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4554 Hoch etwas ;ur Lagesfrage. Auch ich habe wie Andere die Auseinandersetzungen, welche da- Tageblatt in neuester Zeit darüber gebracht hat: „Was ist Getreide wucher und wie kann den von ihm erzeugten Uebeln gewehrt werden ? " mit Aufmerksamkeit verfolgt, ohne mich zur Zeit für die eine oder andere Seite bestimmt entscheiden zu können. Herr Advocat Gast hat uns ganz vortreffliche Ideen vorgelegt, und bin ich gar nicht abgeneigt, auf dessen Seite zu treten; allein ich habe denn doch meine Gründe, auch bei der hier besprochenen so hochwichtigen Frage meinen eigenen Weg zu verfolgen, und will, weil die Redaktion d. Bl. keine Partei begünstigt, sondem ihrem Grund sätze getreu den Gprechsaal Allen offen erhält, welche es mit der Sache ehrlich meinen, meine Ansichten dem Urtheile de- Publicum- vorleqen, ohne darauf Anspruch zu machen, baß ich da- Rechte getroffen haben müsse. Wenn ich dabei auf anscheinend längst bekannte Dinge zurück komme, möge man sich nicht wundern, sondern die Ueberzeugung festhalten, daß da- Alte oft besser ist als da- Neue. „Spare zur Zeit de- UeberstusseS, dann hast du in der Zeit de-Mangel-", oder „spare im Uederflusse, hast du in der Noth", sagt da- deutsche Sprüchwort, und Zeiten wie die jetzigen scheinen zu beweisen, daß diese- Sprüchwort doch recht hat — und damit kommen wir abermal- zur Erwägung der Frage: warum legt man nicht wieder Magazine an? Daß da- Magaziniren de- Getreide- nicht- Neue- ist, weiß Jedermann, und brauche ich au- der Geschichte nur auf zwei Er fahrungen aufmerksam zu machen, welche beweisen, daß durch die Abgabe aufgesparten Getreide- zur rechten Zeit Große- geleistet worden ist. Die heilige Schrift erzählt uns, waS Joseph als guter Staats wirth Aegypten- gethan hat, und der große Preußen-König Friedrich II. würde in der Ausführung seiner Pläne zeitweilig gar sehr gestört worden sein, Härte er nicht in der Zeit de- Ueber- fluffe- bedeutende Massen von Getreide aufgekauft und in der Zeit de- Mangel- wieder verkauft! Und so konnten leicht noch viele Beispiele aufgezählt werden, wo durch Getreide-Magazinirung zur Zeit der Noth im Einzelnen wie im Allgemeinen große Hülfe ge schaffen worden ist. Darüber, welche Art der Magazinirung die beste sei, und namentlich über die Frage, ob man nicht bloS Mehl bereiten und aufbewahren müsse, will ich mich hier nicht weiter verbreiten, denn Jedermann ist hrut zu Tage von den hier einschlag-nden Verhältnissen hinreichend unterrichtet, auch hat das Tageblatt in früherer Zeit viel BeherzigenswertheS gebracht; ich beabsichtige viel mehr, nur im Allgemeinen anzudeuten, wie und wodurch unS in den gegenwärtig wie eS scheint ziemlich durcheinander geworfenen Zuständen der menschlichen Gesellschaft noch zu helfen sein dürfte. Die Nutzanwendung findet sich dann schon von selbst, ja wir kommen auf diese Weise sogar auf unfern Fall zurück. Da- Hauptstreben aller Menschen ist, seit die Welt besteht, dahin gegangen, Zustände herbeizuführen, unter welchen man sich Wohlbefinden könne. Die Einen haben die, die Anderen jene, und noch Andere wieder andere Mittel anzuwenden versucht, um zu dem erwünschten Ziele zu gelangen — aber immer sind alle Bestrebungen an dem Egoismus, der Herrschsucht Einzelner oder ganzer Genossen schäften rc. rc. gescheitert. Obwohl die Menschen wissen, daß sie gesellig, daß sie in der Gesellschaft leben müssen, und obwohl sie daher begreife» sollten, daß nur dann wahre- Wohlbefinden erreicht werden kann, wenn sich die Gesellschaft (die Genossenschaft) im Großen in einem Zu stande befindet, welcher zu ertragen ist, und daß folglich da- Haupt bestreben aller Menschen sich darin vereinigen sollte, einen solchen Zustand herbeizuführen, so ist die- bi- jetzt doch wegen der ver schiedenen gegen einander streitenden Interessen der Einzelnen und der menschlichen Leidenschaften überhaupt nicht m^lich geworden. Soll man aber darum an der Möglichkeit der Erreichung eine- solchen Ziel«- verzweifeln? Nein, gewiß iricht! — Um bei unserer kurzen Besprechung für da- unausgesetzt erforderliche Streben nach dem bezeichnet«« Ziele einen kurzen Ausdruck zu haben, wolle« wir da- bekannte Wort Sociali-mu- beidehalten und nun die Behauptung aussprechen, daß uns nur durch den recht ver standenen und recht angewendeten Sociali-mu- zu -elfen ist, und daß alleMenschen, welche ihre Brüder lieben, mit der vollen Kraft ihre- Wollen- e- sich angelegen sein lassen müssen, diesen S-ciali-- mu- im edelste.» Sinne de- Worte- zur Geltung zu bringen. Mein Gociali-mu- besteht