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Zn Nr. I«S. Sonnabend, den 14. April. KiVvir. Der angeheiratete Ofen. Der Herr Gbersekretär Rundlich war ein aus gezeichneter Beamter. Er lebte genau nach dem in seinen Kreisen üblichen Grundsätze: „Der Bureaukrat tut seine Pflicht, von neun bis eins, mehr tut er nickt I" und dabei befand er sich sehr wohl, wie die Maurer mit dem Glockenschlage zwölf das Seil loslaffen, daß der mit Kalk gefüllte Eimer ans halber Höbe blitzschnell wieder in die Tiefe saust, und die eben frisch gefüllte Kelle in das Faß zu rückwerfen, so pflegte auch der Herr Gbersekretär Rundlich sich einige Minuten vor eins zum Gehen fertig zu machen, die Feder mit einer wohltuenden Umständlickkeit auszumischen, bei schlechtem Wetter die Gummigaloschen anznziehen und Hut und Stock oder Regenschirm parat zu halten, um, noch che die Uhr die erste Rachmit'agsstunde ousgesummt hatte, die Tür zwischen sich und die Stätte seiner beschaulichen Wirksamkeit zu legen. So war es von jeher gewesen und der Herr Gbersekretär hatte nicht das mindeste Interesse daran, den Stand der Dinge zu ändern. Jede Reuernng hätte ihn nur verwirrt, überhaupt ver wirrte und ärgerte de» Herrn Gbersekretär alles, was er nicht auf einen „früheren Fall" znrücksühren konnte. Er verstand cs meisterhaft, Drucksachen zu gebrauchen, deren Abfassung um Ewigkeiten rurücklag, und sich unter Bezugnahme auf alte Akten und ministerielle oder stadträtliche Rund schreiben aus den verzwicktesten Fällen heraus- znwinden. Der Herr Mbersekrctär kannte, ohne sich zu irren, die Höhe, Breite und Zahl der hori zontalen und vertikalen Kolumnen seiner Bücher und wußte die minutiösesten Formeln abzufaffen. Er hatte ganz bestimmte Anschauungen über sein Recht auf Urlaub, seine Vorrechte beim Aufrücken in die höhere Stellung eines Kanzleirates und über die Länge der Frühstückspause während seiner Bureaustunde». Darüber hinaus durfte man nichts von ihm verlangen. Er wollte davon nichts wissen. Jeder Schritt in seinem Lebe» war vorbedacht und festgelegt, sein ganzes Sinnen (eine sehr bedeutende Anstrengung) darauf gerichtet, bei möglichster Be schaulichkeit die würde des Amtes zu wahre». So stand denn der Herr Vberjekretär Rundlich auch eines schönen Tages am Fenster seines an genehmen Zimmers, dessen mächtiger Gfen eine geradezu afrikanische Hitze ausströmte, obgleich es nicht eben kalt draußen war. Ls hing das mit dem Kalender zusammen und war auf der Eisen bahn ebenso: vom f- Oktober bis mit Zf. März wurden die LoupLs geheizt. -Dies war sehr praktisch insofern, als man gleich wußte, ob man nötigen falls im April bei noch nachträglich sich einstellenden kalten Tagen den pelz uiitznuchmen hatte, denn mit dem April hörte das Heizen eben einfach auf. Es herrschte also, wie gesagt, eine Affenhitze in der Stube, Rundlich stand am Fenster und schaute mit Interesse auf dir Straße hinunter, dabei in Unruhe die gebenedeite Stunde erwartend, die den Schluß seines Dienstes ankündigte und schon im Geiste im Genuß seines Mittagsmahles, Schweins- knochen nnt Klößen, schwelgend. Die Uhr zeigte auf drei Minuten vor Lins. Da klopfte es be scheiden an die Tür. Ans das nicht gerade sehr wohlwollend klingende „Herein" Rundlichs betrat ein freundliches Männ chen das Bureauzimmer. „Sie wünschen?" „Ach, entschuldigen Sie, Herr Gbersekretär, „ich wahr, der Rat hat das Grundstück Ecke Roßplatz und Kuhgasse anf'n