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463« 1) Ich habe nicht behauptet, daß es btvS und allein des Speculirens und Spielen« bedarf, um das Getreide im Preise zu steigern; 2) ich habe nicht behauptet, daß in dem Getreidegeschäfte bloS da- Differenzspiel und außerdem keine anderen Factoren wirksam seien; 3) ich habe nicht behauptet, daß die künstliche Steigerung der Preise bis in die Ewigkeit fortgetrieben werden könne und werde; 4) ich habe nur behauptet, daß die Differenzspieler die Getreide preise steigern, eine künstliche Theuerung Hervorrufen und für die darbenden Consumenten viel zu lange auf dieser künst lichen Höhe erhalten können, d h. auf einer Preishöhe, welche durch die Ernteerträge nicht gerechtfertigt ist. Dies glaube ich aber auch in meinen drei Aufsätzen klar genug nachgewiefen zu haben. Oder dauert etwa die durch die Ernten von 1854 und 1855 nicht gerechtfertigte künstliche Theuerung den Herren Differenzspie lern noch nicht lange genug? — Ich möchte wohl wissen, ob den Herren Vertheidigern des Differenzspieles nicht die Zeit zu lang erscheinen würde, wenn man ihnen bei schwerer Arbeit ein oder zwei Jahre hindurch nur halbe oder Viertelsättigung verstauen wollte? Ich frage weiter: ist denn dies«« so sehr gerühmte Differenzspiel wirklich mit so viel Moralität umgeben? — Die Deutsche Allg. Zeitung bezeichnet dasselbe Seite 1967 als ein ruinirendes Hazard- spiel und will dessen Verbot als gerechtfertigt ansehen- auf Seite 2Ü7t hat sie sich aber anders besonnen und läßt nicht nur die Spieler nach der Größe der Moralität (?) der Mitspieler fragen, sondern weiß auch große Vorzüge des Differenz- und Schlußzettelspieles aufzuzählen, unter andern, daß dadurch die Vorräthe künstlich er höht würden! Als ob man künstlich erhöhte Vorräthe kaufen, backen oder essen könnte! — Ist denn, frage ich nochmals, dieses Differenz- und Schlußzettelspiel, welches dem Zwecke und der Bestimmung des Produktenhandels zuwider dem bedürftigen Lande niemals effek tive Waare zuführt, wirklich so wohlthätig und unentbehrlich für die Consumenten und für einen reellen Produktenhandel, daß d.r Staat im Interesse des Gesammtwohls sich scheuen müßte, dieses Hazardspiel zusammt dem Schlußzettelhandel aufzuheben? Ich würde diese Fragen unbedingt mit Nein beantworten und auch im Stande sein, dieses Nein zu rechtfertigen; allein der Raum dieser Blätter gestattet eine weitere Ausführung nicht, darum sehe ich mich genöthigt, deshalb auf die mir am 2V. d. M. durch die TageblattSredaction mitgetheilte und dieser zu diesem Zweck vom Verfasser übersendete Schrift von Karl Overweg: Ursachen der jetzt so oft wiederkehrenden und lange anhalten den Theuerungen und praktische Mittel dagegen, zu verweisen und diese Schrift der aufmerksamen Beherzigung jedes wahren Freundes seiner nolhleidenden Mitmenschen dringend zu empfehlen. Der Ertrag dieser Schrift, Eigenthum des Verfasser-, ist zu einer Stiftung: Die Erziehung armer rc. Kinder bezweckend, bestimmt ; der Preis ist nur 15 Ngr. — Der Verfasser dieser Schrift, ein Greis von 70 Jahren, ist nicht nur Fabrikant und Kaufmann, sondern selbst Landwirth und Besitzer von 200 Morgen Land bei Naumburg und mehrerer Rittergüter. Er schildert mit besserer Feder, als ich es hier vermag, die Folgen des verderblichen Differenzspiele- und berichtet auch, daß trotz dem die Aeltesten der Kaufmannschaft in Berlin, wo da- Differenzspiel noch viel ärger um sich gegriffen hat, als in Leipzig, sich nach ihrem Gutachten nicht für ein Verbot diese- Spieles haben verwenden mögen! — Aber die Kaufmannschaft der Meßstadt Leipzig, welche seit Jahrhunderten einen untadelhaften und ungeschmälerten guten Ruf nicht bloS in Europa, nein in der ganzen Handelswelt genießt, diese in jeder Hinsicht ehrenwerthe Leipziger Kaufmannschaft, die altehrwürdige Leipziger Kramerinnung ist eS, an welche ich mich jetzt nicht allein im Interesse der nothleidenden Consumenten, nein auch im eigenen Interesse de- durch Jahrhunderte hindurch in hoher Achtung gebliebenen Ansehen- der Leipziger Kaufmannschaft mit dem Vorschläge wende, dieselbe möge ihr sachverständiges Gut achten darüber geben: „ob durch das bei der Produktenbörse eingeriffene Differenzen- „und Schlußzettelspiel der reelle, auf sichere Ernte- Grundlagen gestützte Produktenhandel nicht viel- „mehr verdorben und vernichtet, als gehoben und befördert „werde." Wenn eS auch