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490 künstlerische Ursprünglichkeit, üuS der fort und fort in schönem reinen Glanze der Silberblick des höheren Berufes hervorleuchtet. Mit diesen Worten glauben wir das Talent des Frl. Ulrich und seine ungewöhnliche Bedeutung kurz und treffend charakierisirt zu haben. Es war von einer solchen Begabung natürlich schon im Voraus anzunehmen, daß auch ihre Jane Ehre in der .Waise von Lowood" eine ebenso fein durchdachte, wie seelisch reiche Frauengestalt sein würde, die von der treuen Abspiegelung des sechsjehnjährigen unbändigen Mädchens bis zu der fast puritanischen Erscheinung der späteren englischen Gouvernante und bis zu dem Schritte in die große Welt die Grundtöne eines schönen tiefen weiblichen GemütheS beziehungsvoll und Sympathie weckend durch klingen ließ. Da Herr Hanisch gerade nach München beurlaubt ist, was freilich dem Gastspiel des Frl. Ulrich mehrfach beschränkend in den Weg treten dürfte, war Herrn Herzfeld die Aufgabe geworden, den interessanten Sonderling Rochester zu spielen. Der junge Darsteller scheint uns für denselben eben — zu jung! Ein voller Bart allein macht die Männlichkeit nicht aus, den Lord aber sich als Jüngling denken zu sollen, widerspricht seiner ganzen, auf eine bereit- reifere Altersstufe deutenden' Charakteranlage. WaS wir sagen, kann für Herrn Herzfeld kein Vorwurf sein, ihm liegt die Jugend eben noch im Ton und Wesen, er vermag das nicht vor der Zeit zu ändern. Und übrigens hat er sich wirklich in redlicher und angestrengter Weise Mühe gegeben, eine Metamorphose mit sich vorzunehmen. Besser noch als der Anfang seiner Partie, wo dieselbe ganz Skizze bleibt und ihr Träger nur durch einen Auf wand von Nüancen wirken kann, gelang ihm der spätere Theil: eine wirksame Gefühlsäußerung bei dem schließlichen Durchbrechen der harten Außenrinde. Speciell für den Moment des leidenschaft lichen LiebeSbekenntnisseS der Jane hätten wir noch bewegteres Geberden- und Mienenspiel gewünscht. Daß die Mistreß Read und die Judith Harleigh zu den gedie gensten und erfreulichsten Leistungen der Damen Huber und Günther-Bachmann gehören, ist seit Jahren bekannt. WaS die Rolle der Lady Georgine anlangt, so wollte die Direction Fräulein Grösser wohl nicht an der Mitwirkung im Euterpe- concert, das auf denselben Abend fiel, hindern und gab deshalb die allein für sie geeignete Partie an Fräulein Engel fee, deren weiches Naturell jedoch nicht im Stande war, die scharfen Kanten und Ecken an der Figur dieser boshaften und stolzen Creatur herauszukehren. Unter den sonst noch Beschäftigten seien die Herren Stürmer, Gilt und Claar hervorgehoben. Die Regie müssen wir schließlich daran erinnern, daß die Scenen auf Rochesters Schloß im Winter spielen. Wir waren deshalb über die Wahl einer offenen Halle mit Aussicht auf grüne Triften eben so erstaunt, wie über die Hellen, dünnen Kleider und die Spitzentücher der Damen, die doch mit Mantel und Hermelinpelz auf Thornfield- Hall angekommen waren. — DaS Publicum rief den Gast wohl sechs Mal. Außer in „ Mathilde" wird Fräulein Ulrich als Donna Diana" und Luise in .Kabale und Liebe", so wie vielleicht auch nächste Woche, bei einer zweiten Hierherkunft von Dresden, noch in einigen Partien auftreten. vr. Emil Kneschke. Lessmg's Geburtstag. * Leipzig, 25. Januar. Am gestrigen Abend