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Anzeiger «n» Elbeblatt für Riesa, Strehla und deren Umgegend. Wochenschrift zur Belehrung und Unterhaltung. ^^81. Dienstag, den 16. April 183.A Ein kühnes Wagstück. Der NcichStagsabgeordnete Nösler, früher Gymnasiallehrer zu Oels in Schlesien, war am 18. Juni v. I. als Schriftführer des Rumpfpar laments vom Reichstagspräsidenten von Freiburg üach Würtemberg an die Reichsregeutschaft gesandt worden. Er mußte mitten durch das würtember- gische Hauptquartier und wurde dort am 3. Juni verhaftet. Rösler wurde nach der Festung Hohen- asberg abgeführt und dort 14 Wochen in stren ger Haft gehalten. Am 9. October erlangte er auf Verwendung des Ministers Römer seine Frei heit; allein schon am 28. December wurde er wieder verhaftet, und dießmal ging er einem schwe reren Loose entgegen. Man eröffnete ihm, er sei zwar in Würtcm- berg sreigesprochen, allein Preußen verlange seine Auslieferung und die Würtembcrgische Negierung sei bereit, diesem Verlange» zu entsprechen. Rös ler hatte sich an der schlesischen Bewegung im No vember 1848 zu Gunsten der Berliner National versammlung bctheiligt und gerade nicht mit der Aufforderung zu pasivem Widerstande sich begnügt, ferner war er der Militärverführung gegen preu ßische Soldaten beschuldigt, und endlich verfolgte man ihn wegen seiner Theilnahme am Stuttgar ter Parlament. Unter der Hand eingezogene Er kundigungen ergaben, daß der Oberstaatsanwalt nichts weniger als den Tod zu beantragen ge dachte, daß eine Verurtheilung höchst wahrschein lich und höchstens eine Begnadigung zu lebens länglichem Zuchthaus zu erwarten sei. Rösler ward im festesten Zimmer des Hohen- aSperg untergebracht; ein Ausbruch war an sich undenkbar, und der Aufwärter revidirte täglich Diehlen, Wände, Schlösser; überdieß war der Gefangene krank und schwach, so daß er an ei nen Versuch zur Flucht nicht zu denken vermochte. Durch frühere Verabredung war eS ihm indeß ge lungen, mit seinen außenwohnenden Freunden eine Korrespondenz anzuknüpfen, vor deren Entdeckung er sich sicher glaubte. ES wurden Vorschläge und Pläne gemacht, allein die Gefährlichkeit eines Fluchtversuchs, sowie die Bedenklichkeiten der Be- theiligten ließen das Unternehmen nicht zur Aus führung kommen. Endlich entschloß sich RöSler's junge achtzehn jährige Frau, kaum dem Wochenbett erstanden, selbst die Sache zu betreiben und auch den letz ten Rest des Vermögens und ihre eigene Freiheit daran zu setzen. Sie zog nach Ludwigsburg, eine Stunde vom Asperg, und hatte binnen acht Tagen die Sache so rasch und klug betrieben daß der Versuch unternommen werden konnte. Rös ler wurde zunächst mit Geld, Waffen und Pässen versehen. Da an ein Ausbrechen aus dem Zimmer nicht zu denken war, so konnte nur die Stunde des Spazierengehens gewählt werden, freilich am Hel len Tage, zwischen 11 — 12 Ubr, im Angesichte dreier Schildwachen, des begleitende» Unteroffi ziers und der Fenster der Ausseherwohnung. Den Gefangenen ist zum Spaziergang ein Raum von etwa 200 Schritt vor der Aufseherwoh« nnng und längs dem innern Graben, welcher zwi schen 28—30 Fuß tief ist, angewiesen. Die Tief» vom Walle bis in den äußern Graben beträgt an den meisten Stellen 30- 40, an einigen 40—50, an einer Stelle aber nur etwa 26 Fuß. Von Außen umgiebt den äußern Graben ein 15 Fuß hoher Pappelgaug. Hinter diesem Gange fällt der Bergkegel sehr steil in WeinbergSgeländen gegen die Eisenbahn und das Dorf Asperg hin ab. Nur 20 Schritte von den Festem des Aufseher« und vom Schilderhäuschen überbrückt eine hohe Bastion den inneren Graben, welcher zu Ziergär ten eingerichtet ist, und in welchen von der Ba stion aus eine kleine Garteuthür und Gartentrepp»