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§. 21. Das achtzehnte Jahrhundert. 215 Lagrange gründete diese Rechnung einfach auf die Theorie der Functionenentwickelung in Reihen. An die Stelle der Differenzial quotienten der verschiedenen Ordnungen setzt er die abgeleiteten Functionen (fonctions derivees) und rechnet mit reinen Differenzial- coefficienten ohne infinitesimale Beimischung. Genannte Functionen entwickelt er aus einer Fundamentalreihe, die zwar mit der Taylor- schen Reihe (S. 155) zusammenfällt, jedoch ohne dafi letztere selbst mit Hülfe der Differenzialrechnung bewiesen wird. Für die technische Mathematik ist es übrigens gleichgültig, ob man, wenn beispielsweise y = f(x) ist, mit dem ersten, zweiten . . . . Differenzialquotienten, also mit —, oder dx 1 dx 2 ' ‘ mit den aus der primitiven (ursprünglichen) Function f(x) ab geleiteten (derivirten), beziehungsweise mit /j (*), f 2 (x) rechnet, worauf übrigens bereits in der Note 1 auf Seite 156 dieses Buches aufmerksam gemacht wurde ’). Ich bewies durch diese Theorie den Lehrsatz des Taylor, welchen man als (Fundament der Reihenmethode) Hauptprincip dieses Calculs ansehen kann, und den man bis dahin nicht anders als durch Hülfe eben dieses Calculs, oder durch die Betrachtung der unendlich kleinen Differenzen, bewiesen hat. Nachher über gab Arbogast (! 1759; t 1803, ein geborener Elsässer, Prof. und Rector der Universität Straßburg) der Akademie der Wissenschaften im Jahre 1800 ein Memoire unter dem Titel: ,CalcuI des dörivations“, worin jedoch von meiner Auf fassung abgewichen wird, wie der Verfasser selbst am Ende der Vorrede zu seinem Buche hervorhebt“. (Letztere Bemerkung findet sich jedoch erst in den,Oeuvres“, Tome IX, pag. 19, als Note). 1) Es mag hier noch folgende Bemerkung Platz finden, welche seiner Zeit der ausgezeichnete, liebenswürdige Lehrer des Verfassers (,Der Geschichte der theoretischen Maschinenlehre“), der jetzige Geheime Hofrath, Prof. Dr. Drobisch an der Universität Leipzig, in seinem vortrefflichen Buche ,Grundzüge der Lehre von den höheren numerischen Gleichungen“ (Leipzig 1834), in der Vorrede, S. VIII machte und welche also lautet: „Lagrange’s Functionentheorie, obgleich unbequem und unnatürlich in den Anwendungen auf Geometrie und Mechanik, brachte doch, als natür liche Verallgemeinerung der Methode der unbestimmten Coefficienten, das, was früher fast für heterogen gehalten worden war, in eine nähere Berührung; einen gleichen Zweck hatten Arbogast’s Derivationsrechnung und andere ähnliche Versuche: der Differenzialrechnung eine neue, den allgemeinen algebraischen Operationen näher liegende Seite abzugewinnen und sie damit den Elementen anzureihen“. Irrt der Verfasser nicht; so hat letzteren Weg (in Deutschland) zuerst Littrow (der Aeltere) in seinem 1827 erschienenen, recht empfehlenswerthen Buche ,Elemente der Algebra und Geometrie“ eingeschlagen, welches 1827 in Wien, im Verlage von Heubner erschien.