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L88K bildung in die Hände gefallen, so wäre ich leiblich und geistig zu Grrmde gegangen". Bon de« weitere» sich um pädagogische Gegenstände drchenden Gespräch« hebe ich nur ei»en Pu»ct hervor, e< harchMe sich in demselben um eine Vergleichung der leiblichen und geistigen E r- nährung des Menschen, und ich erinnere mich noch etwa fol gender Hauptgedanken, die der gelehrte Forscher nicht ohne Bei mischung von Humorzur Sprache brachte. »Wie die leiblichen Nahrungsmittel dem Magen übergeben werden, der sie, die näh, renden Stoffe ausscheidend, zur Ausbildung und zu« Wachsthum de- Körper- verarbeitet, so sind die Unterrichtsstoffe geistige Nah- rungsmitel, durch welche de- Geistes Bildung und WachSthum gefördert werden soll. Der gute Erfolg hängt dort wie hier ab von einer zweckmäßigen Auswahl der Nahrungsmittel und von der Mäßigkeit und Ordnung i« Genüsse. Wmn man dem Magen zu vielerlei bietet, namentlich Speisen, die keine nährende Stoff« enthalten, wenn man ihn überladet, so wird nicht nur der Zweck verfehlt, sondern die Organe selbst werden geschwächt und gestört. Wie im Leiblichen, so auch im Geistigen. Und wie sehr wird ln blefer Beziehung in geistiger Hinsicht bet uns gefehlt. Man bietet der Jugend manche geistige Speisen, die fast gar keine NahrungSstoffe enthalten. Man bietet ihr «vielerlei durch einander, man überladet sie. Daß der leibliche Magen viel ver tragen lernt, das beweisen besonders die Ottomakm, welche während der Regenzeit aus Mangel anderer Leben-mittel Erde verzehren und verdauen. Doch muß bemerkt werden, daß die fette Thonerde, welche sie essen, immer noch mehr leibliche NahrungSstoffe enthält, als einzelne Lehrgegenstände, die man dem geistigen Magen der Jugend jetzt zumuthet, die man, um die geistige Verdauung zu földern, mit allerlei pikanten Beimischungen würzt und durch welche man die Organe zwar für den Augenblick reizt, aber zugleich immernoch mehr schwächt und verdirbt. Auch der geistige Magen ' des Menschen kann viel vertragen; aber zu dem, was man jetzt hie und da der Jugend zumuthet, gehört mehr als ein Straußen magen". Ich wandte — unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, «ine schlechte Sache nicht vertreten zu wollen — bescheiden ein, daß in Betreff de- einen erwähnten Punctes über das „Vielerlei" die glänzenden Diner-, welche doch ganz leidlich zu bekommen pflegten, in Beziehung auf die leibliche Ernährung da- Gegentheil zu be weisen schienen. „Darauf erwiedere ich Ihnen," sagte Humboldt, „daß erstens dazu unsere vornehmen, abgehärteten Magen gehören Sehen Sie alle Tage einen kräftigen Mann von den Rothhäuten Ame rikas, mit denen ich oft ihr frugale- Mahl getheilt habe, an so eine reich besetzte Tafel; er wird in Kürze todt sein. Unsere hoch gebildet.» Magen gewöhnen sich sogar an das stärkste Gift, warum nicht auch an lukullische Mahle. Dann muß aber auch noch be merkt werden, daß unsere kunstgerechten Diner- von einem er fahrenen und umsichtigen Koch geleitet werden, der, wie das An tonius Anthus so meiste» Haft in seiner Eßkunst darqethan hat, d»e Speisen immer so auf einander folgen läßt, daß eine der andern bei der V rdauung gleichsam zu Hülfe kommt, weshalb es auch unumgänglich nöthig erscheint, daß ein guter Küchenkünstler eingehende Srudien in der Chemie gemacht hat. Bei unserer geistigen