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12L0'., der üeus» Gewerbe-Ordnung abwarten. Dann glaube ich erst recht, daß die KreiSdirectionen überflüssig werde», weil jetzt gerade die Jnnungsangelegenheiten ihre Aeit sehr beanspruchen. Bor der Hand sehe ich von diesem Thema ab und hoffe später wieder darauf zurückzukommen. Ich komme jetzt zu einem Gegenstand, wo ich betreffende Persön lichkeiten berühren muß und erkläre im Voraus, daß ich, obgleich ich den sächsischen Beamtenstand sehr hoch schätze und gern zur Verbesserung desselben, namentlich in materieller Hinsicht, stets zur Hand bin, Gegenstände zur Sprache bringen muß, die aber nicht der Person, sondern der Sache gelten, die ich hier allein ins Auge fasse. Ich traue dm gestern ausgesprochenen Worten des Herrn StaatSministerS und freue mich im Voraus, zu sehen, wie seine Unfch-nangSweise dem Wink, der ihm hier in diesem Saale geWbm, bereitwillig lm Interesse des Volks Folge giebt. Da kommt mir gleich ein Uebelstand in die Gedanken, die Art und Weise der EonfiScationen von Zeitungen und Büchern, ohne über die Principfrage zu sprechen, ob überhaupt die Zeit deS leichten und schnellen Verkehrslebens sich noch für EonfiScationen eignet, wo es kein Geheimniß giebt und der geschwätzige Ausplauderer Telegraph schnell alle Nachrichten bringt. Ob woht die Regierung ihren Zweck erreicht? Ich glaube das Gegentheil, denn wenn ein nicht consiscirteS Blatt oder Buch vielleicht nur 1V0 Leser gehabt hätte, dann treibt der Reiz der Neugierde dazu an, daß confiScirte vielleicht von 1000 und abennal 1000 gelesen werden. Also in der jetzigen Aeit helfen solche Maßregeln gar nichts. Man hat früher angenommen, daß z. B. Zeitungen blos in öffentlichen Localen weggenommen werden. Nach der jetzigen Maskme erstrecken sich solche unzweckmäßige Maßregeln sogar auf Privatgesellschaften und man streckt die confiScirenden Hände sogar in den gebildetsten und sogenannten vornehmsten nach Zeitungen aus. Man hat in Leipzig vergebens remonstrirt und von den Unter behörden erfahren, daß die betreffenden Verordnungen die Ober behörden so interpretirten, daß zu öffentlichen Localen auch die der Privatgesellschaften zu rechnen seien. Sehe doch ja die Regie rung von solchen Maßregeln und Interpretationen ab, dmn diese erregen nicht allein nach unten Mißvergnügen, sondern macken auch in den höherm Cirkeln der Gesellschaft böses Blut. Wenn der Abg. Fahnauer auf die zu vielm Beamten hingewiesm und der Abg. Riedel so eben erwähnte, daß den betreffenden Beamten doch sehr viel Zeit übrigbleiben müsse, weil sie sich sehr emsig mit Preßerzeugnissen der Journalistik beschäftigten, so sind solche Fälle auch in Leipzig allgemein bekannt, was ich hier wieder im Inter esse der Regierung ohne Scheu zur Sprache bringe. In Leipzig erscheint ein Blatt, genannt Kreis- und Verordnungsblatt, für welches die meisten Leitartikel der Herr Krei-directionSchef selbst schreibt, wobei ihm allerdings der sogenannte Dresdner Preßchef thärige Beihülfe gewährt. Von letzterem kommen dann zugleich mit Arnkeln — „als Trost und Herzensstärkung" — wie er es nennt — couvertirte Adressen, mit denen nun dessen im Kreis- tlatte abgedruckte Geburtskinder an die Provinzialpresse, „die commandirte Presse" zum Abdruck übersendet werden sollen, was natürlich auch größtemheilS geschieht. — DaS sind in Leipzig be kannt» Lhatsachen. Natürlich kommen nun dadurch diese Beamten in eigentpümltche Stellung. Ich erinnere an einen Fall. Das Stadtverordneten - Collegium hatte einen allgemein