einzelne Leipziger Kaufleute geben mag, welche entweder aus Neigung, oder durch dm Druck des Differenzspiele« auf ihren Handelszweig genöthigt, an diesem Börsenspiel Anthril nehmen, so ist es mir doch rein unmöglich, von den alten rühm lichen Firmen eine- Lücke, eine- Frege, eine« Hammer und Schmidt, Becker und Co., Harkort, Detter und Co., eines Hentschel und Pinckeit, eines Apel und Brunner, eine« Dufour, Gchomburgk, Poppe und Trinius, Peuckert- Schmidt, Weinich und Co., von Posern-Kleit, d. A. Vorstand der hiesigen Kornbörse, und von der großen Mehrzahl der Leipziger Kaufmannschaft, welche namentlich aufzuzählen zu weit führen würde, — daß ich von allen diesen glauben sollte, sie seien Freunde und Begünstig«r eines so nichts nutzigen und sogar gemeinschädlichen Differenzspiele-, welches schon Preußen- erhabener Monarch rücksichtlich de« Acnenhandels aufge hoben hat, ohne dem Werrhe der Aktien auch nur den kleinsten Schaden znzufügen. — Eben so wenig könnte ich mich zu dem Glauben entschließen, daß die Kramerinnung der Meßstadt Leipzig eine kleinliche Furcht vor dem Ausspruche der Aeltesten der Ber liner Kaufmannschaft abhaltrn könnte, der Wahrheit die Ehre zu geben, in einer so Hochwichtigen Angelegenheit de- gesammten, jetzt leibenden deutschen Vaterlandes die Initiative zu ergreifen und mit einer Bitte um Abhilfe vor die Stufen de- erhabenen Thrones Sr. Majestät unser- Allverehrten König- von Sachsen zu treten, nicht den Muth haben sollten! — Wenn es aber auch von dem Gutachten und den Schritten der Leipziger Kaufmannschaft lediglich adhängen wird, ob zur Ab stellung des bei der Produktenbörse eingerissenen Mißbrauchs der Differenzen- und Schlußzettelspiele baldige Maßregeln Seiten- der hohen Regierungen gehofft werden können oder nicht, so dürften doch nach meiner Ueberzeugung auch die Leipziger Innungen der Handwerker, so wie die Fabrikanten und Künstler in dieser Sache nicht schweigen, sondern müßten, indem sie als Consumenten zu allernächst und allermeist bei dieser Frage betheiligt sind, ebenfalls mit Bittgesuchen um Abhilfe einkommen, denn wollen dieselben warten, bis die Oekonomen, ökonomischen Vereine und Produkten börsen, welche von jenem Hazardspiele nur Nutzen, aber keinen Schaden haben, um ein Verbot des Schlußzettelunfugs einkommen, so werden sie wohl noch sehr lange warten dürfen. Möge man aber in Vorstehendem nicht eine Aufforderung, son dern nur den Wunsch erblicken, meinerseits so viel wie möglich ist dazu beizutragen, daß eS bald gelingen möge, da- unheilvolle Differenzspiel abzuschafftn! Leipzig, am 23. Oktober 1855. Adv. Fr. Mor. Gast. Vierte Kleinkinder-Äewahranstalt. Dem jetzt auSgegebenen Berichte dieser Anstalt über da- zweite Verwaltungsjahr vom 1. Oktober 1854 bi- ultimo September 1855 entnehmen wir nachstehende Notizen. Die Einnahme hat betragen 1183 Thlr. 23 Ngr. 3 Pf., und die AuSgabm haben davon nur einen Cassenbestand von 281 Thlr. 25 Ngr. gelassen. An jährlichen Beiträgen sind eingegangen 601 Thlr.; der Beitrag des Stadtrath- an 100 Thlr.; ferner 50 Thlr. Geschenk der Ge sellschaft Erholung und 50 Thlr. desgl. der Erben des Amtsralhs Degener und 290 Thlr. 20 Ngr. von den Kindern bezahlte- Kost geld befinden sich unter der Einnahme. Endlich hat die Anstalt außer einigen kleineren Geschenken auch ein Legat von 300 Thlr. von Frau Louise Geldke erhalten, dessen Zinsen der Casse als jährlicher Beitrag berechnet werden. Die Zahl der Pfleglinge ist bi« auf 85 gestiegen, und um nur einigermaßen den Gesuchen um Aufnahme zu begegnen, deren Zahl stet« größer ist als die der abgehenden Kinder, soll es versucht werden, ob eS möglich ist, dieselbe noch zu erhöhen. Diese- Wach sen allein giebt den besten Beweis für das vorhanden gewesene Bebürfniß einer solchen vierten Anstalt. Stadltheatcr. Das nach Emil Augier von Eduard Jerrmann für die deutsche Bühne bearbeitete Schauspi l „Diana von Mir- manda" ward am 2 November als neu einstudirt in den meisten Hauptrollen anerkmnenSwerth gegeben; über einige Stockungen und Unsicherheiten im Ensemble darf man bei einer ersten Vorstellung eines Schauspiel« in Versen vielleicht hinwegsehen. Das Stück selbst ist interessant und spannend bis zum Schluß, allerdings wie in der Regel französische Dramen der Neuzeit sehr auf Effect be rechnet, jedoch sehr geschickt und den allgemein gültigen Regeln der Form gemäß a«sgeführt. Gehr wohlklingend und fließend find