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136 §. 16. Erster Tlieil. Viertes Capitel. nämlich die Aufgaben öffentlich zu stellen, um dadurch in eigen- thümlicher Weise zur Förderung der mathem. Wissenschaften bei zutragen. In Anwendung dieses mächtigen Mittels, die Geister zu beleben und zu schärfen, wurde Leibniz durch die damaligen Meister bald kräftig unterstützt. Von vielen Seiten wurden neue Probleme aufgestellt, um deren Auflösung man sich in erfreulicher Weise bemühte. Vom technischen Standpunkte aus ist in dieser Be ziehung zuerst das Problem der Kettenlinie zu erwähnen. Jacob B. stellte die betreffende Aufgabe in den ,Acta Erudito- rum‘ von 1690 (Maiheft, S. 219) und schon im folgenden Jahre lieferten Johann Bernoulli 1 ), Leibniz und Iluyghens in derselben Zeitschrift (,ActaErud.‘, 1691) entsprechende Auflösungen. Höchst wahrscheinlich hatte Johann B. nicht ohne Einfluß des 1) Johann B. wurde am 27. Juli 16'67 (alten Stiles) in Basel geboren und obgleich von seinem Vater zum Kaufmannsstande und nachher zum Medi- ciner bestimmt, fühlte er sich doch so zur Mathematik hingezogen, daß er bald ein eifriger Schüler seines älteren Bruders Jacob wurde, der ihn in die Priu- cipien der höheren Analysis einweihte und den er gewissermaßen einholte, indem er zum selbständigen Schaffen großes Talent zeigte. Nach einer Keise in Frank reich, wo er u. A. auch die Bekanntschaft von L’Hospital machte, arbeitete er von 1692 ab (als Johann nach Basel zurückgekehrt war) mit dem Bruder in erfreulicher Eintracht zusammen und wobei er in Correspondenz mit Leibniz trat, die auch bis zu des Letzteren Tode fortdauerte. Krankheit des älteren Bru ders und das hohe Selbstgefühl des jüngeren, verbunden mit großer Eitelkeit und Neid, lockerten bald das brüderliche Band, was endlich in die bitterste Feindschaft ausartete. 1695 kam Johann B. auf Iluyghens Empfehlung als Professor der Mathematik und Physik nach Groningen, wo er bis 1705 verblieb. Mancherlei Umstände veranlaßten ihn nach Basel zurückzukehren, wo ihm auch nach dem Tode seines Bruders Jacob dessen Professur angetragen und von ihm angenom men wurde. Diese Stelle verwaltete er 42 Jahre lang, ungeachtet an ihn Beru fungen von Leyden, Padua, Groningen und Berlin ergingen, bis zu seinem Tode, der am 1. Januar 1748 in Basel erfolgte. Johann B. war Mitglied der Akademie von Paris, Berlin, London, Bo logna und St. Petersburg. Seine Gesammtwerke (Johannis Bernoulli ,Opera omnia 1 , Tomus I— IV) erschienen 1742 in Lausanne und Genf. Sein ausgedehnter Briefwechsel mit Leibniz findet sich in der Gerhardt- schen Ausgabe der ,mathem. Schriften* des Letztem, erste und zweite Abtheilung (Halle 1855 und 1856). Eine sehr gute Biographie schrieb in neuester Zeit M. C a n t o r, für die ,Allgemeine deutsche Biographie 1 , woselbst sich auch noch andere Abhandlungen über das Leben und Wirken Johann Bernoulli’s an gegeben finden.