Kochkunst aber gilt das Sprüchwort: Viele Köche verderben den Brei. Jeder der Herren hat sein bestimmtes Fach; in diesem jeden seiner Schüler zu einem Virtuosen heranzubilden, hält er für feine heiligste Pflicht. Er thut dabei, unbekümmert um die andern, ganz so, als ob der Schüler nur da sei, um in diesem Gegenstand Meister zu werden. Der sogenannte gute Kopf hält das nun wohl auS; er pfropft seinen Geist voll auf Kosten seiner Herzen-- und Charakterbildung. Er wird stolz und aufgeblasen von seinem WiffenSdunst und meist ganz unpraktisch zu de« Beruf des gewöhulrche» Leben-. Dem Mittelmäßigen wird von alledem so dumm, als ging ihm ein Mühlrad im Kopf herum. Statt klüger, wird er mit jedem Tage dümmer. Man könnte diese Art der Bildung, wenn man ein etwa- unedleres Brld brauchen wollte, mit dem Nudeln der Gänse vergleichen. Es seht sich blo- Fett an, aber kein gutes gesundes Fleisch. An Wachsthum ist nicht zu denken. Eine mit sich abgeschlossene Selbstzufriedenheit, ein naseweises Aburtheilen über Alles, das sind in Folge davon Hauptzüge unserer Jugend. Alle geistige Frische, die zu einem erfolgreichen Universitätsstudium durchaus erforderlich ist, geht verloren. Die jugendlichen Geister sind jetzt wie Knospen, bi« man im heißen Wasser abgebrüht hat, es fehlt ihnen alle Keim- und Triebkraft, die ihnen ja in dem brodelnden Hexenkessel moderner Erziehungskunst verloren gegangen. Viele von meinen Freunden unter den akademischen Lehrern haben da rüber, mir gegenüber, schon bittere Klagen erhoben. Ich habe in Folge davon mehrfache Gelegenheit genommen, mit hochgestellten und einflußreichen Männern, die auf Abhülfe hätten hinwirken können, zu sprechen, alle waren mit mir einverstanden, aber doch ist zur Abhülfe noch nichts geschehen, und es bestätigt sich hier wieder, was ich einmal irgendwo geleftn zu haben mich erinnere: In Deutschland gehören »vtt» zwei Jahrhunderte dazu, um eine Dummheit abzuschaffen, nämlich ein-, um sie eint«fehen, da- andere aber, um sie zu beseitigen*. Einsender erlaubt sich zu« Schluß den Wunsch: Hätte sich doch Humboldt auch für ei« Mädchen in einer höher» Töchter schule Interefflrt! Wie würbe er da erst geurtheilt haben! Sta-ttheater. Gastrolle gab Herr Hendricht den Wilhelm Kraffi i« O. v. Rebwi h' Schauspiel „der Zunftmeister von Nürnberg." Wir hatten bereits viel Vortheilhaftes von dieser Leistung des be rühmten Gastes gehört, und nicht gering waren daher die An sprüche, mit denen wir ihr entgegensahen. Alles, wa« man mit so großem Recht« an Herr» Hendrichs' Darstellungsweist schätzt: die außerordentliche Correctheit seiner Technik, die Solidi tät seine- leben-frischen, stet- ein vollständiges Erfassen de- gei stigen Kern- der Rolle bewährenden Spiels, zeigte sich auch bei dieser künstlerischen Gestaltung Es war da- Bild eines echten deutschen Mannes, das der Künstler uns vorführte, und das Darlegen der Einfachheit, Biederkeit und Herzlichkeit eine- solchen Charakters mußte eben so anmuthen, als der poetische Schwung und die Kraft des dramatischen Ausdrucks in den großen Mo menten der Rolle erwärmte» und hinrtssen. Ohne der Einheit lichkeit der ganzen schöne» Kunstletstung Eintrag zu thun, trat bei ihm als ein Meisterstück der DarstellunaSkunst die Wieder gabe der großen Scene vor dem Rath zu Nürnberg im vierten Act des Schauspiel- hervor. Das Ringen nach äußerer Ruhe und