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Lesebuch für Geschäftsmänner", eben so die National- Oekonomie von Fr. Schöffle die Bestimmung: für Ge bildete aller Stände, insbesondere für den Kauf mann. Dessen ungeachtet kann man gerade nicht bepierken, daß dadurch die Leselust der Kaufleute besonder- gestiegen wäre. Wie oft findet man wohl einen Kaufmann, der ein handelshistorisches Werk sich «»geschafft und gar es gelesen hätte- Zwischen Comp toirarbeit und Lebensgenuß wird meisten- der Tag getheilt, und wo Kunstliebhabereien sich zeigen, dienm sie mehr dazu, dm er worbenen Reichthum zu beurkunden, als die geistige Individua lität de- Besitzer- zu heben. Daher auch der theilweise geschmack lose LuxuS in den Privatwohnungen unserer wohlhabenden Classe. So wenig angenehm eS nun auch ist, diesen Gegenstand zu berühren, es liegt doch im Interesse der Kaufmannschaft selber, eine Aenderung darin hervorzurufen. Denn wenn es von allen ökonomischen Berufsclassen gerade der Handelsstand ist, welcher wegen der Wichtigkeit seiner Arbeit die meiste Aufmerksamkeit von der Staatsverwaltung verlangt, dann muß er auch seinerseits am ehesten danach streben, seinen Beruf ganz au-zufüllen, und dieses Ziel vermag er nur auf Grundlage einer tüchtigen allgemeinen und einer besonderen Bildung in seinem Fache zu erreichen. Und so gebildete Männer von bedeutendem Wissen hat Leipzig gerade unter dem älteren Theile seiner Kaufmannschaft viele aufzuweisen, die dem jüngeren Geschlechte zum Vorbild dimm können. Da aber die jüngeren Lebensjahre des Kaufmann- weniger dazu verwandt werden können, ein reicheres Wissen zu erwerben, so bleibt eS dem bereit- etablirten Geschäftsmanne Vorbehalten, als Mann nachzu holen, was dem Jünglinge unzugänglich war. Zunächst sind wohl die Handelskammern überall in Deutschland aus administra tiven Rücksichten gegründet worden; sie sollen den Regierungen bei der Regelung der Handelsangelegenheiten zur Seite stehen. Allein gerade sie sind es auch, die am ersten Gelegenheit haben, geistig anregend auf ihre Kreise einzuwirken. In den Handelskammern ist jedesmal der Kern eines commerciellen Bezirkes vertreten; geben ihre Mitglieder selber ein gutes Beispiel, so wird hoffentlich auch bei dem ganzen Stande endlich der Wahn schwinden, daß der un gebildete Kaufmann am meisten Glück habe. Die Anforderungen an die kaufmännische Bildung werden mit der Zeit in immer höherem Maße steigen, jemehr sich im Staat der Gegenwart das Gesetz vollzieht, daß die Fachangelegenheiten von den jedesmaligen Sachverständigen auch in gesetzgeberischer Beziehung und in Betreff der Normen der Verwaltung mitberathen und beeinflußt werden, jemehr also der kaufmännischen Vertretung und Mitentscheidung in volkswirthschaftlichen Sachen ihres Gebiets da- dem ganzen Stande zukommende demokratische Recht im besten Sinne des Wort- zur Geltung, gelangt. Stadttheater. Das Trauerspiel „Richard 111.", eins der gewaltigsten unter den geschichtlichen Dramen des großen Shakespeare, ging bei Gelegenheit von Herrn Dawisons Gastspiel am 20. März hier wieder in Scene. Es ist eins der schwärzesten Blätter in dem Buche der Geschichte England-, das der Dichter in dieser Tra gödie aufschlägt. Fast ganz allein in dem Vordergründe de- gro ßen historischen Gemälde- steht die grauenvolle Gestalt König Richards III., die ihre Seitenstücke nur unter den asiatischen