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SSI. Montag den 17. December. 1855. Stadttheater. Die Tragödie „Antigone" des Sophokles, diese- Meister werk altclassischer Kunst, sahen wir in der Übersetzung von I. I. (5. Donner nach langen Jahren am 15. dS. MlS. wieder über unsere Bühne gehen. Das Publicum hatte sich — besonder- für eine Sonnabend-Vorstellung — über alle- Erwarten zahlreich ein gestellt und schien auch wirklich warmen Antheil an dem zu nehmen, wa- auf dem Theater vorging. — Man hat eS oft alS ein großes Wagstück, wenn nicht gar als einen Mißgriff bezeichnet, die grie chische Tragödie auf dem modernen, allerdings von dem antiken sehr verschiedenen Theater zur lebendigen Darstellung zu bringen. Es ist allerdings diese Wiederbelebung schwer, sehr schwer, aber es ist keineswegs unmöglich, mit einem solchen Dichterwerke auch auf der heutigen Bühne eine große Wirkung, einen erhebenden und erschütternden Eindruck zu erzielen. DaS wahre Schöne bleibt als AÜMuß der höchsten dichterischen Begeisterung schön für alle Zeiten: dickHrtechlfche Kunst — die vermöge der religiösen Anschauung jenes edlea Volke- in dem rein Menschlichen das höchst« Ideal suchte und fand, die in dem schönen Menschen die Gottheit selbst ver ehrte — war vielleicht vorzugsweise im Stande, die Feuerprobe der über sie dahin gegangenen Jahrtausende zu bestehen. Soll ich von dem Eindruck spreche«, de« die „Antigone" bei der diesmalig« Darstellung auf mich gemacht, so kann ich nur sagen, daß mich seit lange kein auf der Bühne gesehenes Werk so erschüttert und begeistert hat, wie diese Tragödie. Die großartige Anlage des Ganzen, die ergreifende Wahrheit dieser einfachen Handlung, die Schärfe in der Charakterzeichnung, die hohe Moral und über zeugende Reflexion in den Reden, namentlich der Chöre, verbunden mit der auch in der Uebersehung blühenden hochpoetischen Sprache — da- Alles vereint muß wirken, wo überhaupt da- Schöne noch zu wirken vermag. Einen anfänglich etwa- befremdenden Eindruck wachte mir auch diesmal trotz ihrer hohen Schönheit die moderne Musik Mendelssohns (oder, wie auf dem Zettel stand, „vom Capellmeister Vr. Felix Mendelssohn-Bartholdy"); doch bald ver söhnt man sich auch mit diesem modernen Element, noch ehe die Höhepuncte der Eomposition — die Hymne an Eros und der prachtvolle Bacchus-Chor — erreicht sind, welche Nummern bei der trefflichen musikalischen Ausführung vor allen anderen auf die Hörer wirkten. — Di« Darstellung selbst gereicht unserem Theater nur zur Ehre. So weit es di« Räumlichkeit gestattet, war die Einricht««- der Scene eine der griechischen annähernd richtige. Die erhöhte Bühne mit dem einfachen Giebel und den Säulen, wie dir vor derselben befindliche Orchestra mit dem Altar des Bacchus gewährte einen guten Anblick. Di« Aufstellung der Chöre, so wie deren Bewegungen waren entsprechend und mit Umsicht angrordnet. Sämmtliche Rollen waren gut, die hervorragendsten vortrefflich vertreten. Frl. Franke bewährte als Antigone ihr Talent tu tragischen Gestaltungen über alle Erwartung Sie sprach nicht allein so, daß man fühlte, sie verstehe, was sie sprach, auch ihre Stellung« waren oft von plastischer Schönheit, ihre Mimik sprechend und ausdrucksvoll. Die umfangreichste männliche Rolle, den Kreon, gab Herr Stürmer und stand det Antigone Frl. Franke'- in jeder Beziehung würdig zur Seit«. Als be sonders hervorstecheade Leistungen find dt« der Heiden Pauli (Teiresias) und Wenzel (HLmvn) zu nennen, welche Darsteller in Sprache und Plastik da- richtige Verständnis ihrer Aufgaben bewährten. Oie Rolle der Ismen« hattt, wie Mn hört, Frau Bachmann für dir plötzlich erkrankte Darstellerin schnell über- nomm'N, welcher die Partie ursprünglich zugetheilt war. Auch diesmal bewährte Frau Bach mann ihre anerkannte Vielseitigkeit dadurch, daß sie diese nicht leichte Aufgabe höchst befriedigend loste. Die Besitzung der übrigen Rollen der Tragödie, von denen eine jede bedeutend ist, war folgende: Eurydike — Fräul. Huber, Wächter — Herr Böckel, Bote—Herr Saalbach, Diener — Herr Strenz. Auch dieser Darsteller ist nur mit Anerkennung zu gedenken. Bei den von Herrn Behr angeführten Chören wirkten die meisten Solosänger der Oper mit (Herr Schneider, Herr Muck, Herr Erck, Herr Brassin, Herr Marloff und Herr Cillis). Es gingen daher die Chöre auch in musikalischer Beziehung sehr gut. Das Orchester unter Leitung deS Herrn Capell- meister Ricci us zeigte sich auch hierbei seines Rufes würdig.— Zu wünschen wäre, daß bei Wiederholungen der Tragödie der bei unserer modernen Bühne einmal nicht zu vermeidende Souffleur etwas minder laut an sein so nothwendlge-Dasein, erinnern möge. Ferdinand Glei^ L- Berichtigung. Das Jubelfest der hiesigen Handelslehranstalt wird am LA. Januar 185ti, nicht am LS. d. M. begangen. Lageskalen-er. Stadt »Theater. 53. Abonnementsvorstellung. Antigone. Tragödie mit Chören von Sophokles, übersetzt von I. I. C. Donner. Musik vom Capellmeister Dr. Felix MendelS- sohn-Bartholdy. (Regie: Herr Pauli.) Personen: Antigone Fräul. Franke. ZSmene Frau Bachmann. Kreon, König von Theben, .... Herr Stürmer. Eurydike, seine Gemahlin, . . Fräul. Huber. Hämon, beider Sohn, ..... Herr Wenzel. TeirefiaS Herr Pauli. Eia Wächter Herr Böckel. Ein Bote Herr Saalbach. Ein Diener Herr Strenz. Der Chorführer Herr Behr. Dte Aeltesten von Theben. Herr Schneider. Herr Muck. Herr Krüger. «rst.r Shor ^ Herr Brasfin. Herr Fruerbacher. Herr .Kropp. Lin Knabe .... Gefolge deS Kreon. Sklaven. Zweiter Chor Herr Marloff. Herr Buchmann. Herr Scheibe. Herr Böhm. Herr Cillis. Herr Talgenberg. Herr Riebia. Herr Knackstädt. Marie Mathe-. Frauen. Der Schauplatz ist vor dem königliche« Palaste io Theben. Der Tert der Ehöre ist an der Tasse für 2 Nrugroschen zu haben. Freibillett sind ohne Ausnahme ungültig. An der Caffe de- Theaters ist zu haben: Sophokles' A«t1gERs, übersttt von I. I. C. Donner. Preis 10 Nge.