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Göttingen, <1. 8. Jnli 1834. 1. Mein lieber guter Schwager B ! *) Wie lieb ist es mir, dass Du aus jenem fernen Lande (Breslau), in welches ich wahrhaft Bedenken trug Dir Briefe nachzuschicken, auf dieser Erdhälfte wieder angelangt bist. Hamburg ist doch nahe und in 2 Tagen hast Du meinen Brief und kannst ihn frisch, wie er mir aus der Seele kommt, gemessen. Aber sage mir Du armer Mann, was ist das mit Deinem Unglück, welches einmal schon so ernst Dich gefasst und jetzt Dich wieder so unfreundlich geschüttelt hat? Deine Erzählung hat mich tief gerührt, und in Deine Gebete habe ich aufrichtig flehend mit eingestimmt. Nur Geduld! Nur Geduld und Ausdauer! Der, welcher weiss, was dem Menschen frommt, lenkt die Wege auf merkwürdige Weise durch Freuden und Schmerzen, und wir glauben gewöhnlich die letzteren reichlicher zu erhalten, weil wir sie überhaupt nicht so leicht vergessen. Aber warte nur, es wird eine Zeit der Ruhe kommen; der gemächliche Geist des sorgenlosen Alters, wo die Erinnerung an die traurigen Ereignisse unseres Lebens uns Freude machen wird. Es ist schön, wenn Du an die möglichen schweren Unfälle, die uns alle mehr oder weniger einst erwarten, denkst, wenn Du Dir alles vormalst, was die Zukunft Schreckliches Dir bringen könnte. Doch muthlos musst Du darum nie werden. Ernst und stark durch Deinen Glauben musst Du fest dem Kommenden entgegensehen und ruhig überlegen, Was wird zu thun sein? Wenn ich jedoch auch sehr billige, dass der Mensch zu Zeiten an sein Ende, an den Tod denkt und dann in dem Gedanken sich sicher fühlt und beruhigt, was willst Du denn, Du stehst ja unter des Allmächtigen Schutz! Wenn dies für seinen Glauben auch ein heilsamer Gedanke ist, so muss er doch nicht zu oft genährt werden, weil wir Menschen aus einer Furcht vor dem Tode selten herauskommen, und diese Todesfurcht so sehr unsern Lebensmuth niederschlägt, dass wir die Ruhe und das Gleichmaass unserer Seele verlieren. Deshalb habe stets die grösste Hoffnung,