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72 §. 10. Erster Theil. Drittes Capitel. Galileo Galilei 1 ) wurde am 18. Februar 1564, dem Tage, wo Michel Angelo zu Rom die Augen schloß, in Pisa geboren. Sein Vater, ein Floren tiner Edelmann in nicht glänzenden Vermögensverhältnissen, bestimmte den jungen Mann zum Kaufmannsstande (Tuchhandel). I)a jedoch der Sohn unge wöhnliches Talent für Wissenschaft, Kunst und praktische Mechanik zeigte, entschied sich der Vater, trotz der Schwierigkeit die hierzu nothwendigen Mittel zu beschaffen, schließlich dazu, dem Sohne eine gelehrte Ausbildung geben zu lassen. Er sollte Arzt werden. Erst 17V-J Jahre alt wurde Galilei (1581) an der Universität Pisa immatriculirt. wo er seine Studien mit Mathematik und der Metaphysik des Aristoteles begann. Schon bei dem jungen Studio sus bäumte sich der Genius gegen das starre Festhalten an einem antiquirtcn Standpunkt himmelhoch auf, er rang nach eigner Erkenntniß und griff' des halb, kühn und entschlossen, zum Entsetzen der ob solcher unerhörten Ver wegenheit ganz verblüfften Aristoteliker, so manchen bisher für unantastbar gehaltenen Orakelspruch ihres großen Meisters in öffentlichen Disputationen an, welche „NaseWeisheit“ ihm schon damals zahlreiche Feinde und den Bei namen „der Zänker“ einbrachte. Ebenfalls als Student entdeckte er den Isochronismus der Pendelschwingungen und zwar durch die aufmerksame Be trachtung der Schwingungen einer Lampe. in der Cathedrale zu Pisa, die an einem langen Seile herabhing. Die Zeiten der Schwingungen dieses Pendels maß er mittelst Beobachtung seiner eignen Pulsschläge. Leider mußte Gali lei, erst 21 Jahr alt, wegen unzulänglicher Mittel die Universität verlassen; jedoch stancl er bereits derartig auf eigenen Füßen, daß er seine selbständigen Untersuchungen der Naturerscheinungen zu Hause eifrig fortsetzen konnte. Schon damals nannte ihn der Marquis del Monte (Guido Ubaldi) „den modernen Archimedes“, empfahl den jungen Gelehrten dem derzeitigen Groß herzoge Ferdinand I. von Toscana aus dem Hause Medici, in Folge dessen ihm 1589 eine Professur der Mathematik an der Universität Pisa anvertraut wurde, allerdings mit dem sehr geringen Gehalte von 60 Scudi (260 Mark) pro Jahr. In dieser Zeit war es, wo er seine epochemachenden Forschungen über die Gesetze des freien Falles der Körper anstellte, welche heute unter dem Namen der „Galilei’schen Gesetze“ bekannt sind. Zugleich trat er offen gegen die mächtige Schule der Aristoteliker auf, was ihm viele Feinde zuzog, denen sich auch bald Johann von Medici (natürlicher Sohn von Cos inus I.) zugesellte, so daß er es für angemessen hielt, erst nach Florenz zu rück zu pilgern, dann aber im Herbst 1592 in den Freistaat Venedig überzu siedeln, wo er, vorläufig auf 6 Jahre, als Professor der Mathematik in Padua angestellt wurde. Hier erfand er (1594) den Proportionalzirkel, dann (1597) das Thermo meter und als er 1609 bei einer Reise in Holland von den dort erfundenen Fern röhren hörte, erfand er bald nachher ein weit schärferes Fernrohr mit tausend facher Vergrößerung, während das des Holländers nur eine 2öfache Flächen- 1) Diese Biographie wurde vorzugsweise (an mehreren Steilen wörtlich) mit Hülfe folgender zwei Quellen verfaßt: a) Cantor, Zeitschrift für Mathematik und Physik und b) Ivarl v. Gebier, Galileo Galilei und die römische Curie. Stutt gart 1876.