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84 §.11. Erster Theil. Drittes Capitel. Blaise Pascal, einer der ausgezeichnetsten Schriftsteller Frankreichs auf dem Gebiete der Mathematik, Physik und Philosophie, wurde am 19. Juni 1623 zn Clermont in der Auvergne geboren und starb schon am 29. August 1662, also erst 39 Jahre alt. Sein Vater, ein hochgebildeter Mann, President a la cour des aides in Clermont, leitete persönlich die Erziehung seines einzigen Sohnes, mit dem er 1631 nach Paris zog. Dieser trat hier bald mit den vor züglichsten Geistern der Hauptstadt in die engste Verbindung, namentlich mit Mersenne, Roberval und Anderen. Erst 16 Jahre alt machte er bereits den Entwurf zu einer vollständigen Behandlung der Kegelschnitte, welche Arbeit 1640 unter dem Titel: .Essai pour les coniques 1 veröffentlicht wurde. 1647 erschien von ihm eine Schrift unter dem Titel: .Experiences nouvelles touchant le vuide 1 , worin er noch der herrschenden Meinung huldigte und die Erscheinungen vom Luftdrucke dem Hor ror vacui zuschrieb. Bald hierauf lernte jedoch Pascal die lorricelli sehe Erklärung vom Luftdruck kennen, welche derselbe durch die im Barometer abge schlossene Quecksilbersäule gegeben hatte. Pascal schloß weiter, daß, wenn jene Quecksilbersäule vom Luftdruck getragen wird, ihre Länge auf Bergen offenbar kürzer sein muß, weil dort der Luftdruck nothwendig geringer ist, als in der Ebene. Pascal hat 1647 seinen Schwager Perier zu Clermont einmal zu versuchen, ob nicht auf der Spitze des Puy-de-Döme, an dessen Fuße Clermont liegt, das Barometer niedriger stehe als in der Stadt. Pdrier verstand sich hierzu um man fand, daß die Quecksilbersäule des Barometers auf der Spitze des etwa 3000 Fuß hohen Berges nur 23" 2'" stand, während es am Fuße des Berges 26" 3'//" Quecksilberhöhe also 3" l‘/ 2 '" mehr zeigte. Vom 19. September 1648 ab konnte daher kein Vernünftiger mehr an der Existenz des Luftdrucks zweifeln, welche auch noch dadurch vollständig bestätigt wurde, daß ein in Paris von Pascal selbst wiederholter Versuch auf demThurine St. Jacques de la Bouchene dieselben Resultate gab. . Im Jahre 1658 erschien seine berühmte Abhandlung über die Radlime oder Cykloide (.Histoire de la Roulette 1 ), worüber sich u. A. Chasles maserner .Geschichte der Geometrie 1 >) ausführlich verbreitet. In derselben Quelle"’) wer den auch Pascal’s übrige Leistungen um die Geometrie als Staunen erregende Entdeckungen bezeichnet. Ferner legte Pascal (zugleich mit F e r m a t) den Grund zur heutigen Wahr scheinlichkeitsrechnung und löste oft schwere mathematische Probleme in wenigen Minuten auf, an denen Andere Monate gearbeitet hatten. Sein schwächlicher, kranker Körper bereitete ihm viel Leiden und machte ihn zu einem höchst enthaltsamen, streng frommen Menschen. Dabei betete er häufig und las in der heiligen Schrift derartig viel, daß er diese bemahe ganz auswendig lernte. In dieser Zeit schrieb er seine ,Pensees sur la reli- gion 1 , die erst 1692 (d. i. 30 Jahre nach seinem Tode) erschienen. Sein Merk (Briefe), welches mehr als sechzig Auflagen erlebte: ,Les provmciales, ou lettres ecrites par Louis de Montalte ä un provincial de ses amis 1 , wird als die schärfste Satire bezeichnet, auf die laxe Moral der Jesuiten, deren An- 1) In der Soliucke’schen ITebersetzung S. 66. 2) A. a. O. §. 16—19.