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Tageblatt und Anzeiger. ^ 74. Donnerstag den 15. März. 1855. Die Industrieausstellung ;u Paris. Zweifelsohne liegt e- in der Charakteristik der französischen Ra tion, daß man sich nicht an diese Bezeichnung binde, denn dafür sprechen schon die hier und da laut gewordenen Benennungen, als: Weltausstellung, UniversalauSstellung, da man, um sie so glanzend als großartig auszustatten, Künste und Wissenschaften in das Bereich derselben ziehen und somit sich bemühen will, den Handschuh in den Hyde Park zu werfen. Abgesehen von den andern Erdtheilen, die nun einmal eine Weltausstellung in ihre Schranken fordern muß, ist es wohl an zunehmen, daß dieselbe Europa in einer weit ungeeignetem Lage trifft, alS die Ausstellung zu London 1851. Hat sich auch das Unwetter auf den Raum einer kleinen Insel gezogen, so donnert und blitzt eS doch noch immerdrohend jeden Augenblick heftiger zu werden, und wer mag die Zukunft enthüllen, ob eS am östlichen Horizont sich noch trüber gestaltet und von da schwere Wolken über andere Staaten sich ziehen! Dieses Schwanken zwischen einer friedlichen Verständigung gegenüber den größten und kostspieligsten Kriegßtüstungen giebt einen Zustand ab, der, da sämmtliche Groß mächte dabei becheillgj, jede Zukunft abschneidet und Europas Völker i» einer für sie höchst nachtheüige» Spannung läßt. Steht ch tzMWch ftß, daß Ausstellungen um i» Schoße d«S tiefsten Frieden- am besten gedeihen, so ist eS um so rühmlicher, daß b.i alle« diesen Ereignissen eine solche Theilnahme sich zeigt und so drdeuteribe Anmeldungen ergangen sind. Deutschland kommt aber auch bei dieser Ausstellung in eine unangenehme Lage. Nachdem eS bereit- m London recht gut vertreten war, hat eS nur erst im vorigen Jahre wieder seine Separatausstellung in München gehabt, »znd es mögen die Vielen Gegner derselben daran tadeln was sie wollen, so können sie doch auch daS Gute nicht adleugnen, und eS wärm weit größere Resultate durch dieselbe erzielt worden, wenn sie nicht Mißgeschicken unterlegen hätte, die außer aller mensch lichen Berechnung liege«. Dentschland kann nun mit München nicht nach Paris ziehen, sondern muß Neue- schaffen, denn eS hat wie irgend ein Staat den größten Beruf, in Paris mit aller Kraft und Anstrengung aufzutreten, und ist dazu dringendst aufgefordert; möge man nur an bas bekannt« EtiqueNenwesen denken. In Frankreich ist die Einfuhr aller ausländischen Jndustrieer- zeugniffe entweder ganz verboten oder mit hohen Eingangszöllen belegt, daher der Franzose mit der ausländischen Industrie weniger bekannt werden kann; aber daS zusammentreffende Interesse Tau sender von Einzelnen dringt einen Umschlag in den Ansichten der Gesammtheit hervor und durch die Nebel der Vorurtheile dringt die Erkenntniß, daß die materielle Wohlfahrt der Nationen zunächst in dem nützlichen Bsrtt-ch der gegenseitigen Erzeugnisse besteht. Es ist daher für alle diejenigen, die ein entferntes Absatzgebiet dis jetzt noch nicht beschritten, der Umstand von Werth, daß sie den Ge schmack und daS Verlangen der fremden Käufer kennen lerne« und sich überDWgwi, in wie weit auch von Seiten anderer Nationen die Erzeugnisse wohlfeil ober theuer befunden und mehr oder weni ger günstig deurtheilt werden. Eine jede Ausstellung würde aber unstreitin ihren Zweck besser erfüllen, wenn sie de« sie beschickenden Industriellen nicht zumuthete, deren Dekorateurs zu sein, sondern weit lieber alS Meßplätze bottachtan lwmen, woselbst man ihnen eine Aufstellung -rtßgeftrchter und verkäuflicher Probelager gewährt, wo durch ein weite- Feld für größere