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^ 212. Dienstag dr» 31. IM. 1855. Bekanntmachung, die unentgeltliche Einimpfung der Schutzpocken betreffend. Die unentgeltliche Einimpfung der Schutzpocken wird in diesem Jahre allen unbemittelten Personen jeden Alters, welche in hiesiger Stadt und deren Weichbild, so wie in den unter der Jurisdiction des hiesigen Landgerichts und Kö niglichen Kreisamtes gehörigen Ortschaften wobnen, diermit angeboren. Dieselbe soll von und mit dem 1Ä. Juni dieses Jahres an während eines Zeitraumes von acht Wochen und zwar in jeder Woche Mittwochs Nachmittags von S Uhr an im großen Saale der alten Wage am Markte hier stattfinden. Leipzig, am 5. Juni 1855. Der Rath der Stadt Leipzig. Berger. G. Mechler. Brasilien *). (Briefauszug.) Joinville (Colonie Dona FranciSca), im Oktober 1854. Unsere Ueberfahrt war eine sehr glückliche und nach 7 Wochen hatten wir den Hafen von San Francisco erreicht. Die Seereise bot uns nicht- Besonderes; die Kost war sehr gut und Alles war in Uederfluß vorhanden. ES waren 204 Passagiere am Bord, 2 Aerzte, 1 Prediger und 1 Hebamme; gestorben Niemand, ge» boren 2 Mädchen. Es war eine reine Spazierfahrt, ich mußte Musik machen und die Passagiere tanzten auf dem Deck. In aller Kürze will ich euch nur mittheilen, daß es mir hier sehr wohl gefällt und hatte ich mir die hiesigen Verhältnisse viel ungünstiger vorgestellt. Es ist hier nicht so übertrieben heiß als ich glaubte. Wilde Thiere giebt eS hier genug, doch habe ich selbst noch nicht einmal einen Affen gesehen; schöne Vögel sind hier in Menge, und Hab« ich schon viele geschossen. Ich habe mir bereits für 700 MilreiS eine Farm nebst hübschem Häuschen gekauft, auf dem Acker standen bereits Ananas, Bananen, Kaffeebäume, Bataten, nun habe ich darauf schon tüchtig gearbeitet und mir dazu alle möglichen europäischen Gemüse, und noch viele einheimische Ge wächse gepflanzt. Das Bauen ist hier sehr theuer, theurer wie bei Euch; so baue ich jetzt einen kleinen Stall, der mir ziemlich 100 Thlr. kosten wird; zu demselben habe ich die schönsten Möbel- Hölzer, als Jaccaranda, Canel, Ceder u. a. genommen. Ich bin nun 3 Monate hier und gestern habe ich schon Kartoffeln heraus genommen, die ich gepflanzt hatte, und morgen ist Vollmond, da will ich wieder welche pflanzen; das geht bei uns immer so fort: säen, pflanzen und erntm. Der hiesige Boden ist sehr reich an Gemüsearien z nur au Kartoffeln, die ich selbst gepflanzt habe, kenne ich 10 verschiedene Sorten, alle an Geschmack und Güte verschieden. Aeltere Colonisten ziehe» die einheimischen Gemüse wegen Leichtigkeit der Kultur vor, dm» in die fremden gehen die Ameisen gern; da muß man sehr aufpassen, denn in einer Nacht haben zuweilen diese kleinen Zerstörer ein Beet zu Grunde gerichtet ; man muß nun der Spur uachgehen und sie mit heißem Wasser zerstören. ; . Ich hatte mir die Kerne von Apfelsinen und Citronen von Europa mitgebracht, und hier in die Erde gelegt; sie sind aber nicht aufgegangen, während die Kerne hiesiger Früchte, welche zu gleicher Zeit gepflanzt wurden, schon 4 Zoll hohe Pflanzen getrieben *) Aus der ,.Hamburger Zeitung für deutsche Auswanderung-- und Colonisation--Angelegenheiten". haben. Nußbäume, welche ich mir auch pflanzen wollte, brauchen wir eigentlich nicht, da wir hier Nüsse haben, welche wie Kartoffeln in der Erde wachsen und wie Mandeln schmecken. In dem jetzt verflossenen Winter habe ich alle Tage gesäet und gepflanzt, natürlich wächst auch das Unkraut schnell. Ich wünschte nur ich könnte wieder nach Leipzig 'kommen und eS Euch selbst schildern, wie eS hier ist, und viele arme Menschen mit hierher nehmen. Es ist ein eigenes Gefühl, wenn man selbst Besitz und Eiqenthum hat, über jede Pflanze freut man sich. — Mein Viehstand ist zur Zeit noch klein, weil mein Stall noch nicht fertig ist; er besteht aus einem Kater und einem jungen Hunde. Diebstähle kommen hier nicht so leicht vor. Hier ist eS Sitte, w.nn man an die Wohnung eines Eingebornen kommt, dreimal in die Hände zu klatschen bevor man eintritt, dann er scheint der Besitzer und giebt durch Winke zu verstehen, ob m-n eintreten oder weitergehen soll; jedes Geschöpf, sei eS Mensch oder Thier, welches ich ohne meine Erlaubniß auf meinem Grundstück antreffe, habe ich das Recht sofort niederzuschießen. Dieses Alles merkt sich und weiß ein Jeder und deshalb bedürfen wir auch weder Polizei noch Advocaten. Mein HauS ist ganz nach europäischer Art gebaut mit Glas fensterdecke und gedielt, 2 Stuben, Küche und Bodenraum. Durch mein Grundstück fließt ein schöner Fluß mit prächtigen Fischen. Das Angeln ist mir indeß zu langweilig, ich wollte Dich deshalb bitten mir einige Garnsäcke zum Ausstellen mtzubringen, auch recht viel Bindfaden zum Netzestricken. Du thust übrigens wohl, wenn Du einen Deiner Söhne bei einem Fischer das Garnsackstricken erlernen läßt, und dies ist auch auf dem Schiff ein nützlicher Zeit vertreib. Mein Grundstück liegt in der Nordstraße, 10 Minuten von der Stadt. Ich gedenke mir mit der Zeit auch eine Ziegelei anzulegen, denn schönen Lehm und Wasser genug habe ich auf meinem Grundstück. Nur sind die Arbeiter so rar und daher theuer. Gottlob Heimbold aus Leipzig. Vermischtes. Lackirtcs Fleisch. Bis jetzt konnte man Fleisch und andere Nahrungsmittel nur durch Salz, Essig, Trocknen oder Räuchern eine Zeitlang vor dem Verderben bewahren; jetzt hat sich in Paris eine Gesellschaft gebildet, welche eine neue Erfindung, durch eine Art Lack, Conservatine genannt, alle Lebensmittel jahrelang auf zubewahren, für die jetzige Zeit des Mangels und der Theuerung