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§. 29. Vom letzten Drittel des 18. bis zum ersten Drittel des 19. Jahrb. 351 Es erübrigt jetzt noch, zwei Französinnen ein Andenken zu gewähren, die als gelehrte Mathematiker in der Geschichte der technischen Mechanik nicht völlig ungenannt bleiben dürfen, es sind dies die Marquise Chastellet') und Mademoiselle So phie Germain 2 ), letztere die Bedeutendste unter den in gegen- 1)GabrieleEmilieleTonnelierdeBreteuil, Marquise duChastelet und Gemahlin des General-Lieutenants Marquis du Chastelet-Lomont, wurde 170G zu Paris geboren und starb 1749 zuLuneville. Geistig sehr begabt, erlernte Gabriele schon in früher Jugend die lateinische, englische und italienische Sprache, widmete sich jedoch nachher hauptsächlich dem Studium der Physik und Mathematik und bewarb sich schon 1732 um einen Preis, den die Pariser Akademie der Wissenschaften für eine Abhandlung über die Natur des Feuers ausgesetzt hatte. Zwei Jahre darauf erschienen ihre ,Institutions de physique* und nachher (1741) eine Erörterung über lebendige Kräfte, sowie nach ihrem Tode die von ihr besorgte französische Uebersetzung von Newton’s ,Principia‘ veröffentlicht wurde, wodurch sie eigentlich ihren gelehrten Ruf erst begründete. Leider scheint ihr sittliches Leben (zur Zeit Ludwig des XV!) nicht ohne Makel. Während der französische Biograph (Michaud, t. 44, pag. 86) ihr wüthende Putzsucht, Spielsucht, Gourmandise, Theaterlust und Streben nach Vergnügungen überhaupt vorwirft, citirt ein anderer (Ersch und Gr über, ,Encyklopädie‘ Th. XVI, S. 196) folgenden Vers Voltaire’s (mit welchem sie überdies in zwei deutigem Verhältnis gelebt zu haben scheint): „Son esprit est tres philosophe, Mais son coeur aime les pompons“. 2) Sophie Germain, geb. 1776 zu Paris und gest. 1831 ebendaselbst. Vom 13. Jahre an hatte Sop hie bereits autodidaktisch Mathematik betrieben und Montucla’s ,Histoire des mathematiques* studirt, als die traurigen Zeiten der französischen Revolution ganz besonders zu Befriedigungen durch ein inneres Leben hinwiesen und Sophie mit Eifer und Talent die Werke berühmter Meister, insbesondere von Euler, Lagrange, Fourier, Gauß etc. mit Erfolg studirte. Nach Entstehung der Pariser Polytechnischen Schule verschaffte sich Sophie Einsicht in die Hefte der Studirenden und setzte sich dann in Correspondenz mit den vorzüglichsten Professoren der genannten Anstalt, insbesondere mit La grange und selbst auch mit auswärtigen Mathematikern, namentlich von 1804 ab mit Gauß in Göttingen (Sartorius v. Waltershausen, ,Gedenkschrift‘, S. 29), welchen sie sich anfänglich unter dem pseudonymen Namen eines Polytechnikers Le Blanc bekannt machte. Als Chladni mit seinen musikalischen Instru menten (das Euphon und den Claviercylinder) Europa bereiste und diese (1809?) auch in Paris vor dem Kaiser Napoleon I. producirte, soll letzterer bedauert haben, daß man keine befriedigende Theorie über die von Chladni entdeckten Klangfiguren, überhaupt keine brauchbare mathematische Theorie über die Vibrationserscheinungen elastischer Platten besitze. Wahrscheinlich hierdurch veranlaßt, stellte (1809) die Pariser Akademie eine diesen Gegenstand betreffende Preisfrage auf, für die sich sogleich auch Sophie interessirte. Als selbst Lagrange die Auflösung dieses Problems „hoch st schwierig“ bezeichnete, soll So phi e geantwortet haben: „ Eh bien \ mon eher maitre, moi je ne desespere