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lange aufhalten wollten, und also auf rasche Erledigung ihrer Ansprüche dringen mußten. Auch die Schuldner waren meist Fremde, welche schnell abreisen konnten und selten Güter hinter ließen, an die man sich zu halten vermochte. ES blieb also vor zugsweise die persönliche Haft für die Vollstreckung. Diese schleunige Erecution wurde denn auch auf die Schuldscheine an gewendet, welche auf der Messe zahlbar waren. Gegen Ende der Messe rechneten die Kaufleute gewöhnlich mit einander ab. Was nicht gezahlt werden konnte, darüber wurde entweder ein Schuldschein (Entstehung des eigenen Wechsel-) auf die nächste Messe, oder auch eine Tratte auf eine andere Messe (so daß man den Betrag bei einem dort Anwesenden erheben sollte, /-«re- äs Loiro) ausgestellt. Wurde alSdann nicht bezahlt, so erfolgte die schleunigste Execution, und da man eS mit Fremden zu thun hatte, vorzugsweise der Personalarrest. (Fortsetzung folgt.) Stadttheater. Bei fast keinem bedeutenden Gastspiel im recitirenden Drama scheint eS gegenwärtig noch ohne „die Waise auS Lowood" abgehen zu können. Auch Herr Hendrichs führte den edlen Lord Rowland Rochester vor, und obgleich wir eS ihm auf das Wort geglaubt hätten, daß er diese so sehr bühnengerecht geschriebene Rolle vorzüglich spielen würde, so hielten wir eS doch für Pflicht, wenigstens die ersten SgWen des Rochester mit anzusehen. Trotz der besonder» Vorliebe, die wir für die künstlerischen Leistungen des Herrn Hendrichs hegen, war es uns aber nicht möglich, bei einem Thermometerstand von ungefähr vierundzwanzig Grad Reaumur im Schatten dem Gange dieses oft gesehenen Stücks abermals noch weiter zu folgen. — Von hohem Interesse war des gefeierten Gastes Eqmont auch diesmal für uns. Diese in Auf fassung und Ausarbeitung vollendete Leistung des Künstlers war unS von früher bekannt und dennoch überraschten uns wieder die künstlerisch werthvollen Einzelnheiten derselben, wie unS die orga nische Entwickelung des Charakters und die Einheitlichkeit des Ganzen fesseln mußte. Fräulein Radtke gab bei diesen beiden Vorstellungen die Jane Eyre und das Clärchen. Beide Aufgaben gehen bisjetzt noch über die Kräfte der jungen Darstellerin, insbesondere ist das selbstver ständlich mit der Goethe'schen Rolle der Fall. Dennoch verkennen wir nicht, daß sich auch selbst hier ihr schönes natürliches Talent und ihre gute Vorbildung in Einzelnheiten geltend machten. Recht brav gab sie die ruhiger gehaltenen Scenen und besonders gelang ihr das Hervorheben des naiven Elements, wie auch die Wieder gabe der letzten Scene Clärchens genügte. Für das Hochtragische, für die Darstellung großer leidenschaftlicher Momente reicht ihre dermalige Leistungsfähigkeit jedoch noch nicht auS, vor Allem ist sie noch nicht so weit in der Beherrschung der Technik und der äußeren Mittel, um eine Aufgabe, wie es die allerdings außer ordentlich schwere erste Scene des fünften ActS ist, annähernd be- friedrigend lösen zu können. Hier wie auch in der großen Scene der Jane Eyre im ersten Act des Birch - Pfeiffer'schen Stücks zeigte sich bei dieser Darstellung oft Hast und Ueberstürzung neben einer noch unfertigen Eintheilung des Athems. Nach Allem, was wir von Frl. Radtke gesehen haben, scheint ihr ausgesprochenes Darstellungstalent sie weniger auf daS hochtragische Fach, als vielmehr auf daS der naiven Liebhaberinnen im bürgerlichen Drama und Lustspiel und der Salondamen zu verweisen; auch dürfte sie später eine tüchtige Darstellerin junger Anftandsdamen werden können. — Die Rolle deS Brackenburg gab diesmal Hr. Schwing recht anständig und in den Hauptsachen genügend. F. Gleich. Ein Jugendfest. (Eingesandt.) Sonntag, den 18. d. M. wird das Sommer fest der TurnfchulknabenzuLindenauin Schönau ab geh alten werden. Wir heben den Namen Schönauum so mehr hervor, als der Rittergutsbesitzer, Herr vr. msä. Müller, bereitwilligst die hinter dem Park gelegene Wiese und den Besuchern dieses Festes gleichzeitig seinen hübschen Park zur Verfügung aestellt hat. Das Fest beginnt Nachmittag gegen 4 Uhr mit Frei- und Erercierübungen, W ttlanf, Klettern und andern turnerischen Hebungen, denen alsdann die Prämienvertheilung und schließlich Feuerwerk folgen wird. Indem wir auf dieses turnerische Jugendfest alle Freunde der Jugend und deS TurnwesenS aufmerksam machen, fügen wir schließlich noch hinzu, daß auch der Herr Wirth in Schönau für genügendes Unterkommen, durch Aufbau mehrerer Zelte, Bedacht genommen hat. Die Solidität desselben giebt hinlängliche Bürg schaft für prompte Bedienung, gute und preiswürdige Speisen und Getränke; auch hat derselbe von Nachmittag S Uhr an durch stündliche Omnibusgelegenheiten von Linden au »ach Schönau, so viel wir gehört haben, Ir Person 15 Pf., und