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Anzeiger. Amtsblatt des König!. Bezirksgerichts und des Raths der Stadt Leipzig. ^ 159. Mittwoch den 8. Juni. 1859. Bekanntmachung. Als öffentliche, an ihren» Anfänge und Ende bezeichnete Badeplätze sind bestimmt: 1) eine Stelle in der Elster, 12V Ellen lang, hinter dem JacobShoSpitale am Rosenthale, 2) eine Stelle in der alten Pleißr, gegen 50V Ellen lang, zwischen der sogenannten Saudrücke und dem Schtm- melschen Garten. DaS Baden an anderen Plätzen ohne Aufsicht der.Fischer ist verboten. Leivzig, den 4. Juni 1859. ' Der Rath der Stadt Leipzig. Berger. Schleißner. Vir Tonkünstler-Versammlung. (Schluß.) Die Kirchenmusik war bei dem Musikfeste durch zwei große Aufführungen in der Thomaskirche vertreten, deren erste am 2. Juni die zur Einweihung deS Graner Dom- geschriebene Festmeffe von Franz Liszt brachte. Da< viel besprochene, einerseits viel ange feindete, andererseits als Kunsterscheinung ersten Ranges gepriesene Werk lernten wir bei dieser Gelegenheit wenigstens so weit kennen, um einzusehen, daß die Feinde wie die Freunde des Componisten bei Beurtheilung d r Gean« Festmeffe zu weit gegangen sind. Nur wer al- Musiker absichtlich nicht hören will, kan« auch in diesem Werte das große productiv« Talent, die Reinheit der Kunst- gefinnung, die über die gewöhnliche anständige und tüchtige mu- kalische Fachbildung hinausgehende künstlerische Intelligenz Liszr'S verkennen. Wenn wir das Alles dem Componisten auch hier zu gestehen, wenn uns auch die großen und einen hohen religiösen ld. h. römisch-katholischen) Aufschwung bekundenden Momente der Messe nicht entgangen sind, so möchten wir in derselben doch auch nicht ein Werk ersten Ranges, am allerwenigsten aber eine durchgehend- von echter religiöser Stimmung getragene Schöpfung sehen. Während wir das Lzrie dieser Messe hörten, daS wirklich ein weihevoller, hochpoetischer Erguß ist, kam uns der Gedanke: nun wenn daS so fort geht, so ist die heftige Opposition, welche die Graner Messe in Wien rc. rc. gefunden, nicht zu begreifen. Wir blieben bei dieser Ansicht auch noch während des Olori», dessen Anfang nammtlich wundervoll schön aufgefaßt und musi kalisch wiedergegeben ist. DaS 6reäo jedoch zerstörte gänzlich die Hoffnung auf einen entschiedenen Si«H dieses Kirchenwerks. Det Componist sucht hier die einzelnen Glaubensartikel in prägnan tester Weise abzugrenzen und hervoktreten zu'lassen, er muthet damit der Musik mehr zu, als sie ihrem Wesen nach zu leisten vermag und leisten soll, denn eS ist und bleibt ihre Aufgabe, sich an daS Gefühl wendend den Geist eines Gegenstandes im Großen und Ganzen zum Ausdruck zu bringen, nicht aber darf sie gleich der theologischen und philosophischen Forschung übet die Speciali- täten der christlichen Dogmen reflectiren. Liszt- Musik verliert daher in dem 6reäo der Graner Messe ihre besondere Eigenthüm- lichkeit, sie wird trocken, unerquicklich, oft selbst widerhaarig und formlos. In dm nun folgenden Sätzen: Sanetn« Leooäiolu» und ^gvu» OvL hebt sich die Musik allerdings wieder, sie nimmt eine reinere und klarere Stimmung und die glanzvolle katholisch- religiöse Färbung wieder an, weil sie hier nicht reflectirt und Worte klaubt, allein trotz alledem vermag sie eS doch nicht mehr, nach dem Orväo die Stimmung so zu Heden, wie im L^rio und Olori». Wir sind weit davon entfernt, nach einmaligem Anhörm eines so großm Werkes ein abschließendes Urtheil über dasselbe geben zu wollen; waS wir ebm über die Graner Messe ausgesprochen habm, soll nnr dm Eindruck schildern, dm