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Anzeiger. ^ 28. Sonntag den 28. Januar. 1855. SSvMSSS Mittwoch den 31. Januar d. I. Abends 6 Uhr ist öffentliche Sitzung der Stadtverordneten im gewöhnlichen Locale. Tagesordnung: Gutachten der Ausschüsse zum Verfassungswesen und zum Polizeiamte, den Uebergang der Preß- polizei an das Polizeiamt und die deshalb beantragten Umgestaltungen im Etat des letzteren betr. Das Innungswesen. Es wäre wohl endlich einmal an der Zeit, daß die Gpecial- artikel der Innungen einer Reform unterworfen würden. E< schien zwar vor einigen Jahren die Hoffnung in Erfüllung zu gehen, daß das Jnnungswesen neu gestaltet und den jetzigen AeitverhältNiffen angepaßt würde, aber leider haben diese lobenswerthen Bestrebungen viel Geld gekostet und eS ist wiederum beim Alten geblieben. Warm vielleicht große Schwierigkeiten dabei zu überwinden? Ach nein', durchaus nicht. ES hätte alles sehr leicht und ganz einfach her gestellt «erden können, wenn dieses segensreiche Werk nur nicht durch den Egoismus der Innungen selbst einer hohen Staatsre- gierung erschwert worden wäre. Die nächste Veranlassung zu diesen Zeile« bietet das in Leipzig von manchen Innungen noch jetzt ge forderte Meisterstück, und ich kan« eS nicht begreifen, wie noch jetzt solche Gebräuche best,hm können, welche mit dem Mandat der Generalinnungsartikel vom 8. Januar 1780 geradezu im Wider spruch stehen. In demselben heißt eS ausdrücklich Cap. Hl. h. 5: „Die Muthzeit oder das sogmannte Muthjahr wird hierdurch nebst Allem, was davon abhängt, gänzlich aufgehoben, indem ge schickten Arbeitern die Erlangung des Meisterrechts eher auf alle Weise zu erleichtern, als zu erschweren, mithin auch aller unnöthige Zeitverlust dabei abzuschneiden ist.. Diese Muthzeit war früher deshalb angenommen worden, um zu verhindern, daß nicht zu Viele das Meisterrecht erlangten. Daß aber auch diese Beschränkung für die jungen aufstrebenden Leute zu großem Nachtheil gereichen mußte, sieht man daraus, daß E. Hohe Staa/lsregierung sich veranlaßt sah, jenes obenerwähnte Man dat vom 8. Januar 1780 zu erlassen. Jene obenerwähnte Muthzeit ist nun zwar abgeschafft worden, statt dessen hat aber wieder etwas Aehnliches bei den Innungen Geltung erhalten, und man hat dies unter dem Namen Ferien begriffen. Dazu haben die hohen Festtage und die Messen den Borwand gebm müssen, indem nämlich 14 Tage vor jedem hohen Feste und 14 Tage vor jeder Messe diese Ferien beginnen, so daß mithin 19 Wochen solcher Ferientage jährlich stattfinden, an wel chen ein Stückmeister nicht arbeiten kann. Hiermit wird so viel gewonnen, daß im ganzen Jahre nur Einer das Meisterrecht er langen kann, während doch jährlich immer 20 bis 25 Lehrlinge zu Gesellen gemacht werden. Ist eS aber deshalb zu verwundern, daß Solche, welche sich zum Meisterwerden gemeldet haben, vier dis fünf Jahre warten müssen, ehe sie endlich einmal so glücklich sind, an die Reihe zu kommen? Woher nehmen wir aber den Grund zu diesen Ferien? Weiter nichts als das Schauamt ist die Ursache dazu. Die Meister haben dieses Amt der Reihe nach zu versehen, wozu sie aber leider zu dieser Zeit keine Zeit haben oder keine Zeit haben wollen. Ist dies aber nicht ganz unbillig und steht eS nicht mit dem oben erwähnten tz. 5 schnurstracks im Widerspruch? Und fragen wir ferner, wie