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48 §. 8. Erster Theil. Zweites Capitel. Vieta wurde 1540 in Fontenay le Comte geboren und starb 1603 zu Paris. Bis 1567 Advokat seiner Vaterstadt, wurde er nachher Rath in verschiedenen Departement-Parlamenten Frank reichs, im Jahre 1580 maitre des requetes ordinaires de l’hötel du roi in Paris und später unter Heinrich l'V. Mitglied des conseil prive daselbst. Die zahlreichen von ihm hinterlassenen Schriften, welche sich namentlich in fruchtbarer Weise auf das Gebiet der Geometrie *) und Arithmetik erstrecken, wurden 1646, in besonders vollkommener und guter Ausstattung, von dem Leydener Professor Francis- cus van Schooten herausgegeben, Verzeichnisse davon liefern sowohl Kästner in seiner ,Geschichte der Mathematik 1 Bd. IIP, wegen Unterschleife, aller seiner Aemter entsetzt und zur Haft im Tower ver- urtheilt. Allerdings begnadigte ihn sein Gönner König Jacob I., setzte ihm sogar eine Pension aus, allein seine Würden erhielt er dessenungeachtet nicht wieder. Er starb am 9. April 1626 zu Highgate (London). Trotz des verfehlten Lebensweges gehört Baco von Verulam doch mit zu den Männern, die (wie Wolf ganz richtig, S. 222 seiner ,Geschichte der Astronomie' sagt) „das Schwerste gethan, nämlich die erste Bresche in die gewaltige und wohl gehütete Festung gelegt haben, welche die Gefangenen umgab. Baco’s Hauptwerk ,Novum organon' erschien 1620, ein Jahr vor dem Falle des Verfassers. Mit Recht wird Verulam’s Satz: „Daß der Mensch als Diener und Aus leger der Natur nur so viel und nicht mehr von der Beschaffenheit der Dinge wisse, als er durch angestellte Ver suche und Beobachtungen kennen ge lernt habe.“ „Homo naturae minister et interpres tan- tum facit et intelligit, quantum de na turae ordine re vel mente observaverit nec amplius seit aut potest.“ (Novum organum scientiarum; lib. I, aphorismus 1.) nicht in jeder Beziehung so günstig für die Entwickelung der hier vor Allem zu beachtenden Prinzipien der Mechanik gehalten, wie es die Meinung der zu weit gehenden Verehrer Baco’s sehr oft war. Unter Anderem bemerkt in dieser Hin sicht Dühring in seiner ,Geschichte der allgemeinen Prinzipien der Mechanik' (erste Auflage), S. 104 Folgendes, dem eigentlich Jedermann beistimmen müßte: „Der Antheil einer echten Speculation ist, gerade in Rücksicht auf die mechanischen Prinzipien so überwiegend, daß empirische Grundsätze in der Weise Baco’s der Behandlung der Mechanik (Statik und Dynamik) nur hätten hinderlich sein kön nen, wenn sie oder etwas Aehnliches zum Leitfaden genommen worden wären. Uebrigens zeigt auch Libri in seiner ,Histoire des Sciences mathdma- tiques' IV, p. 160, 466, dass Baco bereits ein Jahr vor dem Erscheinen des ,Novum organon', die bis dahin publicirten und nicht publicirten Schriften Gali lei ’ s kennen gelernt hatte. 1) Chasles, ,Geschichte der Geometrie', S. 49 etc.