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4046 beschriebenen Hazardspiele mit Schlußzetteln Theil nehmen, und wenn wir auch oben die Kornbörsen als den Geburtsort dieses Wuchers mit den Schkußzetteln bezeichnet haben, so soll damit doch keineswegs gesagt sein, daß die Kornbörsen überhaupt gemein schädlich oder ganz zu schließen seien; und eben so wenig läßt sich anempfehlen, daß die Schlußzettel bei Getreidegeschäften ganz ver boten werden sollen; aber zweifellos dürfte sein, daß jedem Schwindel oder Wucher mit Schlußzetteln entweder durch die Landespolizei oder durch die Gesetzgebung schleunigst ein Ende gemacht werden müsse, damit nicht das Volk außer der natürlichen, mit Ruhe und Mäßigung zu ertragenden Theurung von der zu oft wiederkehren den Plage einer künstlichen Theurung zu Boden gedrückt werde. Jedem Schlußzettelhazardspiele wird aber kaum anders Einhalt gethan werden können, als dadurch: I. daß alle au porteur lautende Schlußzettel verboten und nur solche für giltig erklärt werden, welche den Namen des Käufers enthalten; II. daß der Weiterverkauf der Schlußzettel verboten, und in solchem Falle das Kaufgeschäft für ungiltig und HI. nur für wirksam erklärt werde zwischen den ursprünglichen im Schlußzettel genannten Contrahenten; daß aber IV. die abgeschlossene Naturallieferung in jedem Falle erfolgen und angenommen werden müsse, und V. jede Gewährung von Differenzzahlungen mit dem fünf- und zwanzigfachen Betrage der contrahirten oder gezahlten Dif ferenzen, nach Befinden auch mit entsprechender Gefängnlß- strafe belegt werde. Würden sonach künftig bei dem Schlußzettel weder Agio noch Differenzen zu gewinnen sein, so würde bald der wirkliche, reelle Getreidehandel wieder die Oberhand gewinnen, das Getreide wieder in natura zum Markt kommen und auf der Börse der Schluß- zrttel wieder in seine alten wohlerworbenen Rechte eines ehrbaren Vermittlers zwischen dem Producenten und dem Kaufmanne oder diesem und dem Consumenten eingesetzt sein, während er in seiner jetzigen Gestalt, mit den unentbehrlichsten Lebensmitteln ein ver werfliche- Hazardspiel treibend, als Kornwucherer mit dem gerechten Fluche aller Consumenten beladen ist. Sollten vorstehende Zeilen, welche lediglich den Zweck haben, das darbende Publicum von ungerechter Verdächtigung unschuldiger Personen oder Vereine adzuhaiten, und auf die Nothwendigkeit und Möglichkeit einer baldigen Abhülfe hinzuweisen, von unserer hocherleuchteten Regierung einer gnädigen Berücksichtigung nicht unwürdig befunden werden und dazu beitragen, das Volk vor dem Drucke künstlicher Preissteigerungen möglichst zu schützen, so würde der Verfasser sich glücklich schätzen, die Feder ergriffen zu haben. Leipzig, am 24. September 1855. Adv. Friedrich Moritz Gast. Wie neu erbaute Synagoge hat so eben noch eine neue kostbare Zierde erhalten, nämlich einen prachtvollen Vorhang vor das Allerheiligste. Dieser Vorhang, in rothem Sammet mit reicher Goldstickerei ausgeführt, ist aus dem Atelier de- Herrn I. A. Hietel hcrvorgegangen und zeigt einmal wieder, waS für ausgezeichnete Arbeit Herr Hietel selbst in sehr kurzer Zeit (es waren ihm dazu nur vier Wochen gegönnt) zu liefern vermag. Das der Stickerei zu Grunde gelegte Muster ist dem Innern de- Tempels vollkommen entsprechend und sehr ge schmackvoll entworfen. Schrift, Thora, Krone und alle zum Theil sehr erhabenen Verzierungen sind aber auch so vorzüglich gearbeitet, daß, wenn man aus einiger Ferne daS Kunstwerk be trachtet, man wähnen möchte, man habe nicht eine Stickerei, sondern ein Werk der saubersten Goldmalerei vor sich. . — . Stadttheatcr. Der Abend deS 27. Sept. brachte eine Neuigkeit: „Ein Tag in der Residenz", Posse mit Gesang in drei Abtheilungen und fünf Rahmen von F. Denecke und R. Hahn, Musik von A. Conradi. Die Direktion hat damit jedenfalls einen glücklichen Griff gethan und endlich daS getroffen, wa» nach dem Herzen des gegenwärtig da- Theater frequentirenden Publicum- ist. Der lange Theaterzettel, der da- versprach, waS Diele nach de- Dichter- Wort sich entfliehend am liebsten suchen: aus dem Alltagsleben gegriffene Gcenen und wo möglich sich selbst — that seine Wirkung und endlich waren einmal wieder die Räume leidlich gefüllt, die bei dem künstlerischen Schauspielrepertoir der letzten Wochen ziemlich öde