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480 §. 40. Erster Theil. Erstes Zusatz-Capitel. Varignon ist auch der erste, welcher den interessanten und nützlichen Zusammenhang von Seilpolygon und Kräfte polygon (a. a. 0. Tome I von pag. 193 ab) nachweist (Sätze, welche jetzt die Fundamente der graphischenStatik bilden). Ebenso war es Varignon, welcher zuerst eine aus Seilen gebildete Anordnung (die Seilwaage) angiebt, mit Hülfe deren man das Gewicht einer Waare zu ermitteln im Stande ist, sobald man sich nur im Besitze eines Gewichtes von zweifelloser aber belie biger Größe befindet. (Man sehe hierzu von seinem Werke Tome I, pag. 179 und Tome II, pag. 213 und aus diesen Quellen, die dritte Auflage meiner ,Geostatik‘, S. 234, Aufgabe 1). Noch vor Varignon’s Tode (der 1722 erfolgte) übergab 1695 der Franzose de laHire (oder Labi re)') sein ,Traite de Mecanique 1 der Pariser Akademie der Wissenschaften, welches Werk den ganzen Tome IX der Pariser Memoiren (der Reihe von 1866 bis 1869) ausfüllt. Die genannte Ueberschrift begleitet Lahire mit dem Zusatze „Ou Ton explique tout ce qui est necessaire dans la pratique des Arts“. Auf synthetischem Wege wie Varignon behandelt Lahire in diesem dem Varign on’sehen sehr nachstehenden Werke, nicht nur die sogenannten einfachen Maschinen, leider Alles sehr oberflächlich, sondern auch zusammengesetztere, beispielsweise Hebmaschinen, speciell Krahne, dann Krummzapfen, Stampfwerke 1) Lahire (Philippe de la Hi re), wurde 1640 in Paris geboren und starb daselbst 1718. Sein Vater war ein geschickter Maler, weshalb sich auch der Sohn den schönen Künsten widmen wollte. In letzterer Absicht begab sich Lahire nach Italien, verblieb drei Jahre daselbst, war aber während dieser Zeit zu der Ueberzeugung gelangt, daß er mehr Talent zu den exacten Wissenschaften habe als zur Kunst. Nach Paris zurückgekehrt, schrieb er 1G72 ein Buch über die Kegelschnitte welches, obwohl im Style der Alten verfaßt, dennoch soviel Eigenthümliches und Neues enthielt, daß er damit seinen Ruf begründete und bereits 1678 zum Mit- gliede der Akademie der Wissenschaften berufen wurde. In dieser Stellung nahm er sowohl an den Picard’schen Gradmessuugen (zwischen Amiens und Mal- voisine) als an den Cassini’schen (von Dünkirchen bis Perpignan) Theil. Lahire’s Thätigkeit war eine außerordentliche, was schon allein daraus er hellt, daß er von 1672 bis 1718, nicht weniger als 244 Abhandlungen über fast alle Zweige der exacten Wissenschaften verfaßte, worunter für das Maschinenwesen besonders zwei von Bedeutung sind, nämlich seine Abhandlung über Abrundung der Radzähne nach Epicykloiden (Mem. der Pariser Acad. von 1695, Tome IX, pag. 341) und die Abhandlung über seine noch heute nach ihm benannte doppelt wirkende Pumpe (in den Pariser Mämoiren vom Jahre 1716, pag. 322).