Despoten und in der Geschichte der römischen Cäsaren findet. — Die glühende Phantasie des Dichters malt in diesem Charakter bilds in Umrissen von großartigsten Dimensionen und mit den glühendsten Farben die menschliche Natur in ihrer tiefsten Ver worfenheit, denn sein Richard III. gehört zu den Menschen, die ' Gott und der Menschheit den Krieg erklärt haben, die schlecht sind au- Lust am Bösen und bei denen daher alle anderen Mo tive, die in der Regel den Bösewicht erst zu dem gemacht haben^ was er ist, nur in zweiter Reihe stehen. Er strebt nach der Krone weniger au- Ehrgeiz und Herrschsucht, als nur des halb, weil sie ihm unbeschränkte Macht giebt, zu schaden und Böses zu thun. Die Wiedergabe einer solchen furchtbaren, vom Dichter mit höchster psychologischer Meisterschaft und zugleich mit der erhaben sten Poesie durchgeführten Gestalt erfordert einen Meister der Darstellungskunst, wie es Herr Dawison, der berühmte Shake speare-Darsteller, ist. Von Alle«, was wir von dessen Kunst leistungen in der hohen Tragödie kennen, steht ohne Zweifel sein Richard III. nebst dem Othello und dem Franz Moor am höchsten, wie überhaupt diese Leistungen Epoche machend in der Geschichte der Schauspielkunst sind. Wir dürfen uns hier nicht auf eine Betrachtung aller der Einzelnheiten diese- aus dem Großen und Ganzen geschaffenen, daher in vollendetster Einheitlichkeit erschei nenden Charaktergemäldes einlassen, doch können wir auch nicht mit Stillschweigen übergehen, wie der Künstler schon in dem ersten Monolog (in der Auseinandersetzung des Wesens Richards von Glocester) die höchste geistige Anregung gab, mit welcher Vollen dung er die an Schwierigkeit fast ohne Beispiel dastehend« Seme mit Anna durchführte, welche Wahrheit uns in dem Monolog „Ward je ein Weib in solcher Laune gefreit" entgegentrat, wie der 1L35 Darsteller ferner dm hinter Demuth und religiöse Heuchelei sich >erqenden Grimm, den Alles höhnenden Uebermuth des gekrönten Bösewichts und endlich dessen Gewissensbisse und Verzweiflung zur Geltung brachte. Diese eminente Kunstleistung «achte einen Totaleindruck, wie man ihn nur den höchsten Kunsterscheinungen gegenüber empfindet. Bei der Aufführung dieses Trauerspiels warm fast alle Mit glieder unserer Bühne beschäftigt, selbst die Oper hatte ein Con- tingmt gestellt, damit die überaus zahlreichen Rollen des Stück gut beseht werden konntm. Von allen unseren einheimischen Darstellern ist zuerst de- Fräulein Lebner zu gedenken. Es gab dieselbe die außerordentlich schwere Rolle der Anna und zwar so trefflich, daß sie in der Scene mit Richard sich neben dem be- rühmten Gast höchst ehrenvoll behauptete und sich ungetheilte Anerkennung zu verschaffen wußte. Wie schon oben gesagt, treten alle anderm Rollen de- Stück- neben der Hauptfigur sehr zurück und zeigen blos prachtvolle Einzeln heiten, von denen viele allerdings für sich allein mehr werth sind als so manche große und dankbare Rolle in modemen Dramen. Die ganz besonders anerkmnenswerthen Leiftunam in diesem Trauerspiel warm firner die der Herren Kühn- (Clarence), Stürmer (Buckingham) und Bertram (Eduard IV ), der seine einzige Scene mit bestem Verständniß durchführte; ferner die der Frau Wohlstadt al» Elisabeth und des Fräulein Huber als Herzogin von Pork. Das bei Darstellung eine- Werke- dieser Art ganz besonder- schwierige Zusammenspiel war ein befriedigende- und