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74 §. 10. Erster Theil. Drittes Capitel. stand 1 ), sobald diese im Sinne einer Hypothese genommen wurde. Durch De- cret vom 5. März 1616 war dem Galilei dieser Beschluß bekannt geworden und er hatte sich diesem in Demuth gefügt. Sowohl dieses Ereignis als der Tod des Papstes Paul V. (Januar 1621) hinderten vorerst ein weiteres Vorgehen seiner Feinde. Noch mehr erhöhten sich die Hoffnungen Galilei’s auf einen großartigen l msclnvung in der freien Entwicklung der Wissenschaft und sein Verhiiltniß zu ihr. als am S. Juli 162.5 sein bisheriger Gönner, Cardinal Matfeo Barbcrini als Papst Prban 1 IIP, den heiligen Stuhl bestieg. Demgemäß stellte sich Galilei dem neuen Papste wiederholt persönlich vor. was wenigstens zur Folge hatte. daß man ihn von Seiten der Incpiisition in lluhe ließ. Im Jahre 1632 erschien Galilei s be rühmtes Buch: .Dialoge über die beiden wichtigsten Weltsysteme, das Ptoiemaische und das Copernicanische'-). in welchem drei fingirte Personen auftreten: Salviati ein Copernicaner, Sagrcdo einZwischenmauer und Simplicius ein Ptolemäer, welch letzterer (als „der Einfache“ oder eigentlich „der Einfältige“) von den beiden ersteren durch Scherz und Ernst in die Enge getrieben wird. So sehr auch die hervorragendsten Gelehrten aller Länder dem Galilei wegen dieser wissenschaftlichen Tliat beglückwünschten, so gut verstanden es seine lauernden Feinde, die Jesuiten und Dominicaner, solche zu Anklagen zu gestalten. Zugleich bestrebten sic sich darzutlmn, daß Simplicius. der alberne Verthcidiger des Ptolemäischen Systemes in den Dialogen, Niemand anders sei als Urban VIII selbst und Galilei demnach die heilige. Person des Papstes verspottet und verhöhnt habe. Ein Mann von so großer Eitelkeit wie Urban, war natürlich an dieser schwachen Seite höchst empfindlich und richtig hielt er sich schließlich für per sönlich beleidigt; es wurde eine Specialcommission von 10 hohen geistlichen Herren in Bom niedergesetzt und der traurige Impiisitionsproceß gegen Gali lei begann. Bereits am 23. September 1632 erhielt der Inquisitor von Florenz den Auftrag, Galilei im Namen der heiligen Congregation zu bedeuten, daß er im Laufe des Monats Oetober in Bom vor dem Generalcommissair des hei ligen Ofiiciums zu erscheinen habe. Nachdem alle Bemühungen seiner Freunde und Gönner diese Citation zu umgehen an der Macht seiner Feinde gescheitert waren, trat am 20. Januar 1633 der siebzigjährige gichtbrüchige Greis, in einer Sänfte getragen, die beschwerliche Beise nach Bom an. wo er (mit Ein schluß einer zwanzigtägigen Quarantäne) am 13. Februar in der päpstlichen Besidenz cintraf. 1) v. Gebier a. a. O., S. 107 und S. 122 berichtet über diese wichtigen Acte anders wie viele seiner Vorgänger, namentlich auch anders wie Cantor a. a. 0. Die Ursache davon ist einfach die, daß v. Gebier Einsicht in Acten- stiieke des Vaticans nehmen konnte, die bis zum Jahre 1870 unzugänglich waren. Man sehe deshalb insbesondere S. 101 und 102 des v. Gebier sehen Buches. 2) ,l)ialogo di Galileo Galilei: dove nei congressi di quattro gioruate si discorre sopra i dne Massimi Sistemi del Mondo Tolemaico e Copernicauo, pro- ponendo indeterminatamente le ragioni filosofiche e naturali tanto per 1 una parte, ehe per l’altra*. Firenze 1632.