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60 ganzes Volk mit merkwürdigen Sitten sein, von unserem Standpunkt aus ärmliches Dasein fristet. Nun meine lieben Eltern lebt wohl, grüsst alle, schreibt bald an Euren herzlich Euch liebenden Ludwig. Paris, d. 28. Februar 1840. 19. Meine geliebten Eltern! Obwohl ich nun schon seit 3 Wochen fast schmerzlich auf einen Brief von Euch warte, da ich ja fast seit mehr als einem halben Jahre nichts von Euch gehört habe, so muss ich doch mit meinem Briefe Euch wieder zuvorkommen, um Euch mit meinen Freuden und Leiden stets im Schritte zu erhalten.' Ich will Euch nicht erschrecken; denn ich sage voraus, dass ich mich frisch und munter fühle; doch die Möglichkeit war unendlich nah, dass Euer Brief nur meine irdische Hülle gefunden hätte. Es ist nun ungefähr 4 Wochen, als ich beim Gehen einen eigenthümlichen Schmerz in den Weichen verspürte, der mir lästiger und lästiger ward und selbst bei munterer frischer Be wegung nicht wich. Der Schmerz war nicht heftig und wurde auch während der Arbeit am Abend nicht weiter beachtet. Ich legte mich um 10 Uhr nieder und schlief auch bald ruhig ein. Um ungefähr 3 Uhr des Morgens erwachte ich, der Schmerz hatte sich vergrössert, eine unendliche Aengstlichkeit und Unruhe ergriff mich; der Kopf wurde mir schwer, der Körper zitterte, die Bauchmuskeln zogen sich auf eine merkwürdige Weise zusammen. Glücklicherweise gelang es mir, mein Licht anzuzünden. Da ich im Bette keine Buhe fand, er hob ich mich, um aufzustehen, obwohl die Schwäche, die ich verspürte ganz unerklärlicher Weise sich vergrösserte. Ich rief William und sank ohnmächtig nieder. Als ich wieder meiner Sinne mächtig wurde, war William, der im anderen Zimmer schlief, bei mir und rieb mit aller Gewalt auf mir herum. Er hatte meine Stimme wie im Traume gehört und glaubte auch geträumt zu haben; doch das Licht, welches durch die Thüröffnung fiel, die Stille — bestimmte ihn, aufzustehen und zu sehen, was es gebe. Er fand mich leblos und glaubte mich ermordet; glücklicherweise irrte er sich hierin. Ein heftiger Frost schüttelte mich, da ich längere Zeit auf dem kalten steinernen Fuss- boden gelegen hatte; ich kehrte in’s Bett zurück, von dem heftigsten Schmerze gepeinigt und liess mir, indem ich meinen unsicheren Gefühlen folgend an einen Bruch glaubte, ein kaltes Klystir geben, welches fast gar keine Wirkung auf mich hervorbrachte und fast gar nicht gefühlt wurde. Nun bat ich William, das Licht zu nehmen und mir