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182 §. 20. Erster Theil. Fünftes Capitel. § 20. D’Alembert. Euler’s vortreffliche Arbeiten über analytische Mechanik be standen im Wesentlichen in der Lösung isolirter Aufgaben aus allen Theilen der angewandten Mathematik und zwar in solchem Umfange, daß es noch gegenwärtig verhältnismäßig wenig Pro bleme giebt (Zeit und Umstände in Betracht gezogen), welche dieser ausgezeichnete Meister der mathematischen Wissenschaften nicht mindestens berührt hätte. So groß aber auch Euler’s Verdienste bezeichnet und hoch sicherte, sondern auch eine Pension von 1000 Thalern anwies. Pie Königin Mutter (Sophie Dorothea, geh. Prinzessin von Hannover, Tochter Georg’s I. von England), die gern mit Gelehrten verkehrte, empfing an Stelle des abwesenden Königs, unsern Euler aufs Leutseligste. Euler, an Vorsicht in seinen Be merkungen und Aeußerungen gewöhnt, war in dieser Unterredung so einsilbig, daß die Königin ihn darüber zur Rede stellte. Die Antwort Euler’s lautete: „Ich komme aus einem Lande, wo man gehängt wird, wenn man spricht“. Im Jahre 1744 wird Euler zum Director der mathematischen Klasse der Berliner Akademie der Wissenschaften ernannt und 1755 dadurch ausgezeichnet, daß ihn Ludwig XV. von Frankreich zum überzähligen auswärtigenMitgliede der Pariser Akademie beruft. Der Minister d’Argenson theilte ihm die Er nennung in folgenden Worten mit: „L’Academie desirait vivement de vous voir associe ä ses travaux, et Sa Majeste n’a pu qu'adopter un temoignage d’estime que vous meritez ä si juste titre“. Nach einer hier besonders benutzten Quelle*) nützte Euler während seines Aufenthalts in Berlin nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der preußischen Staatsverwaltung, namentlich mit Gutachten über die Herstellung eines Canals zwischen der Havel und Oder, über die Wasserwerke zu Sanssouci etc., über Lotteriepläne und andere Finanzfragen. Da ihm die Geschicke der Petersburger Akademie immerfort am Herzen lagen und ihm eine unangenehme Reorganisation der Berliner Akademie Sorgen bereitete, so folgte er einem Rufe der Kaiserin Katharina II. nach Petersburg, wohin er auch im Juni 1766 zurückging. Leider wurde ihm hier die Freude an einem hohen Jahresgehalte und einem Antrittsgeschenke zum Kaufe eines Hauses durch das Unglück verbittert, daß er noch im Herbste desselben Jahres sein zweites Auge verlor, nachdem er bereits 1735 schon auf einem Auge erblindet war. *) Oantor in der ,Allgemeinen deutschen Biographie 1 , Bd. VI, S. 424 u. s. w. Die Quellen, woraus Cantor schöpfte, sind hier ebenfalls angegeben und dar unter auch die treffliche Arbeit von Euler’s Schwiegersöhne, des nachherigen Staatsraths von Puss in der ,Correspondance mathematique et physique etc.“ vol. I.