Volltext Seite (XML)
120 §. 15. Erster Theil. Viertes Capitel. Tangentenprobleme, Maxima und Minima, noch weniger aber um bedeutsame Themata aus der Mechanik des Himmels und der Erde entsprechend zu behandeln. Newton scheint bereits 1665 ‘) im Besitze aller derjenigen Iliilfsmittel gewesen zu sein, welche er zur Auflösung schwieriger, mathematischer Probleme als Werkzeug bedurfte. Indeß behielt er diese Wissenschaft für sich, führte die Beweise (in der Regel synthetisch) durch die bis dahin allgemein bekannten Hlilfs- mittel der Mathematik, oder er theilte auch, wenn dies zuweilen nicht durchzuführen war, seine Resultate ohne Beweis mit, woher es auch kam, daß er in seinen ,Principien der Naturphilosophie 1 von der höheren Analysis keinen Gebrauch machte. Es fallen deshalb auch viele Beweise, wie sie Newton in den ,Principien‘ giebt, so weitläufig und schwierig aus, daß wohl ein Mann wie Newton hinterher solche Beweise ausdenken konnte, daß aber auch ein mehr als gewöhnlicher menschlicher Scharfsinn dazu gehört haben würde, die Wahrheiten selbst auf diesem Wege zu finden 2 ). Die Entdeckung des Algorithmus der höheren Analysis durch Leibniz datirt vom 29. October 1675, nach einem Manuscripte, welches später in seinen hinterlassenen Schriften (in der Archivbi bliothek zu Hannover) aufgefunden wurde 3 ). Daraus ergiebt sich, daß er zuerst die Integralrechnung fand, die er „Calculus summatorius“ (die summatorische Rechnung) nannte und als dann den Algorithmus der Differenzialrechnung ausbildete. Erst später (1696) gab Leibniz (nach dem Vorgänge Jacob Ber- noulli’s) die Benennung „summatio“ auf und ließ sich den Namen „integralis“ gefallen 4 ). Das jetzt überall gebräuch liche Summenzeichen f ist durchaus Leibniz’ Erfindung, was 1) Gerhardt, ,Geschichte der Mathematik 1 , S. 178. Auch Brewster, a. a. O., S. 14. 2) Karl Schnell, ,Newton und die mechanischen Naturwissenschaften 1 , Dresden und Leipzig, 1843, S. 59. 3) Gerhardt, ,Leibnizens mathematische Schriften 1 , erste Abth., Bd. III, S. 115 (Note). Ferner in desselben Autors ,Geschichte der Mathematik 1 , S. 117. 4) Ebendaselbst (Bd. III, S. 116) und in Kliigel’s ,mathem. Wörterbuche 1 , Artikel „Differenzialrechnung“, Th. I, S. 845, wird angegeben, daß die Benennung „integralis“ von Johann Bernoulli herrühre und zwar datire die betreffende Vereinigung mit Leibniz aus dem Jahre 1696. Diese Angaben sind dahin zu berichtigen, daß es Jacob Bernoulli war, der schon 1690 in den ,Actis Eru- ditorum 1 und zwar in der Mai-Nummer p. 218 dieser Zeitschrift die Benennung „Integralia“ gebrauchte.