94 §. 12. Erster Theil. Drittes Capitel. „I)e centro oscillationis“ löst Huyghens ganz allgemein das berühmte Problem über den Mittelpunkt des Schwunges *), das Osciilations- oder Agitationscentrurn. Bereits 1G46 legte Mersenne den Mathematikern seiner Zeit die Auf gabe von den Schwingungen zusammengesetzter (materieller) Pendel von bestimmter Gestalt zur Auflösung vor und forderte namentlich Descartes und Roberval, sowie den damals noch jungen (17 Jahre alten) Huyghens hierzu besonders auf. Descartes und Roberval versuchten die Lösung der Aufgabe für einzelne Fälle, während sich Huyghens (später) mit der ganz allgemeinen Lösung der Aufgabe beschäftigte, und endlich in viel gründlicherer Weise wie alle seine Vorgänger in seinem ,IIorologium oscillatorium 1 vollständig löste. Er gründete seine Theorie auf den Satz (die Hypothese), daß der gemeinschaftliche Schwerpunkt einzelner mit einander verbundener Massen nicht höher steigen könne, als er durch den Fall herabgesunken war. Da offenbar die Höhen, welche die Massen im Steigen erreichen, proportional den Quadraten der Geschwindigkeiten sind, welche sie beim Herabsinken erlangten, so konnte man das von Huyghens aufgestellte Theorem so aussprechen, „daß die Summe der Producte der Massen und der Quadrate der von ihnen erreichten Geschwindigkeiten dieselbe bleibt, die Massen mögen sich verbunden mit einander fort bewegen, oder isolirt dieselben Höhen ersteigen. Später zeigte Johann Bernoulli, daß dieses Theorem ein allgemeines Naturgesetz sei, welches er „das Princip von der Erhaltung der lebendigen Kräfte“ nannte, wobei er unter lebendiger Kraft, nach Leibniz’ Vorgänge, das Product 1) Mit dem Namen „Schwingungsmittelpunkt“ bezeichnet man (be kanntlich) den Punkt eines um eine feste horizontale, nicht durch seinen Schwer punkt gehende Achse schwingenden Körpers, in welchem man die Gesammtmasse des Körpers concentrirt denken kann, ohne dadurch die Beschaffenheit und die Dauer der Schwingungen zu ändern. Leonhard Euler giebt §. 542 seiner Me chanik von 1765 (.Theoria motus corporum solidorum 1 ), Uebersetzung von Wolfers, Th. III folgende Erklärung: Der Schwingungsmittelpunkt in einem zusam mengesetzten Pendel hat die Eigenschaft, daß, wenn in ihm die ganze Masse des Körpers vereinigt wäre, sich dieselbe schwingende Bewegung ergeben würde. Man nimmt diesen Punkt aber auf der geraden Linie an, welche durch den Mittel punkt der Trägheit des Körpers geht und normal auf der Drehachse ist.