bewies, mit welcher Sorgfalt von Seiten der Direktion und der Regte die Aufführung vorbereitet worden ist. F. Gleich. M. William Finn's physikalische Experimentalvorträge, auf welche in diesem Blatte zu wiederholten Malen aufmerksam gemacht wurde, haben hier, wie in allen andren Städten unge- theilten Beifall gefunden Wenn wir trotzdem deute nochmals darauf Hinweisen, so geschieht di,ß im Interesse aller Derjenigen, welche noch keinem dieser Vorträge beigewohnt haben; denn heute Freitags den 22. März hält Herr Finn seine letzte Vor lesung hier in Leipzig, wobei er seine schönsten Apparate in Tä tigkeit setzen wird/ Die Apparate de- Herrn Finn si'd einzig in ihrer Art; auch versteht Herr Finn seine Apparate trefflich zu be nutzen und experimentirt mit größter Sicherheit. Deine Erläute rungen zu den rasch auf einander folgenden belehrenden und unterhaltenden Experimenten sind genügend; denn ein tiefere- Eingehen würde eine längere Zeit in Anspruch nehmen, als für solche Vorträge passend wäre und nach den erlangten unvergeß lichen Eindrücken der herrlichsten Experimente wird dem Laien da- Verständniß populärer Werke über diesen Gegenstand so er leichtert, daß der große Werth der Finn'schen Vorträge für Be- - förderung der physikalischen Kenntnisse durchaus nicht in Abrede gestellt werden kann. Für Leipzig ist der große Ruhmkorffische Apparat von um so größerem Interesse, als derselbe von dem sonstigen hiesigen Bürger Herrn Stöhrer, jetzt in Dresden, gebaut und der größte jetzt existirende ist. Derselbe ist mit einer Jnductionspiraleversehn, welche einen 30000 Fuß (circa 11/4 Meile) langen, feinen, mit Seide umsponnenen Kupferdraht enthält. Wie wir hören, so sind für diese letzte Sitzung de- letzten, haupt sächlich den Mitgliedern der Leipziger Polytechnischen Gesellschaft gewidmeten CycluS von Vorlesungen besondere Billete zu er mäßigtem Preise bei den Herren F. Hofmeister und Uhrmacher Aachariä zu erhalten, worauf wir u« so freudiger aufmerksam machen, als die Vorträge de- Herrn Finn wirklich der wärmsten Empfehlung werth sind. ü. Geffentltche Gerichtssitzung. Im Januar d. I. hatte man wiederholt des Abends in einem abgelegenen GartenhäuSchen des JohanniSthales Licht bemerkt und als auf erhaltene Kunde die Polizei der Ursache nachforschte, traf man daselbst den Photograph Heinrich Bach und den Handarbeiter Heinrich Theodor Wihschel von hier an. Die Thür zum Garten war zu gewesen, so daß man über den Zaun hatte steigen müssen, eben so hatten die Bewohner des Häuschen- den Zugang zu letz ter« von Innen zugekettelt. Mußte schon der Aufenthalt beider in dem einsamen Häuschen zu jener Jahreszeit und in den Abend stunden auffällig erscheinen, so wurde das Auffällige noch durch den ganz eigenthümlichen Fund erhöht, den man dabei machte; man fand nämlich eine Schale mit geschmolzenem Metall, zahl reiche Blei- und Metallstücke, namentlich Metallbuchdruckerlettern, Ziffern von Blei, einen Schmelztiegel, verschiedene Gyps- und Wachsabdrücke zu Zweipfenntg-, Einncugroschen-, Aweineugroschen-, preußischen Einthaler-, österreichischen Einviertel- und ganzen Gulden-, so wie österreichischen Kreuzerstücken, ferner ein falsches österreichisches Etnviertelguldenstück und verschiedene unvollständige dergleichen Guldenstücke, die einen mit bloßem AverS, die andern mit Revers, endlich einen galvanoplastischen Apparat, auch kamen