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da» Hb« erheittrn würde, brauche ich Mr nicht zu sagen, und mSglich, daß c», wenn c» sich so »deal verwirklichen ließe, wie Du eS träumtest, auch Dir zuweilen Trost geben könnte. Aber glaube mir, dieser Wunsch ist unerfüllbar. 'Zuerst ist die Hausordnung dagegen, die wohl einen Besuch, ein Sehen in Jahr und Tag, nicht aber in kurzen Periode» sich regelmäßig wieder« holende Visiten gestattet. Zweitens sprechen aber auch alle übrigen Ver hältnisse ein gebieterisches Veto gegen solches Zu sammensein. ES wäre naturwidrig, als wenn Frosch und Nachtigall znsammenleben wollten. Gesetzt ein tückischer Geist hätte zwei liebende Seelen in jene Körper gebannt, so würde alle Sehnsucht den einen nicht in die Lüfte tragen, den andern nicht in das feindliche Element des Wassers führen. So ist es auch hier bei uns: Du bist frei, bist Staats und Weltbürgerin, hast einen Namen, hast Rechte und Pflichten in der Gesellschaft, Deinem Elemente; ich habe augenblicklich, formell, tat sächlich nichts von alle Dem, ich bin der Zücht ling 157 (heißt Dasein in meinem mnemoni schen Zahlensystem) und damit Basta. Du ver stehst mich noch nicht, Du wirst verwundert fragen: ob ich mich denn wirklich für einen Geächteten, AuSgestoßenen halte und ob ich meinen könnte, daß, wenn mich selbst die ganze Welt verlassen hätte, das Deine treue Schwesterliebe bestimmen könnte? Nun, vergiß nicht, daß hier von ei nem Zusammenleben die Rede ist, und dabei tritt allerdings die Unnatur meines jetzigen Zustandes, wie er trotz Philosophie und Stoicismus, praktisch vorliegt und bleibt, entschieden hindernd ein. Mich in dieser vollständigen äußeren Erniedrigung zu sehen, würde Dir tausend heiße Schmerzen berei ten; Du würdest sie mir neun Mal verbergen, das zehnte Mal gestehen, und wenn Du sie nicht geständest, würde ich sie erratben> Deine und meine Seelenruhe würden erschüttert, unser Leid würde sich durch die Theilung nicht vermindern, sondern verdoppeln. Denke nur an unser oft so trauriges Beifammensein im Justizamte in Dresden. DaS würde hier doch nicht anders. Und dann, meine theure Schwester, wäre unser Beisammensein doch immer nur kurz gegen die Trennung. Was sollte Dir aber hier, in dem einsamen Waldheim, Er satz bieten? Wenn Du sagst: meine Liebe, so ist das eitel Täuschung Deines aufopfernde» Herzen». Ihr Fühlen kann nicht erstickt werden, ihren Aeu- ßerungen, ihrer Betätigung aber sind Fesseln angelegt. Und siehe, die Sehnsucht würde un» viel mehr peinigen als jetzt. Eben war ich im Garten, im herrlichen Sonnenschein; die Berge glänzten, die Blumen dufteten die Schmetterlinge tanzten und Himmel und Erde lachten; da wurde es auch froh « mir, und ich dachte mit heiterer Liebe an Dich, sch suchte Dich auchun^r dtm schünenGommer. Himmel und unter lieben MenschSN/aber träuerzi hätte ich müssen, hätte ich Dich al» einsame Wanderin auf den Bergen vor mir gewußt, von denen DeineSehn- sucht mich, und meine Dich vergebens anriefe. Du kannst mir vielleicht einwenden, daß ge rade ein solche» Stillleben Deinem Gemüthe Er-, quickung verspricht. Augenblicklich auf kurze Zeit, ja aber nicht auf die Dauer. Mögen Dich ost die Verkehrtheiten, oft die Schwachheiten und zuweilen die Bosheit Deiner Mitmenschen verwunden, ich gebe es zu, aber wie stärkt wie erhebt auch wieder ein hoher Mensch! Und möchtest Du Deine Hand entziehen, wo Du rathen, trösten, helfen kannst, oder auch wo Du erfreuen kannst? Und wolltest Du Deine Hand abziehen von all' den hohen Bestrebungen der Menschheit, wo auch Du eine Aufgabe hast, die nnr in der Gemeinschaft erfüllt werden kann? Woll test Du davon die Hand abziehen, nur um meinetwil len? Nein meine Geliebte, das sollst und darfst Du nicht. Sei Du das schöne Band, das mich mit der Außenwelt noch zusammenhält, sei mein lieber Tröster, wenn ich traure! sei Theilnehmeriu meiner Freuden, wenn ich glücklich bin; bleibe aber auch Freundin, Helferin, Trösterin der gesammten Menschheit, arbeite rüstig mit allen wackern Brü dern und Schwestern an de» Tagen der bessern Zukunft. Der Herr Director will Dir erlauben, mich zu sehen, komm also bald, recht bald: aber ver giß nicht, daß Du einen Züchtling besuchst und laß Dir durch Aeußerkichkeiten nicht zu großen Schmerz bereiten. Wir wollen den Herrn Dirce- tor zusammen bitten, daß er uns recht häufige- Schreiben erlaubt; dann wissen wir immer nm un ser Wohl und Weh, dann wissen wir, wo wir Verständniß, Trost und Liebe zu suchen habem Jean Paul sag«: Die Entfernung der Körper be wirkt die Annäherung der Seelen." Meine kurzweilige Beschreibung des Leben» und Treibens des zwei Wochen alten Züchtling» 157 kann ich Dir heute nicht geben, da sie kurz zu langweilig sei» würde, zur kurzweiligen Be schreibung mir aber keine Zeit mehr bleibt. Kür heute als» Lebewohl! (Fortsetzung folgt.> Vermisch t e S. Geisa, 24. Jan. Heute Nacht um 2H Uhr wurde die hiesige Stadt durch einen furchtbaren Schlag und gleich darauf folgendes Hülfegeschrei ausgeschreckt. In der Nähe der Kirche war da» Wohnhau» des in kirftigen Umständen lebenden Bürgers und Schuhmachermeisters Michael Freier- muth plötzlich ei «gestürzt, und dessen Bewoh ner waren unter den Trümmern begrabe». Der