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2. Des Kuaben Liebe. Im Walde stand die schönste Magd, zwei weisse Hirsche sprangen empor in muntrer Liebesjagd. Die Blätter wurden zu Smaragd und tausend Vöglein sangen, dass Berg und Thal erklangen. Die schönsten Blumen, die sie fand, hat sie allda gepflücket: das Haupthaar ist ihr Festgewand. Sie strählt es mit der weissen Hand, und wie sie sich nun bücket, ist selbst der Wald entzücket. Bethörter Knabe, flieh’! enteil’! Der Augen blaue Sonnen, ach sähst du die. der Seele Heil, Ach, Knabe, dein unsterblich Theil, in Schmerzen und in Wonnen wie balde wär’s zerronnen. Es blickt das Feen weih ihn an, er fühlt sich neugeboren. Dem Knaben ist es angethan: Bestrickt von Lust und Liebeswahn, demFeenweib erkoren, sind Seel’ und Leib verloren. 3. Des Kuaben Leid. Sie gingen mit einander so träumend durch den Hain, der Knabe wohl in Pein, Die weissen Hände wandt’ er, die irren Blicke sandt’ er durch Wald und Busch hinüber, ein Marienbild sah herüber. Das Waldweib sprach : Da drüben der Jungfrau steinern Herz, das sieht nicht deinen Schmerz, Weiss nichts von Kuss und Lieben, wie kann dich das betrüben ? Hast Alles doch empfangen, was kannst du mehr verlangen? Er sass 'auf Bergeshöhen mit seinem Weib zumal, aus tiefem Nebelthal hört’ er in bitt’ren Wehen Empor wie Mutterfiehen, wie in herzinnem Feinen ein Kirchenglöcklein weinen. Das Waldweib sprach: Das Klingen, das ruft im Dorfe fern zum strengen Dienst des Herrn; Die Leute müssen springen, viel beten und viel singen, wie müssen fromme Seelen in Wort und Wahn sich quälen. Wohl dir, dass du vergeben des Leibes bösen Gast, die trübe Seele, hast; Nun darfst du selig leben, in Thal und Lüften weben, ohn’ Beben, Knien und Büssen all’ Inbrunst ganz geniessen. 4. Des Knaben Tod. Das Waldweib sang, So mild und bang, Ach Knabe, was weinst du so sehr ? O Knabe, wie träumst du so schwer! Und hab’ dich so geliebet, Und bist doch so betrübet Bei mir? Es rauscht der Wind, Schlaf ein. mein Kind! Mein Knabe, der Winter ist da! Mein Knabe, der Tod ist da! Ach, zähme deinen Kummer, Kurz ist der Todesschlummer Im Thal! Die Augen zu, Ja. süsse Ruh'! Ist dir es so schmerzliche Pein, Im Frühling ein Blümchen zu sein, Oder mit bunten Schwingen Zu fliegen und zu singen Im Wald? Julius Mosen.