wird das Schauamt auSgeübt, so thut eS uns leid, dies offen gestehe« zu «Essen. Der Stückmeister sieht oft mehrere Tage den Schaumeister gar nicht, und der Fall ist schön vorgekommen, daß Jemand als Gchaumeister erst den letzten Tag kommt und diejenigen Lage mit in die Bücher einschreibt, an welchen er hätte zugegen sein sollen. Das Schauen beim Stück Meister ist aber doch deshalb eingeführt, damit derselbe bei Anfer tigung seiner Probearbeiten controlirt wird und er sich bei Aus führung seiner Probestücke keiner fremden Hülfe bedient; auch bezahlt derselbe dafür 20 Thaler und oft wohl auch noch mehr. Was ferner die Ausgabe der Probestücke bei Erlangung de« MeisterrechtS betrifft, so find diese ebenfalls so auSgewählt, daß sie ganz im Widerspruch mit de« vom 8. Januar 1780 erlassenen Mandat stehen, woselbst «S Cap. III. tz. 6 heißt: „Vielmehr soll der sothanes Recht suchende Dimer oder Geselle, sobald er nur übrigens sich gehörig legitimirSchat, alsbald zum Meisterstück ge lassen und ihm dabei ahne Unöerschied, eS sei ein Meisterssohn oder ein Fremder, solche Stücke, die gegenwärtig im gemeinen Ge brauch, mithin leicht an Rann zu bringen, nicht allzu kostbar und gleichwohl, um seine Geschicklichkeit zu prüfen, hin reichend sind, vorgelegt und aufgegeben werden." Die Generalinnungsartikel heben eS also ausdrücklich hervor, daß es sich lediglich um Prüfung der Geschicklichkeit bei Meister stücken handle, aber man hat Meisterstücke aufgestellt, bei denen ein solcher junger Mann 20 Wochen, dreiviertel Jahr, ja sogar ein ganzes Jahr zu arbeiten har, welche 90, ja über 100 Thalcr zu stehen kommen und daher nur von reichen Leuten getauft werden können. Ist es dann ein Wunder, wenn solche Probestücke oft viele Jahre stehen, ehe sie an den Mann gebracht werden können, so daß die Stückmeister oft froh sein müssen, wenn sie die Hälfte, ja unter der Hälfte des Kostenpreises für ihr Meisterstück erhalten. Hieraus wird man aber leicht ermessen können, welche Verluste ein solcher Mann hat, wenn man noch hinzurechnet, was der Stück meister außerdem noch an die Innung zu zahlen hat. Was bleibt ihm nun wohl von ein paar hundert Thalern noch übrig und mit welchem Muthe kann er an die ihm aufgegebene Arbeit gehen? Und wie leicht ist eS, an dem ausgesuchten Stücke etwas zu fin den, was man tadeln kann, wenn der Käufer auch zehnmal die gerügten Fehler gar nicht beachtet. Trotzdem muß der strebsame Mann das niederschlagende Wort hören: daS Stück muß noch einmal gemacht werden. Woher soll aber dem Stückmeister bei dem wiederholten Versuche die Lust kommen, wmn er befürchten muß, daß die paar Thaler, dir er noch besitzt, völlig aufgerieben werden? Muß er nicht voll Groll im Herzen an die neue Arbeit gehen, und ist eS zu verwundern, daß solche Arbeiten zum zweiten Mal nicht besser ausfallen? Wer ist aber auch im Aufsuchen von Fehlern am eifrigsten, sind es nicht oft diejenigen, deren Stücke selbst nicht viel werth waren! Man denke sich aber nun einen solche« junge» Rann, welcher nun mit Mühe und Noch Meister geworden Ist. Von allen Mit teln entblößt steht er da, er erhält zwar? Aufträge zu Arbeiten, aber woher Geld nehmen, um die «öthige« Auslagen zu bestreiten? Soll er sogleich Sredit in Anspruch nehme«, und findet er ihn, soll er dm ungleichen Kamps gleich «sie Schuld« anfarchm? Ja,