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Anzeiger Etbeblatt fi- j! Riesa, Strehla und deren Umgegend. c_L-—- Wochenschrift zur Belehrung und Unterhaltung. A. Dienstag, den 8. Januar 1830. (Ging für die zwei ersten Nummern zu spät ein. Die Sied.) Ein neues Jahr. — Vom Zeitendome dringt Der Glockcnruf herab. Die Nacht ist düster. 'Sist Mitternacht; und um mich her erklingt Ein geisterhaft unheimliches Geflüster. Das ist der Nornenjungfraü'n*) leises Lied- Bei welchem sie die Schicksals Fäden spinnen; Und wie sie dabei reihen Glied an Glied, Also wird auch das junge Jahr verrinnen. Hu, wie der Sturm bin durch die Lüfte braust, Der Nornen Flügel fast gespenstig rauschen! Wie es mir ob der bösen Zeichen graust! — Doch möchte ich dem Zaubcrsange lauschen; Ich möchte schaun der Farben buntes Spiel, Woraus sie kunstvoll das Gespinnst bereiten! — Ha, ich erreichte das ersehnte Ziel, Und sah enthüllt das Bild der nächsten Zeiten! — Doch weh! es war kein heit'reS Lebensbild; Denn tiefe Nacht hielt ringsum es umfangen, Ein wilder Kampf durchwogte das Gefild, Und Klagelieder nur die Nornen sangen; Kein Stern erleuchtete den finstern Pfad, Die Wolken strömten Thränengüsse nieder. Der Donner rollte, und „Verrath!" „Ver- rath!" Scholl fürchterlich es von den Bergen wieder. — ') No rnen find, nach der nordischen Götterlehre, die vöttinen der Zeit und de- Schicksals. Ihre Na men find Urd (Vergangenheit,) War anda, (Gegenwart,) und Skuld, (Zukunft.) Die nordischen Dichter bezeichnen sie als weibliche Wesen, die ewig Jungfrauen bleiben; später wird ihrer zuweilen auch als Schutzgöttinnen einzelner Menschen gedacht. Anm. d«S Berf. Web! dreifach Weh! mein Volk, mein Vaterland, Daß dir die Nornen solch ein Jahr verkünden! — O, wache auf! lösch aus der ZwictrachtBrand! Vereint wirst Du den Dom des Glücks Dir gründen. — Ja, wenn die Uhr der Zeiten wieder schlägt. So zeig' sie auch der Freiheit erste Stunde; Daß dann das Echo durch die Lande trägt. Den Neujahrögruß vom deutschen Völ kerbunde! Tagesbericht. Dresden, 3. Jan. Unter den vielen Fest lichkeiten, die gewöhnlich am Sylvesterabende ver anstaltet werden, verdient ein harmloser Sckerz, der am vergangenen von einer launigen Gesellschaft auf dem Waldschlößchen getrieben wurde, Erwäh nung. Nachdem man die Abendstunden mit ge- müthlicher Unterhaltung, Quartett und Ehorgesan« ' gen zugrbracht hatte, wurden gegen 12 Uhr dl» zahlreich anwesenden Gäste durch einen äußerst komischen Aufzug übberrascht. Mit einer schwarz gelben Fahne an der Spitze, dem ein originell ge kleidetes Musikkorps folgte, trug man auf einer Bahre den mit Pracht geschmückten deutschen Kai ser durch die Säle nach dem letzten Zimmer, da mit der Ueberschrift „der Zeiten Grab" versehen war. Sämmtliche Träger und Nachfolger der Bahre trugen ungeheuere Kokarden, welche -die verschiedenen deutschen Völkerstämme repräsentirten. Inzwischen schlug cs 12 Uhr, wo von sämmtlichen Anwesenden nachstehendes Lied gesungeo wurde: Bald tönt der letzte Schlag Bon dieses Jahres Stunden, Und mancher bange Tag Ist mlt ihm überwunden. Manch treues Bruderband , - Riß der kalte — Tod — entzwei, — Doch dort im Batetlai», . ! Dort fins wir Alle f««1: - . - ' -kW.