feierte der hiesige .Verein zur Förderung geistiger Interessen im Juden- thume" in seinem Local in der Rauchwaarenhalle den Geburtstag Lesstng'S in einfach angemessener Weise. Nach einem von Herrn Fränkel vorgetragenen Prologe hielt Herr vr. Goldschmidt, der bekanntlich schon wiederholt den großen Denker in geistvoller Rede gefeiert hat, einen sehr schätz baren Vortrag über „Nathan den Weisen," welcher des Interessanten mancherlei enthielt und namentlich auch von einem allgemeinen und höheren Standpuncte aus die Stellung und den Berus des Juden- thmnS in fesselnder Weise charakterisirte. Der Vortrag des Herrn Vr. Goldschmidt verdient ohne Zweifel eine allgemeine Verbrettung. Veffeutliche Gerichtssitzung. Leipzig, 23. Januar. Der Gegenstand der heutigen Haupt verhandlung. bei welcher Herr AppellationSgerichtSrath vr. Wil- helmi den Vorsitz führte und die Anklage durch Herrn Staats anwalt Löwe vertreten war, bot in mannichfacher Hinsicht ein psychologisches Interesse dar. Auf der Anklagebank saß ein junges Mädchen von kaum 23 Jahren, Emilie Marie Matches aus Zittau, welches bereits sieben Mal wegen Diebstahls, Fälschung und Betrugs bestraft, darunter eine zwei jährige Zuchthausstrafe verbüßt hatte. Sie dürfte mithin zu den Unverbesserlichen zählen, wenngleich sie andererseits trotz ihres all seitig gewinnenden Aeußern in rein moralischer Hinsicht nicht der leiseste Tadel trifft, eine Erfahrung, welche zu machen Crimival- und Polizeibeamte bei professionirten Schwindlerinnen und Die binnen nicht selten Gelegenheit finden werden. Nicht minder be- merkenSwerth dürfte erscheinen, daß sie von den ihr beigemessenen acht verschiedenen in der BerÜbungSweise ganz gleichen BelrugS- fällen nur drei einzuräumen für gut fand, obschon die Zeugen der Vorfälle mit größter Bestimmtheit, zumal nachdem die Ange klagte auf Veranlassung des Präsidiums ihre heutige Kleidung mit derjenigen, welche sie bei sämmtlichen Schwindeleien getragen, ver tauscht hatte, sie als diejenige Person wiedererkannten, welche am 5. und 6. v. M. in ihren betreffenden Verkaufslocalen erschienen war. Am letztgedachten Tage war sie unter dem Vorwände, im Aufträge ihres Dienstherrn, des wohlbekannten hiesigen Schnitt- waarenhändlers St., zu kommen, in dem Gewölbe eine- Juweliers auf der Reichsstraße erschienen, und hatte in unbefangener Weise um gefällige Vorlegung einiger Armbänder im Werthe von un gefähr 30 Thlr. gebeten, da ihr Dienstherr ein solches seiner Ehe gattin am nächsten Tage, als ihrem Geburtstage, zu schenken wünsche. Mit dem Geschmacke ihrer Dienstherrin vollkommen vertraut, wollte sie diejenigen bezeichnen, welche ihrer Herrin, der da- Geschenk noch streng verborgen bleiben solle, am meisten Zusagen würden. Der Juwelier, von der hiesigen Polizeibehörde bereit- TagS zuvor von dem Gebahren und der Persönlichkeit der Schwind lerin unterrichtet, ging scheinbar auf die gemachte Bestellung ein, benachrichtigte aber inzwischen und während der dortige Commis sich anschickte, drei der gewählten Armbänder zu verpacken, um sie der ihrer harrenden Mandatarin zur Ansicht und Auswahl für ihren Dienstherr» mitzugeben, da- Polizeiamt von der Gegenwart und dem Vorgeben des Frauenzimmers, dessen ganzes Auftreten chm mit demjenigen Gebahren identisch zu sein scheine, von wel chem ihm TagS zuvor zur Warnung Mittheilung gemacht