gewesen waren. Das Stück nennt sich „Posse" und ist das auch im wahrstcn Sinne de- Wortes. Es wird in raschem Wechsel das bunte Leben und Treiben in der preußischen Haupt stadt geschildert, cs werden Blicke in die verschiedenartigsten Sphären der bürgerlichen Gesellschaft gestattet und nicht wenige mit Natur wahrheit geschilderte, die verschiedenen Stände repräsentirende Ge stalten vorgeführt. Oft zeigt sich eine gesunde Komik, besonders im ersten und dritten Acte, die Couplets — eine Hauptsache bei dergleichen Stücken — sind zum größten Theil sehr hübsch. An dm Bau eines solchen Werkes darf man keine großen Ansprüche machen, eben so wenig wie an die hier nur eine untergeordnete Stellung einnehmende Musik — eS genügt, wenn eine solche Volksposse unterhält und zur Heiterkeit reizt, und da- ist bei dieser von dem Regisseur de- Lustspiels, Herrn v. Othegraven, mit viel Geschmack in Scene gesetzten der Fall. Wer also einmal recht tüchtig lachen und sich erheitern will, der wird hier seinen Zweck sattsam erreichen. — Die Posse wurde übrigens auch sehr hübsch gegeben. Von den sehr zahlreichen Personen de- Stücke- sind be sonder- zu nennen: Krau Bachmann als Charlotte — eine köst liche Leistung der vielseitigen Darstellerin — ebcn so wie Frau Wohlstädt in der wenia dankbaren Rolle der Frau v. Bergen; ferner, als Träger de- Ganzen, Herr Denzin (Herr Friedrich Wilhelm Batzenberg au- Jüterbogk), Herr Böckel (Eisenbahn- Conducteur Adrian Müller) — der, beiläufig, seine Couplet- recht hübsch sang — die Herren Laddey und Curt (Victor und Schnapp), Frl. Berg (Louise Vogel), Herr v. Othegraven (Dragoner Alexander), Herr Haw (Fritz Helm), Herr Pauli und Frl. Huber (das jüdische Ehepaar Meyer) und die Herren Ball mann und Mo des in den kleinen Rollen deS Portier Lerche und des Posematzky. Auch die vorkommenden Kinderrollen wurden von Marie Mathes, Clara Meyer und Liddy Kutschke entsprechend gegeben. — Wie Referent von zuverlässiger Seite her weiß, steht uns dem nächst noch eine andere, sehr interessante Neuigkeit bevor, die Oper „Der Stern des Nordens" von Meyerbeer, die schon in nächster Woche mit durchaus neuer und glänzender Ausstattung in Scene gehen soll. Ferdinand Gleich. Die Sehenswürdigkeiten der Michaelisincsse. 7) Oiryuo ^mvrieain. Obgleich dieser CircuS im Umfange nicht dem eine- Renz und Wollschläger gleicht, so sind doch die Leistungen der darin wirken den Künstler so loben-werth, ja zum Theil in ihrer Art so neu, daß da- bis jetzt in jeder Abendvorstellung sehr zahlreich versam melte Publicum oft zu lautem Applaus hingerissen wird und nicht selten nach einzelnen Productionen dreimaliger Hervorruf er folgt. Die schon in Leipzig rühmlichst bekannte Familie Götz eröffnet- die Vorstellung, der wir beiwohnten, durch Productionen der edlen Reitkunst und Pferdedressur auf eine recht würdige Weise; namentlich sind die Leistungen deS jungen Carl Götz auf zwei Pferden und die graziösen Attitüden de- Fräul. Käth- chen Götz bereits so schulgerecht, daß bei fortgesetzter Uebung dies Geschwisterpaar gewiß bald daS Ausgezeichnetste leisten dürfte. Eben so vorzüglich, aber zugleich ganz neu in der Art der Aus führung und darum ganz besondere- Interesse erweckend, sind die Leistungen de- jungen Amerikaner-. Mit voller Sicherheit, außerordentlicher Gewandtheit und dem Feuer eine- Südländer- producirt er die schwierigsten Voltigen, und seine große Bravour, staunenswerthe Elasticität und seltene Beweglichkeit machen ihn zum Non piua ultra eines kühnen Voltigeurs. Nicht minder eigen- thümlich, da- Auge wahrhaft erf.euend, sind die höchst graziösen Attitüden und Shawlgruppirungen de- Fräulein- Augustina, und wie sie hier mit großer Ruhe und dem edelsten Anstande selbst da- Schwierigste zur Anschauung bringt, durchfliegt sie am Schluffe der Scene auch mit jugendlichem Feuer und großer Bra vour in wildem Carriere deS Rosse- die Arena. Der Antipoden tanz an der Tonne, von Herm Seniu-, besonders aber Herrn Franko'- mit großer Ruhe, Gewandtheit und Grazie executirte Turnübungen im Trapez, 36 Fuß über der Erde, sind staunenerregend. Lauten Jubel endlich und nicht weniger Stau nen rufen Mr. Chapman- ikarische Spiele, mit seinem 5>/, Jahr alten Söhnchen, hervor; denn sie werden von Beiden mit dem ganzen Humor eine- echten englischen Clown- dargestellt,