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180 §. 20. Erster Theil. Fünftes Capitel. Hierzu stellte d’Alembert den bereits S. 145 erwähnten und schon von Jacob Bernoulli benützten Satz von den ver lorenen Kräften in allgemeiner Weise auf und lieferte zugleich eine directe Methode, jede Aufgabe der Dynamik auf eine der Statik zurückzuführen, oder wenigstens eine hierzu dienende Glei chung aufstellen zu können. Zum gehörigen Verständnisse dieses Satzes diene Folgendes. Betrachtet man mit einiger Aufmerksamkeit die Bewegung eines System es unabänderlich mit einander verbundener ma terieller Punkte oder Körper, so erkeuut man bald, daß die Be wegung jedes einzelnen derselben, sowohl von der auf ihn wir kenden Kraft abhängt, als auch von der Reaction, welche die ändern materiellen Punkte oder Körper des Systemes auf ihn aus üben, oder daß im Allgemeinen keiner derselben eine Bewegung annimmt, die er zufolge der einwirkenden Kräfte angenommen haben würde, hätte er diesen frei folgen können. Um daher die wirklich statthabende Bewegung eines der materiellen Punkte oder Körper zu bestimmen, muß man die Ver änderungen kennen lernen, welche diese Bewegung zufolge der Verbindung, als Theil eines Systemes, erfährt. Die vollständige Auflösung dieser Aufgabe, gab d’Alembert in seinen 1743 in Paris erschienenen Werke: ,Traite de dyna- mique 1 , p. 50 durch Aufstellung eines Satzes, der in der Haupt sache, folgendermaßen lautet: „Werden den verschiedenen materiellen Punkten oder Kör pern eines Systemes Bewegungen mitgetheilt (eingeprägt), welche durch die gegenseitige Verbindung der materiellen Punkte oder Körper eine Abänderung erfahren, so ist klar, daß man diese Be wegung so betrachten kann, als wäre sie zusammengesetzt (resul- tirend) aus den Bewegungen, welche die materiellen Punkte oder Körper des Systemes wirklich annehmen, und aus den Bewegungen, welche zufolge der Verbindung vernichtet (verloren) wurden. Hieraus folgt zugleich, daß letztere Bewegungen von der Art sein müssen, daß, wenn die materiellen Punkte oder Körper des Syste mes von ihnen allein angeregt werden, Gleichgewicht statt- fiuden muß“. Kurz zusammengefaßt ist sonach das Charakteristische des d’Alembert’schen Satzes: „Die Zerlegung der Kräfte in zwei Bestandtheile, von denen die einen im Gleichgewicht sein müssen, während die ändern zur Bewegung beitragen“.