worden sei. Bevor daher noch das fragliche Packet so weit in Ordnung war, um eS dem Dienstmädchen auSzuhändigen, erschien in dem fraglichen Locale ein Polizeibeamter, welcher nach einigen Fragen das Mädchen zur Begleitung auf den Naschmarkt veranlaßte. Nach anfänglichem Läugnen räumte sie ein, in gleicher Weise in zwei andern Verkaufslocalen von Goldarbeitern gewesen zu sein, läugnete dagegen hartnäckig die Absicht rechtswidriger Aneignung; vielmehr behauptete sie, Solches alles nur um deswillen gethan zu haben, um Herrn St. einen Posten zu spielen. Sie habe, sagte sie, gedacht, es würde dem St. höchst unangenehm sein, wenn er von verschiedenen Seiten Armbänder zugeschickt erhielte. Nach dem Grunde gefragt, weshalb sie St.'n einen Posten zu spielen beabsichtigt habe, gab sie an, sie habe einmal von St. „etwas" gehört, weshalb sie böse auf ihn sei, könne sich aber über diese- „etwas" nicht aussprechen. In gleicher Weise stellte die Angeklagte in Abrede, daß sie die Armbänder, wenn ihr solche zur Besorgung an St. übergeben worden wären, angenommen hätte. Inzwischen war ermittelt wor den, daß die Matthes außerdem noch in drei anderen Goldwaaren- geschäften und in zwei Uhrenhandlungen anwesend gewesen sei und iheils unter derselben Vorspiegelung, Herr St. oder auch ein hiesiger näher bezeichnter Stadtrath wünscht einige Armbänder zur Ansicht Überschickt zu erhalten, Iheils unter dem Vorgeben, ein auf der Hainstraße wohnhafter Restaurateur wolle seiner Ehefrau eine französische goldene Damenuhr zum Geburtstage schenken, Maaren zu erschwindeln den Versuch gemacht habe. Obschon nun auch die Inhaber dieser VerkaufSgewölde beziehentlich ihre Vertreter sie mit größter Bestimmtheit wledererkannten, beharrte sie doch da bei, die fragliche Person nicht gewesen zu sein. In zwei andern Fällen dagegen, in welchen ihr zur Last fiel, am 18. October und 19. November vor. I. einmal eme auf 1 Thlr. 18 Gr. gewürderte Lampe und dann v/rDtzd. Dessert- und Speiseteller im Werthe von 1 Thlr. 6 Ngr. gleichfalls unter falschen Borgeben sich auf Credit anderer Personen verschafft und später für sich in Gebrauch genommen zu haben, gestand sie die Täterschaft unumwunden zu. Wegen aller dieser Iheils versuchten, Iheils vollendeten Betrüge reien traf sie als eine wiederholt rückfällige Verbrecherin heute eine fünfjährige Zuchthausstrafe. Auf eine Vertheldigung hatte die MattheS verzichtet. Verschiedenes. H Leipzig, 25. Januar. Heute Nachmittag t/«2 Uhr traf mittelst der Thüringer Bahn Se. kön»gl. Hoheit der Großherzog von Weimar hier ein; derselbe wurde am Bahnhof von seinem hier studirenden Sohne, dem Erbgroßherzog Karl August empfan gen und reiste »>4 Uhr auf der Bayerischen Bahn weiter nach Altenburg. * Leipzig, 25. Januar. Nach einem gestern gefaßten Be schlüsse wird das schöne Künstlerfeft mit der Aufführung von „Dornröschen" nicht wiederholt werden. * Leipzig, 25. Januar. Die Gesellschaft „Tunnel" will in der Roßstraße ein eigenes HauS bauen und darauf im Ganzen eine Summe von 23,000 Thlr. verwenden. Der gewählte Platz hat eme Länge- von 56 und eine Tiefe von 28 Ellen, also 1568 Ellen. Die Elle soll mit 4>/, Thlr. bezahlt werden. Der Bau de- Hauses selbst ist zu 15,000 Thlr. veranschlagt. ** Leipzig, 24. Januar. Vor einigen Tagen geriethen die beiden Handarbeiter Carl Schauer au- Abtnaundorf und Gustav