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und Anzeiger. Freitag den 19. Januar. 1855. Stenographie. - > (Erwiederung.) I Der in Nr. 340 dieser Blätter enthaltene Vorschlag: der Ste-1 nographenverein möge jede Woche 6 — 8 Schriftzeichen im Tage-! blatte mittheilen und erklären, sie zu Sähen verbinden u. s. w. und I auf diese Art und Weise die Kunst der Stenographie dem! Publicum vorführen, veranlaßt den Unterzeichneten Verein zu eini-1 gen Bemerkungen. Die gewöhnliche Currentschrift — gleichviel ob deutsche oder! englische — hat nur ein höchst nothdürftiges Alphabet aufzuweisen, das zu ganz willkürlichen Zusammensetzungen seine Zuflucht neh men mutz, um die fehlenden Zeichen für vorhandene Laute wie „ch, sch" zu bilden. Die Verbindung der Buchstaben aber geschieht auf einfache, mechanische Weise durch den Haarstrich, der nur in seltenen Fällen etwa- verkürzt auftritt. Dennoch aber wird eine Darstellung dieser armen und mechanischen Schrift vermittelst Lettern (Typen) stet- etwas Unbeholfenes an sich tragen. Die Stenographie Babelsbergers hat nicht nur ein weit aus- -ehildetereS Alphabet, sondern sie virknüpft auch die einzelnen Zeichen eines Wortes nicht auf eine so rohe Weise, wie die Currentschrift; denn hier — wie gewöhnlich — bildet sie der Sprache nach: sie stellt neben, nach einander, was nach einander lautet, sie ver bindet möglichst mit einander, was mit einander verbunden lautet, sie stellt daher begreiflicher Weise die Buchstaben nicht nur neben einander, sondern auch über und unter, oder in einander, ja sie vermag durchweg mittelst einer leisen, aber dennoch immer noch unverkennbaren Nüancirung eines Buchstabens ihm einen andern einzuverleiben ; ihre Buchstaben verschlingen einander, wie Pharao'S Kühe, nur mit dem Unterschied, daß sie davon in der Regel etwas wohlbeleibter werden. Auf diese Art entsteht dann, namentlich für die Doppelconsonanten und für die Consonanten, die den dabei stehenden >Docal symbolisch in sich selbst andeuten, eine Reihe eigenthÜmlich markirter, obschon immerhin meist sehr einfacher Schristzüge. Eine solche Schrift aber durch Lettern darzustellen, bietet na türlich eine weit größere Schwierigkeit, als der Druck jener Cur rentschrift. ES hat das Verhältniß eine ungefähre Ähnlich keit mit der Aufgabe, eine Handschrift, ein Autograph, durch Typendruck wiederzugeben. In der That ist eS denn bis jetzt noch nicht gelungen, Lettern herzustellen, die allen Ansprüchen hinsicht lich der Richtigkeit, Schärfe und Eleganz (eine vorzügliche Eigen schaft der Stenographie) ein Genüge leisteten, und insofern hat die verehrliche Redaction vollständig Recht, wenn sie behauptet, daß jener Vorschlag des auswärtigen Herrn Einsenders wegen Mangels an Typen nicht ausführbar sei. Rühlnenswerthe Versuche zur Herstellung brauchbarer Typen sind jedoch längst und nicht ohne einigen Erfolg von dem Herrn Schriftgießereibesitzer Gustav Schelter hier unternommen worden. Die Probedrucke des ge nannten Herrn zeigen auch, daß eS keineswegs im Gebiete der Unmöglichkeit liege, mit der Zeit entsprechende Lettern anzufertigen, und eben im gegenwärtigen Augenblicke werden in der k. k. Hof buchdruckerei zu Wien neue Versuche nach Angabe des verstorbenen Professors der Stenographie Ignaz Heger gemacht. Ganz abgesehen von dieser Unzureichende!t der bisherigen Typen würde sich aber der vorgeschlagenen, gleichsam brieflichen Unter- richtSertheilung — für deren Ermöglichung wir der geehrten Re daction übrigen- sehr dankbar sind — noch manche- andere Bedenken in den Weg stellen. Babelsberger- Schrift will durchaus kein bloßes Gedächtnißwerk sein ; ihre Regeln und deren Begründung sollen durch die Einsicht de- Lernenden aufgefaßt werden; und wenn eine solche Absicht bei mündlichem Unterricht oft durch ein paar Worte zu erreichen ist, würde eine UnterrichtSweise, wie die vorge schlagene, nicht nur den Raum de- Tageblattes, sondern auch die Geduld de- PublicumS endlich absorbiren. Aufgaben zur Ein übung und deren Correctur — ein paar sehr nöthige Dinge — liegen vollends außer dem Bereiche der Möglichkeit, — kurz, der in Rede stehende Vorschlag, der gewiß ganz gut gemeint ist, er scheint uns vollkommen unausführbar. Soll uns aber für Mit theilung über Wesen und Gehalt der Stenographie mitunter eine Spalte dieses so allgemein gelesenen Blattes offen stehen, werden wir nicht ermangeln, diese Vergünstigung im Interesse unserer Kunst und doch wohl auch im Interesse eine- TheilS deS Publi cum- zu benutzen. Darin endlich sind wir mit dem Herrn Einsender jene- Arti kels völlig einverstanden, daß der Unterricht in der Steno-raphie nach den zuerst von Seidenstücker aufgestellten Grundsätzen, die unter andern auch de» Lehrbüchern von Ahn unterliegen, gegeben werden kann. Die- geschieht auch bei dem öffentlichen Unterricht in der Stenographie, den der Unterzeichnete Verein jetzt durch zwei seiner Mitglieder hier ertheilen läßt; denn da- Lehrbuch, dessen derselbe sich bedient (herausgegeben vom Lehrer Karl Albrecht), ist einzig nach diesen Grundsätzen bearbeitet und bietet sogar — wie mehrere dagewesene Fälle bewiesen — die Möglichkeit-, sich selbst, wenn man einige Sprachkenntniffe mitbringt, ohne Lehrer zu unterrichten. Der GabelSberger-Stenographen verein zu Leipzig. Friedrich August II. Unter den vielen Schriften, welche nach dem Tode Friedrich Augusts II. über dessen Leben und Wirken erschienen sind, ist auch die de- Professor Rector vr. Robbe hier, bei Friedrich Brandstetter hier herausgekommen, erwähnen-werth. Der selben ist ein poetischer Anhang beigegeben, welcher verschiedene Charakterzüge und Anekdoten au- dem Leben de- Verewigten er zählt. Die Dichtungen sind ursprünglich in lateinischer Sprach«, in welcher der Verfasser bekanntlich Meister ist, geschrieben; hier aber sind sie in die deutsche Sprache übersetzt beigefügt, um sie dem großen Publico zugänglich zu machen. AuS einem Gedichte geben wir nun ein Bruchstück. Die Anekdote ist bekannt, wie der höchstselige König bei Bereisung der Sudeten mit drei Studenten aus Halle zusammen getroffen und mit ihnen längere Zeit unerkannt gereiset ist. Der Dichter läßt nun die Reisegesellschaft in einer Auberge einkehren, stellt den König als den dar, welcher die Reisegefährten mit einem Punsche regalirt und legt > hierbei einem der Studenten da- nachstehmhe Punschlied in den Mund, welches wir in beiden Sprachen geben, lateinisch für die Sprachkenner, und daneben deutsch in der freien Uebersetzung v. Zahns, um auch den Unkundigen in der lateinischen Sprache I verständlich zu sein.