Besonnenheit eines in seinen schönsten Hoffnungen getäusch te« und persönlich wie in seinen heiligsten Gefühlen gekränkten Menschen kann nicht mit mehr Wahrheit zur Anschauung gebracht werden, als das der Künstler in diesem Momente that. In der Rolle der Agnes Behaim gaflirte eine noch am An fänge ihrer künstlerischen Laufbahn stehende junge Darstellerin, Fräulein Radtke vom Berliner Hoftheater. Wir lernten in ihr ein schönes, mit sehr vortheilhaften äußeren Mitteln ausgestattetes Talent kennen, das sich bereits unter der Leitung des Herrn Hendrichs eine tüchtige Vorbiloung angeeignet hat. Die Leistung des Fräulein Radtke, wenn auch noch den unmittelbaren Ein fluß der Schule zeigend, verdient in vollem Maße aufmunternde Anerkennung. Äie ganze Art und Weise des Spiels sprach uns an, einzelne Momente hatten selbst bedeutendere Wirkung und be wiesen ein entschiedenes Talent, das nach vollständig erlangter Reife das erfüllen wird, was es jetzt schon verspricht. Bei der Aufführung der Oper „die Nachtwandlerin" am 9. August sang Herr Schütky die Partie des Grafen Rudolph. ES gehört dieselbe zwar nicht zu den brillantesten Aufgaben, allein sie ist auch nicht undankdar, besonders wenn sie in den Händen eines so ausgezeichneten Sängers wie Herr Schütky ist. Mit dem Vortrag der einzigen bedeutenden Nummer dieser Partie, der Arie, verstand es der Gast die Hörer zu einem enthusiastischen Beifallssturm Hinzureißen. Es that uns nur leid, daß für diesen Abend dem Sänger keine weitere Gelegenheit gegeben war, sich besonders hervorzuthun, wenn er auch iw allen seinen übrigen Scenen nicht verfehlte, sich als echter Künstler zu bewähren. — Eine Sängerin, die bei dem Leipziger Conservatoriu» und fpeciell bei dem trefflichen verdienstvollen Gesanglehrer Herrn Professor Götze ihre Bildung genossen, Fräul. Brenken vom Hoftheater zu Karlsruhe, gab als Gast die weibliche Hauptpartie der Oper. Vor mehreren Jahren bereits trat Fräul. Brenken als Amina auf unserer Bühne zum ersten Male vor die Oeffentlichkeit, und zwar mit so gutem Erfolg, daß sie sofort eine Stellung an der Karlsruher Hofbühne erhielt. Auch diesmal hat unS die Leistung der Sängerin, welche die Zeit ihrer bisherigen Thätigkeit bei der Bühne für weitere Aus bildung wohl benutzt zu haben scheint, sehr befriedigt. Ihre sehr angenehme Stimme, ihre tüchtige Gesangsbildung, der geschmack volle und innerer Wärme nicht entbehrende Vortrag wie ein ge wandtes anmmhigeS Spiel verfehlten ihre Wirkung nicht. Es läßt sich »ach dieser Leistung erwarten, daß Fräulein Brenken auch in anderen größeren Coloraturpartien die schonen Hoffnungen erfüllen wird, welche man nach ihrem ersten Debüt auf sie fetzen durfte. — Eine sehr anzuerkennende Leistung gab auch diesmal Herr Bernard als Elvino. Nur im dritten Act war die Stimme des Sängers — vielleicht in Folge der großen Anstren gung im Finale des zweiten Acts — etwas angegriffen. F. Gleich. Leipziger üunflverein. In gegenwärtiger und nächster Woche sind aus der bereit- erwähnten Bause-Kell'schen Kupferstichsammlung die vorzüg lichsten Werke derjenigen neueren italienischen Kupferstecher aus gestellt, deren große Erfolge am Ende des vorigm und am Anfang dieses Jahrhundert- eine neue Verbreitung der klassischen Maler werke de- 16. u. 17. Jahrhunderts veranlaßten. Aum Lheil als Schüler Morghen's, zum Lheil Mittelbar au sei«« Kunst«