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Anzeiger««»Elbeblatt für Riesa, Strehla «nd deren Umgegend. Wochcuschrist zur Belehrung und Unterhaltung. 76. Freitag, den 20. September 1850. Skizze auS dem Lagerleben der schleswig-hol steinischen Truppen. Ein militärischer Corresondent der Weser-Zei tung" auf dem Kriegsschauplätze giebt uns in ei- . nem feiner Briefe folgende Schilderung seines Lebens im Lager: Am südlichen Rande des Wit- tensee's, nahe bei Bünstorf, ist von einem der schleSw.-holst. Bataillone ein Zeltlager aufgeschla gen worden. Obgleich das Lagerleben dem Sol daten insofern am wenigsten zusagt, weil er darin halb der Garnison, halb dem Felde angehört, hat es doch auch seine angenehmen und interessanten Seiten für ihn. Ein regnichter Nachmittag giebt mir die Muße, Ihnen in einige» Zügen ein Bild unseres jetzigen Treibens zu entwerfe». Ein ein zelnes Zelt mißt ungefähr in Länge und Breite 24', läuft nach oben spitz zu und wird hauptsäch lich durch einen in der Mitte stehenden Pfahl ge halten. Die Zelte stehen in acht Reihen, so daß jede Compagnie eine sogenannte Compagniegasse hat. 4 Uhr Morgens stehen mit der Reveille die Köche der einzelnen Korporalschaften auf und be geben sich mit den Kesseln nach den Kochlöchern, um dort für die ganze Mannschaft den Kaffee zu bereiten. Sobald dieser fertig ist, kehren sie mit den dampfenden Eimern zurück und wecken durch den Ruf „Kaffeetrinken" ihre noch schlafenden Kameraden. Jetzt beginnt überall ein munteres Treiben, man reinigt sich durch klares Seewaffer vom Strvhstaub und setzt seine Waffen und übri gen Sachen in Stand. Um die Markedenter sam meln sich verschiedene Gruppen, Offiziere und Gemeine, um auf den Tag sich die Feldflaschen zu füllen. Um 7 Uhr wird in der Regel exercirt oder manöverirt, abwechselnd auch geschanzt; im letzteren Falle ziehen die Compagnien in weißen Hosen und grauen Jacken, mit Spaten, Hacken und Beilen bewaffnet, nach dem nördlichen Rande des Wittensee's, wo bedeutende Befestigungen auf geworfen werden. Wenn sie zurückkehren ist das Essen von den Köchen zubereitet; dieß besteht zwei Tage hintereinander aus Fleischsuppe und Reis und an jedem dritten Tage aus Speck und Erb sen. Ost wartet der Heimkehrenden auch ein von den reichen Gutsbesitzern oder Ortschaften Hol steins geschickter voller Wagen mit Weißbrod, Zuk- ker, Wein, Schnaps und Taback beladen. Die ser wird dann auf der Stelle seiner Bürde entle digt und die Sachen gewissenhaft vertheilt. Nach mittags von 5 bis 6 Uhr spielt das Musikcorps lustige Tänze und dann führen die großen Sol daten die kleine», oder umgekehrt, in Ermangel ung des schönen Geschlechts, znm Tanze. Oft wird dieser durch eine^ sogenannten „Aufzug" gestört. Mehrere Soldaten machen sich EpaulettS, Schärpen und Sporen von Stroh, binden sich ei nen großen Fahrer-Schleppsäbcl um und setzen sich auf die Train- oder Marketendcrpferde. Nu» halten sie Parade und Exerciticn über die andern Soldaten ab, inspiciren das ganze Lager und sehe» häufig durch ein langes Fernglas von Stroh. Plötzlich kommt dann eine fingirte Dragoner-Or donnanz und macht die wichtige Meldung, der Feind rücke an, worauf dann das ganze Corps unter Bivatrufen abzieht um in dem nächsten La- > ger oder Livouak eine ähnliche Scene aufzufüh- ren. Der angenehmste Moment eines solchen Ruhe tages ist aber immer der, wenn die Fourierwa- gen von Rendsburg mit den Briefen und Zeitun gen kommen, das Einzige, was inan hier zu lesen erhalte» kann. So wie eö Abends dunkel und kalt wird, werden von jeder Compagnie mächtige Wärmefeuer angezündct und dabei fällt mancher Spaß und ächt holsteinischer Witz vor. Um 9 Uhr rasselt von der Lager- und Brandwache her der Zapfenstreich, für Jeden das Signal, sich in sein Zelt zurückzuziehen. Einzelne Stimmen hört man nun noch eine Zeit lang, bald aber liegt alles im tiefsten Schlaf. Nur „der Wachen Ruf" und da gar nicht sehr harmonische Schnarchen mancher