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44 §. 8. Erster Theil. Zweites Capitel. In Prag wurde ihm nicht nur durch die hochherzige Frei gebigkeit Kaiser Rudolfs II. der Bau einer neuen Sternwarte übertragen, sondern auch ein Jahrgehalt von 3000 Dukaten als Astronom zugebilligt. Leider konnte er hier nur zwei Jahre lang wirken, indem ihn 1601 bereits der Tod ereilte. Noch zur rechten Zeit berief Tycho den deutschen Astronom Kepler nach Prag und übergab diesem seinen ganzen Reich thum von Himmelsbeobachtungen. Nach zwanzigjährigem unermüdlichen Forschen findet Kep ler endlich, der Hauptsache nach auf empirischem Wege, die noch heute nach ihm benannten drei wichtigen Gesetze, welche die Basis der sogenannten theoretischen Astronomie bilden, wo durch allein schon Kepler einen unsterblichen Namen erlangen mußte und welche also lauten: 1. DieBahnen, welche die Planeten um dieSonne beschreiben, sind alle Ellipsen und die Sonne be findet sich in einem der Brennpunkte dieser Ellipsen. 2. Der Leitstrahl (radius vector), vom Brennpunkte nach dem jedesmaligen Orte des Planeten gezogen, beschreibt in gleichen Zeiten gleiche Flächenräume. 3. Die Quadrate der Umlaufszeiten, in welchen zwei verschiedene Planeten ihren Umlauf um die Sonne vollenden, verhalten sich wie die dritten Po tenzen ihrer mittleren Entfernungen von der Sonne. Kepler’s Verdienste um die Astronomie allein sind so groß und mannigfaltig, daß Alles, was er sonst auf dem Gebiete der Mathematik leistete, recht wohl unbeachtet gelassen werden könnte. Nichts destoweniger müssen wir seiner neuen Stereo metrie (Nova Stereometria doliorum etc. Linci 1615) gedenken, worin er zuerst den Gebrauch des Unendlichen lehrte, eine tief sinnige Idee, welche nach der Exhaustionsmethode (S. 18) des Archimedes der zweite Schritt zu den Infinitesimalmethoden wurde. Auch war es Kepler, welcher den Grund für die zwanzig Jahre später vonFermat 1 ) gegebene analytische Regel: „Demaximis 1) Fermat, geb. 1608 (oder 1590) zu Beaumont bei Toulouse, starb 1665 in Toulouse. Seine Verdienste um die Geometrie schildert Chasles (deutsche Uebersetzung, S. 62 bis mit 65). Auch in der Zahlentheorie hat sich Fermat große Verdienste erworben. Man sehe u. A. Ivlügel’s ,mathem. Wörterbuch, Abschnitt „Fermat’s Lehrsätze“. Er wird auch als der erste Erfinder