für denselben Preis zurück, gesorgt. Wir glauben, eS bedarf nur dieser wenigen Worte, um viele Familien auS Leipzig und Umgegend zum Besuche Schönau's, sonst ein Lieblingsaufenthalt der Leipziger, zu veranlassen. Auch halten wir unS überzeugt, daß dieses harmlose Jugendfest namentlich Müttern und den die Jugend liebenden Frauen und Jungfrauen eine reine Freude und viel Vergnügen bereiten wird. L. Verschiedenes. Mannheim, 7. August. In der gestrigen regelmäßigen Monatssihung deS Naturvereins hielt Herr Dr. Hirschbrunn einen Vortrag über narkotische Stoffe im Allgemeinen und Tabak insbesondere. In einer umfassenden Einleitung schilderte der Red ner dm über die bekannte Erde verbreiteten Gebrauch narkotischer Stoffe, ihre Anwendung und Wirkung auf ganze Völker und einzelne Stände. Das verbreitetste narkotische Mittel ist der Tabak. Der Redner erinnert an dessen Ursprung und Verpflanzung nach Europa, an die anfängliche Verfolgung beim Gebrauche der Tabakspflanze und giebt dann eine ausführliche Uebersicht der geqmwärtiqen Ausdehnung des Tabaksbaues. Diese Uebersicht wurde unterstützt durch vorgezeigte Tabaksblätter, unter Angabe ihrer Heimath in weiten Umrissen. Herr Dr. Hirschbrunn skizzirte hierauf die nach der Erndte eintretende, unter der Bezeichnung „Fermentation" bekannte Behandlung deS Tabaks, die eben in jedem Geschäfte durch Anwendung verschiedener Laugen besonderer Natur und für die Allgemeinheit Geheimniß sei. Trotz der ver schiedensten Behandlung des Tabakes aber sei demselben bis jetzt das ihm innewohnende Nicotin in einer Menge verblieben, welche den Verbrauch, namentlich des geringeren Tabaks, vielfach be schränkt habe. Gestützt auf einen Satz Liebiq's, daß jede Tabaks pflanze der Veredlung fähig sei, habe Herr Fabrikant Morgenthau seit 1857 durch Mischung Versuche gemacht, um namentlich dem Pfälzer Tabak Absatzwege nach Amerika zu eröffnen. Diese Ver suche seien jedoch nicht ausreichend gewesen, den gegebenen Ver hältnissen zu genügen, bis es demselben endlich gelungen sei, den Tabak durch Entziehung des NicotinS so zu veredeln, daß derselbe verhältnißmäßiq besser verwerthet, angenehmer verbraucht und ge sünder zu den verschiedenen Gebrauchsarten fabricirt werden könne. Nach der Anschauung deS Redners und nach den mitgetheilten Resultaten hat diese Erfindung deS Herrn Morgenthau eine Zu kunft, deren wohlthätiae Folgen der Grsammtheit zu Gute kämen. Die aufgestellten Proben der verschiedensten Arten von Cigarren aus entnicotinisirtem Tabak wurden fleißig versucht und wegen Geschmack, Geruch und Form allgemein belobt. (Mannh. Anzeiger.) * Im „Neuen Frankfutter Museum" (Nr. 90) findet sich folgendeNoriz: „Neues Werk über Goethe. Als ein selbst ständiges Werk, und zwar als ein sehr belehrendes, darf der Ar tikel „Goethe" von Herrmann Marggraff in dem neuesten Bande der Encyclopädie von Ersch und Gruber betrachtet werden. Wem darum zu thun ist, durch Lecrüre eines einzigen Buche- mit dem Stande der gesammten Forschung über Goethe bekannt zu werden, dem ist diese Arbeit unbedingt zu empfehlen. Der Leser gewinnt hier die vollständigste, fast durchgängig zuverlässige Auskunft und behält dabei stets den klarsten Ueberblick. Auch Solchen, die selbstständig in der Goetheliteratur arbeiten, gewährt MarggrafftS Darstellung eine treffliche Grundlage. Sie zeugt durchweg von Fleiß. Mäßigung und Wärme und ist namentlich wegen der letzten, Eigenschaft dem vielgerühmten Abschnitte auS Karl Goedecke's Grundriß vorzuziehen. Ein besonderer Abdruck wäre zu wünschen, da verhältnißmäßig nicht Viele da- vorzügliche Werk in der weitschichtigen Encyclopädie Nachlesen werden; in dieser umfaßt eS beinahe dreihundert Großquartspalten deS 72sten Bande- der ersten Sektion". Ein Schriftsteller, der in Deutschland längst veraltet ist, kommt nun in England zu Ehren: Christian Scriver, dessen Bücher schon in ihrem Titel unS daS erbauung-selige siebenzehnte Jahr hundert charakterisiren: Christlicher Seelenschatz, WiedergefundeneS Schäflein, Witwentrost, Wohlveranügte Seelenruhe, Gotthold'S zufälltge Andachten; letztere- erschien 1729 in der neunzehnten Auflage. Scriver war 1629 in Rendsburg geboren und starb 1693 als Ober-Hofprediqer in Quedlinburg. Die Gräfin Anna von Bernstorff, Gemahlin d,S seitherigen preußischen Gesandten in London, hat kürzlich „8el«e1 karudlo» ok Okrislirm Lorivor, trrmolatoä trom äo Ovrmsn," herausgegeben. DaS Büchlein hat natürlich in den „ höheren Kreisen in London" vielen Anklang gefunden, und die alte Neuigkeit ist nun auch in Berlin für 1 Thaler zu haben. In Stettin hat man ermittelt, daß die Bienen in einer dortigen Zuckersiederei jährlich an 300 Thlr. Zucker genascht haben. Man macht jetzt Jagd auf sie mit heißem Dampf und tödtet leider jährlich 11 Millionen davon.