daS Werk, dessen Verlauf wir mit höchster und vorurtheilSlosester Aufmerksamkeit folgten, auf uns machte. — Die Aufführung des Werks unter deS Componisten persönlicher Leitung war hiS auf einig«, obwohl nur wmia störende Schwankungen in dm Chören eine durchaus gelungene. Die Soli sangen Herr und Frau von Milde, Fräulein Clara Hinckel > " > und der herzoglich Meiningensche Kammersänger Herr WeixlS- torfer, ein unS von früher her bekannter, recht wackerer Sänger, dessen Mittel jedoch bereit- sehr abgmommen haben. Die Harfen partie hatte hier, wie bei der symphonischen Dichtung „Taffo" die treffliche Birtuostn diese- Instrument-, Frau Dr. Pohl aus Weimar, die Orgelstimme in Liszt'S Messe und in der hohen Messe von I. S. Bach Herr Christian Fink übernommen. Bet dieser Aufführung wirkte da- Orchester de- Theater- und Gewandhaus - ConcertS mit, da- Chorpersonal bestand auS Mit gliedern hiesiger Gesangvereine und anderen Sängern, oder wie auf dem Programm stand: „kunstgeübten Dilettanten" — eine Bezeichnung, die doch gar zu altmodisch und kleinstädtisch klingt und »ach gerade lächerlich wftd, die wir daher bei dieser Gelegen heit am wenigsten erwartet hätten. Eine sehr loben-werche Aufführung war auch diesmal (am 3. Juni) die der „hohen Messe" von I. S. Bach unter Leitung de- Herrn Musikdirektor Riedel. Auch bei diesem Werke wirkten als Sänger Fräul. Clara Hinckel und Herr WeixlS - torfer mit. Die Sopranpartie sang Frau Vr. Reclam, die beiden Baßpartien waren in den Händen der Herren Scharfe und Egli. DaS von mehreren auswärtigen namhaften Musikern unterstützte Orchester bestand auS dem Herfurthschen und einem Theil de- Riede'schen MusikchorS. Dir Violinsolt trug Herr Concertmeister Carl Müller auS Meiningen vor. Von den beiden Matinee- für Kammermusik, welche «ährend der Tonkünstler-Bersammlung gegeben wurdm, war die im Saale deS Schützenhauses am 2. Juni nur eine halböffentliche. Auch hier kamen mehrere neue Werke zu Gehör. DaS Trio für Pia noforte, Violine und Violonc.ll von O. Bach hatten wir leider wegen überhäufter Beschäftigung versäumen müssen. Alle Unheil«, die wir üb« dieses neue Werk hörten, stimmten darin überein, daß daS Trio daS Erzeugniß eines talantvallen und gründlich ae- bildeten Musikers sei und die große Anerkennung verdient habe, die ihm geworden. Daß die Ausführung deS Lrld durch die Herren Alfred Jaell, F. David und Kr. Grützmacher eine in jeder Beziehung vortreffliche gewiesen, bedarf diesen Künst lern gegenüber keine- besonderen Beweises. — Ein Werk, da un- vermöge seine- Inhalte- und seiner künstlerischen Farm sehr interessirt und angesprochen hat, ist da- Duo für Pianoforte und Violoncell von Franz Berwald. E- kam dasselbe durch dir Ausführenden, Fräulein Thegerström und Herrn Fr. Grütz macher, zu bester Geltung. — Mit nur kleiner Stimme, aber recht tüchtig und ««ständig trug Fräulein Emilie Genast auS Weimar zwei Lieder von Fr. Schubert und Lassen, so wie eine Composition de- Heine'schen Volksliedes „Loreley" von Lifgt vor. WaS letztere Composition betrifft, so haben wir unS «tt ihr trotz mancherlei Schönheiten in derselbe« doch nicht rocht be fremden können und müssen offen bekennen, daß unS die im Mund« des Volke- lebende einfache reizende Weise die duftig- Romantik der herrlichen Heine'schen Dichtuna viel entsprechend« wiederzugeben scheint. DaS einfache Volkslied verträgt oino so complicirte musikalische Illustration nicht, wie fitz.-tsUt gegeben hat; die bis über alle- berechtigte Maß hiwautzgetzenden, durchaus unmotivirten Textwiederhalungen der Lisztschen Composition