geachteten königlich sächsischen StaatSanwalt zum Polizeidirector erwählt. Sofort kommen über diese Wahl bissige Angriffe in diesem ofsiciellen Blatte, wie man es in Leipzig nennt. Dadurch fühlte sich der größte Thett des Leipziger Publikums unangenehm berührt, ;a mdtgmrt über die Lactlosigkett, daß man die zufällige erste An wesenheit des vertrauensvoll Gewählten an dem Tage, wo das Leipzigs Fluren verheerende unheilvolle Schloßenwetter unsere Stadt in Trauer setzte, für ein böses Omen in dem nobeln Blatte hin- stellte (allgemeines Gelächter, auch am Ministertische). Run, meine Herren, die Hauptsache kommt erst. Bald darauf erfreute die Stadt ein hoher Besuch. In Anwesenheit der Deputation des Raths und der Stadtverordneten, wöbe» natürlich auch die Kreis- direclion nicht fehlte, sprach man zur größten Freude der an wesenden Herren Sladttäthe und Stadtverordneten und hoffentlich auch deö KretSdirecttonsdeamten die besondere hohe Zufriedenheit über die glückliche Wahl des neugewählten PolizeidirectorS aus. Sie können sich die Verlegenheit denken auf der einen und die Freude auf der andern Seite. Man Mußte sich nun selbst demen- tiren und in einer nächsten Nummer folgte natürlich Lob und Jubel uder diese Wahl. Sie sehen, in welche Unannehmlichkeiten solche schriftstellerische Passion kommen kann. Und nun frage ich, meine Herren, liegt es nicht im Interesse deS Ministern und der Beamtenwelt selbst, wenn man auf solche Fälle aufmerksam macht, damit solche Fälle Nicht wieder Vorkommen, die der Autorität m der öffentlichen Meinung schaden. Ueberhaupt befindet sich dieses Blatt, was doch eigentlich ein reines Privarunternehmen ist, in einer eigenthümlichen Stellung zu der KreiSdirection und eS wäre mir lieb, von dem Herrn Minister v. Neust über die verschiedenen Gerüchte Widerspruch zu hören. Dieses Blatt soll von der Kreir- direction 300 Thlr, sage 300 Thlr, Subvention bekommen und zwar 200 Thlr. auS der Gensdarmeriecaffe und 100 Thlr. au-1 de« Kreisdirectionsfond, außer lnm Pauschquantum Hrr die In sertionen. Außerdem sMen zur Penutzung der Mitarbeiter diese- Blattes von der «eisdtrecttvn 71 Thlr. für sächsiphe Blätter verausgabt werden. Alsdann ist «an in Leipzig der Meinung und ich möchte glauben, daß diese begründet ist, würde mich aber reuen, wenn es von der Ministerbank desayouirt würde, daß die ungen Beamten von ihrem Chef veranlaßt würden, öfter- Gesell- chaften zu besuchen, aber doch immer recht hübsch Notizbücherchen zu führen, »pn in diese Aeußerungen zu notiren. Nun soll zum Unglück cknMal ein solches Notizbüchlein verloren gegangen sein. Wie gesagt, eS würde mir lieb sein, wmn eine solche Meinung im Volke von der Ministerbank als unrichtig bezeichnet werden kann. Dann habe ich noch eins zu rügen: wenn einmal in Leipzig (waS jetzt selten) eine öffentliche Versammlung stattfindet, wozu dkn VeretnSgesetze gemäß bei unS von Seiten der Polizei einer ihrer Beamten zur Bewachung gesendet wird, so sendet öfter- die KreiSdirection noch einen Beamten ihrerseits, wie man sagt, zur Bewachung de- Polizeicommissars hin. Dabei Ist Mir gesagt, daß der eine öfter- benutzt würde, der, obgleich gar nicht examinirt, doch mit 2 Thlr. täglich Diäten angestellt ist. Solche überflüssige Arbeitskraft kostet Geld. AlSdann erlaube ich mir ekne Frage an da- Ministerium: ist es begründet, daß jährlich für den Schriftenvergleicher Henze circa 150 Thlr. verausgabt werben, und wozu dieser Schriften vergleicher beruht wird, es gehen da ganz eigenthümliche Ge rüchte in der Stadt