in dem edle» Streben der Mensche«, durch erlaubte Mittel die Zustände der Gesellschaft so weit zu vervollkommnen, daß jeder einzelne Mensch bei Recht schaffenheit und Fleiß, bei sorgsamer Verwendung seiner geistigen Kraft und bei rechtlicher Benutzung seiner irdischen Güter so weit zufrieden leben kann, al- er die- bei vernünftiger Beurtheilung der Verhältnisse, unter welchen er lebt, billiger Weise fordern kann. Ein Streben nach einem solchen oder vielleicht nach noch besseren Zuständen hat man zu jeder Zeit gefühlt; man hat daher auch dir ungleichen Verhältnisse, welche unter den Menschen von jeher statt gefunden haben und künftig stattfinden werden, ja, so lange Menschen noch menschlich fühlen, denken und handeln, stattfinden müssen, auf verschiedene Weise au-gleichen wolle» «»d ist dabei zuweilen auf die wunderlichsten Mitttl gekommen. * Die untauglichsten davon waren ganz entschieden die der äußeren Gewalt, wie wir die- erst wieder in der neueren Zeit erfahren haben. Der tollste Auswuchs diese- Streben- war der Communis- mus, denn dieser muß nothwendig alle Weltordnung zerstören, weil er den Begriff de- Gondereigenthums (Privateren- thumS), der bei meinem Begriffe de- Sociali-mu- al- unerläß liche- Erforderniß der Volkswohlfahrt an der Spitze steht, nicht gelten läßt. Bis jetzt hat in der Welt noch nie eine Gesellschaft, deren oberstes Princip die volle Gütergemeinschaft war, auf die Dauer bestehen können, und erst neulich hat sich in Nordamerika wieder eine religiöse Corporation aufgelöst, welche- Schicksal auch noch die Verbindung der berüchtigten Mormonen haben muß, obwohl ihre Regierung-maxime, offenbar sHr klug auf die Sinnenlust der Theilnehmer berechnet, wenigsten- zeitweilig gesichert erscheint. Nur ein dummer, oder schlechter, oder gar wahnwitziger Mensch kann glauben, daß in Europa mit Aufhebung jeden Privateigin- thum- irgendwo die volle Gütergemeinschaft al- eine Staatsein- richtung eingeführt werden könne. Jeder einzeln- Mensch strebt nach eigenem Besitze und will da- Erworbene nach eigenem Ent schlüsse verwalten und nutzen. Da- ist auch ganz naturgemäß und vernünftig, und folglich ist jede Bestrebung, diese- natürliche Recht aufheben zu wollen, unvernünftig und unhaltbar. Der Sociali-mu- erkennt da- Gondrreigenthum an und gebietet bloS, daß der Einzelne mit einem beliebigen Theile seine- Eigenthums auf Zeit sich an Unternehmungen betheiligt, wo er selbst und mit ihm Andere und die große Allgemeinheit gewinnt. So z. B. die Actienunternehmungen. Würden wir ohne socialisttsche (gesellschaft liche) Verbindungen schon Eisenbahnen haben? Und welche Ver waltungen derselben sind wohl die besseren, die der Aktiengesell schaften oder die einzelner Privatelgenthümer? Würden wir ohne Sociali-mu- z B. Speiseanstalten, Kleinkinderbewahranstaltenu. s.w. haben? obwohl derartige Institute nur eine Untergattung de- elgent- liehen Sociali-mu- sind, sobald sie die Natur der Unterstützungs- Vereine annehmen. Glaubt man wirklich noch, daß die Vereinigung einzelner Handwerker in Innungen ein unnütze- Institut gewesen sei? Von diesem Jrrthume ist man jetzt, nachdem man durch das völlige Freigeben der Arbeit dieser Corporation»« die traurigste» Erfahrungen gemacht hat. wieder zurückgekommen, und wird sich hoffentlich recht bald bemühen, diese eben so ehrenwerthen als für da- Allgemeine höchst nützlichen Institute zeitgemäß einzurichten, um fle wieder in ihre vollen Rechte einzusetzen, damit sie aufs Neue durch engere Verbindung der Mitglieder unter sich den Gegen verbreiten können, den zu verbreiten fie fähig sind. Der Socialt-mu- verträgt sich mit jeder Staat-form, und ist e- eben so verwerflich, wenn die Helden der Neuzeit be haupten wollen, er sei nur bei republikanischer Verfassung zur vollen Geltung zu dringen, al- e- tadeln-werth ist, wenn die Freunde der monarchischen Gtaatssorm (welche nebenbei bemerkt für uns die nur allein paffende ist) sich für Gegner de- Socialls- mus erklären. Beide vermengen die Begriffe und unterscheide« nicht scharf genug zwischen Sociali-mu- und Communtsmus. Würden sie genau darauf merken, daß der erster« da- Sonder- eigenthum für heilig hält und halten muß, dann würden sie auch nicht in de« eben gerügten Kehler verfallen. — Und nun noch einige Worte über unseren Fall, welcher zu der ganze« Bettach tung Veranlassung gegeben hat. Wir hatten die Frage der Lheuerung der Nahrung-mittel berührt und wollten wissen, wie dm daraus entstehenden Uebeln vorgetzeugt werden könne, und antworten darauf, baß auch hier der Sociali-mu- helfen kann.