnet sich ihm vielmehr nur nebenbei in ----- - -