herum. Als einen weiteren Beweis dafür, daß es doch Wohl dort noch viel Ueberfluß an Arbeitskräften giebt, schließe ich au- der Stellung eine- höheren Kreisdirectorial- beamten zu der officiöftn Leipziger Zeitung — Sie wissen, daß das Ministerium die officielle Natur dieser Zeitung desavouirt. — Dabei ftrngstt ein KreiSdirectionSbeamter als Oberredacteur und der eigentliche Redacteur der Leipziger Zeitung ist nur ein Stroh mann , d. h. nomineller Redacteur. Die Leitung der Aeztung geht von dem Kreisdirectorialbeamten aus und der nominelle Redacteur befindet sich der öffentlichen Meinung gegenüber in einer nicht be- neiden-werthen Stellung. Früher war die- ganz anders. Es standen da die allgemein geachteten vr. Gretschel und später Hof rath Marbach als wirkliche Redacteure mit respektabler Selbst ständigkeit an der Spitze. Sie haben stet- redlich ihre Pflicht gethan, wozu jetzt die Bevormundung? Das Ministerium hat es stet- in der Hand. Erfüllt ein solcher Redacteur seine Pflicht nicht, so kann es ja eine Aenderung treffen. Ein solche- Ver- hältniß berührt oft unangenehm. Ich erinnere nur an den von Seiten der Redaction taktlosen GewerbeordnungSaufsatz, der das Ministerium selbst sehr unangenehm berührte. In welche Ver legenheit bringt man da den nominellen Redacttur, den noch un schuldiger Weise das Publicum al- Sündenbock ansieht. Sehr zu wünschen, daß hinsichtlich dieser fatalen Doppelstellung gegen über dem Ministerium in dieser Hinsicht bald Aendernng ein- tritt. Ueberhaupt ist mir es unbegreiflich, wozu das Mini sterium so viel Beamte und so viele Helfershelfer im Preßbureau braucht, und daß es in Dresden ein solche- giebt, ist Thatsache. Warum, frage ich, will das Ministerium seine Handlungsweise durch seine eigenen Leute loben lassen? Meine Herren, eine Re gierung, welche gut regiert, braucht solche Schreiberei nicht, man Lebt auch in dem Publicum nichts auf solche bestellte Arbeit und ohnschreiberei und ich möchte hier dem Herrn Minister von Beust zurufen: Gott bewahre mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden werde ich schon selbst fertig! Da nun die Preßangelegenheit an einem andern Orte noch einmal zur Sprache kommen wird, so will ich den Kaden jetzt nicht weiter ausspinnen, eS erheischt das zu viel Aeit, dir ich da noch beanspruchen müßte. Es sind da Dinge von Seiten de- ministeriellen PreßbureauS vorgekommen, die gewiß nicht zum Besten deS Ministerium- in der öffentlichen Meinung gereichen können. Alle diese Leute und guten Freunde helfen nichts; der ewige und einzig richtige Leitstern für ein Ministerium ist das Wohl des Vaterlandes, welches wir und die Regierung stets fest und treu im Auge haben sollen. Bei mir gilt immer der Spruch: „Regiere gut, dann folgt sich'- gut"! Ich hätte, wie gesagt, noch ein ganzes Repertorium solcher Sachen Ihnen vor- zuführen, und noch ein hübsches Leporelloregister zu ziehen, aber wie gesagt, ich habe Ihre Zeit schon sehr in Anspruch genommen und kann die weitern Mittheilungen solcher Gefchichtchen unter lassen, und zwar um so mehr, da ich weiß, daß ein zarter Wink von Seiten der Kammer den Herrn Minister zu bestimmen ge nügt, solche Uebelstände, wenn er es im Interesse der Regierung und deS Staat- für nöthig befindet, schleunigst zu beseitigen. Wenn der Herr Minister v. Beust gestern nach Schluß der Debatte von einem Mohren sprach, der nicht weiß zu waschen sei, so beneide ich ihn nicht, er würde bei einigen sehr verwickelten und complicirtm Zöpfen eine recht saure Arbeit haben. (Schluß folgt.)