Geschäftsverbindungen sich an bahnen läßt. Wie uns berichtet, erbaut französische Spekulation unmittelbar neben der Ausstellung ein Gebäude zur Aufstellung eines WaarenlagerS verkäuflicher Gegenstände der in selbiger aus gestellten Muster, was höchst lobenSwerth sein dürfte. Die sächsi schen Industriellen werden eS demnach in ihrem Interesse finden, nur durch anerkannt ausgezeichnete Gegenstände, die auch an Ele ganz nicht- zu wünschen übrig lassen, sich zu betheiligen. Daß in Sachsen viel wohlfeiler als in Frankreich gearbeitet werde, ist keinem Zweifel unterworfen, aber dem Geschmacke, der Zeichnung und Zusammenstellung, so wie der Vermeidung irgend einer ur sprünglich französischen Musternutzung ist doch einige Vorsicht zu zuwenden, um nicht unnöthigerweise proftituirt zu werden. Durch solche schätzbare Beobachtungen wird der internationale Verkehr ge hoben und der sächsischen Industrie vielfacher Nutzen gewährt. Höchst wünschenswerth möchte es bei dieser Ausstellung bleiben, daß Deutsch land, um auch hier ein politisches Ganzes zu bilden, in seiner Ge sammtheit geschloffen in selbiger zu finden wäre, jedoch so, daß dadurch keineswegs ein Ausammenschmelzen der einzelnen Staaten und deren Erzeugniffe herbeigeführt werde. Mögen auch andere Staaten auf Deutschland mitleidiae Blicke wegen seiner Zersplit terung werfen zu »ollen sich bemühen, so müsse» sie Loch aner kennen, doß dasselbe in allen volkswirthschaftlichen Beziehungen nicht zurückgeblieben ist, vielmehr Fortschritte gemacht hat, die bei den kargen Unterstützungen, die de» Deutschen oft gewährt werden, nur um so lobender sind, da nur die anspruchlose Beharrlichkeit, die den Deutschen auSzeichnet, eine solche Ueberlegenheit schaffen kann. WaS nun die Ausstellung selbst anlangt, so wäre wohl zu wün schen, daß man alle in London, München und sonst gemachten Erfahrungen nicht unberücksichtigt lassen möge. Ein Haupterfor- derniß ist das Etiquettiren auf Waaren, Kisten und wo «S nur anzubringen ist, verbunden mit dem umständlichsten Nachweis. Gleiche Sorgfalt ist auf das Verpacken zu verwenden. Die kaiser liche Commission wird zwar für AuSpackung und Aufstellung, be ziehentlich Tische und Gestelle Sorge tragen, aber alle besondern Einrichtungen, alS Drapirung, Verzierung u. s. w., hat der Aus steller selbst zu beschaffen und kann daher dies nur von dem für jedes Land bestimmten Gpecialcommiffair besorgt werden. Man darf nur ein oberflächlicher Beschauer einer solchen Ausstellung sein, um beurtheilen zu können, welch ein großes Werk eine solche Auf stellung ist. Ein gleich große- ist aber auch die Wiederauflösunq derselben, und hier mag der chaotischen Verwirrung und deS daraus hervorgehenden Schadens für die Aussteller gedacht werden, welcher durch die Einpackung und Versendung oft verursacht worden ist und wodurch die Aussteller ihre Gegenstände in einem beklagenS- werthen Zustande zurückerhalten haben. Daher müssen alle Ver packung-Hüllen sorgfältigst bezeichnet und aufbewahrt, die Verpackung selbst mit allem Fleiß vollführt und auch für den Transport alle Sorgfalt verwendet werden, denn sonst möchte eS schwerlich zu er mitteln sein, wer den Schaden verursacht. Es ist daher nicht zu bezweifeln, daß alle Staaten Männer wählen werden, welche nächst Kenntniß der französischen Sprache GeschäftSgewandtheit und Waaren- kenatniß mit dem richtigen Tact und die nöthige Energie besitzen zur allseitigen Zufriedenheit ihren allerdings schwierigen Beruf zu erfüll«, damit jeder Aussteller unbesorgt sein kann und nicht mehr Schaden als Nutzen von seiner mit Zeit und Kostenaufwand ver knüpft« Theilnahme hat. />—?. l «s.