Abbruch gekooft?" „Jal" Line Minute vor Lins. „weil die Elektrische so nahe a» der Haustür vorbeigeht und dort emal e Unglick passieren kennte?" „Ja, jal" Zwei Minuten nach Eins. „Legcntlich is das schade um das sckeene Haus; uff der Zinngasse liegen de Schienen Neis geharnischte Sonetten in mrglichster Gemietlichkrrt ykdicbdct vom jetzige» Renndier Diekgen in Drüsen. »085. Oster n. Solllob! Der lvlnäer, äer kee lvinäer war, Unä äoch nirchl vesr'rez oock, hat sich emblohlen, Ihn konnäe ja schon längs! äer Kuckuck holen, Venn ieberllirsig war er ganr unä gar! Der kinke schlägt. vom Siebe! bleill äer Lchäasr, ver Knabe 5riehling kommt auf flinke» Sohlen Unä aller criebrinn Hst sich lorlgeschäoklen, Selbst äer bolil'sche Himmel is kibrch klar. von Mgerirar i» nicht mehr äie Keär, ke Mdäruck ir vom Herren uns genommen Unä fröhlich grient äer Zriräen; Morgenröäe. So ir unr Orlern äobbelt äenn willkommen, — Doch äarr nicht gar ru laut äer rreiäemul, Schbeit 5eier auf äie Menrchhert äer veruv l noch näher an de Häuser lang, da kann mer gleich in de wagen neinfolleu, wenn mer mal wo raus- geschmissen werd, und aus der Hopfengaffc erscht, hcernse, Herr Gbersekretär, da is es nu ganz lebensgefährlich. Ra, Sie wissen doch selber, wie viel Malhör dort schon passiert is." Acht Minuten nach Lins. Rundlich wurde es bänglich zu Mute, «ngesähr wie einem Kolibri, der eine Lo» consirictor auf sich zukommcn sieht. „Ja, ja, ja!" stöhnte er mit einem Jammerblick auf die Uhr, an der der große Zeiger sich bereits über die Zehn hinaiisaeschobeu hatte, „was wünschen Sie denn nun eigentlich?" „Ich wohne nämlich in dem Hanse und in dem eenen Ofen, der im Mittelzimmer links, wenn mer reinkoinmt, in der Ecke steht, is cnne sehr scheene Tiere an der Röhre, die mechte ich gerne mitnehm', der Bfe» is nämlich eegentlich so halb und halb meine." Lin viertel auf Zwei! „Ihre?" „Ru ja, seh'n Se, Herr Gbersekretär, mei seliger Gnkel — nee, entschuld'gen Se, meiner seligen Frau ihr Gnkel — nee, ooch nicht, meiner Frau ihr seliger Gnkel, nu war'sch richdig, hat den Gfen zusammen mit dem Hauswart setze» lassen"... „Ra, da geht Sic doch der Gscn eigentlich gar nichts an" . . . „Entschuld'gen Se, Herr Gbersekretär, o jah — der geht mich wohl was an, denn meine Fra», das is doch de Richte von meinem Gnkel, nee, von ihrem Gnkel, und da is das, was man so sagt, e angeheirateter Gfcnl" . . . Die Uhr hob zu halb Zwei ans. Run aber hielt cs den Gbersekretär nicht länger. Er hatte im Geiste schon lange die Schweinssüße zu Gallerte und die Klößer zu Brei werden sehen. „Ein angeheirateter Gfen, das ist doch der pure Blödsinn, so was habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört," fuhr er das ganz verdutzt vor ihn» stehende Männchen an, „machen Sie, was Sic wollen, aber lassen Sic mich vor allem nun in Frieden." Damit griff er »ach Hut und Stock und warf die Tür hinter sich zu. Die Uhr zeigtc v i e r z i g M i n u t e » u ach Li n s. Auch das kleine freundliche Männchen ging. Und weil der Herr Gbersekretär gesagt hatte, er solle machen, was ec wolle, nahm er beim Auszug nicht bloß die schöne Türe, sondern gleich den ganzen Gfen mit, den dann beim Abbruch wahr scheinlich auch niemand werter vermißt hat. Beinahe dreiviertcl Stunden über die Zeit war der Herr Gbersekretär noch niemals auf seinem Bureau gewesen, was das Publikum aber auch heutzutage alles von einem Beamten verlangt. Unerwartete Replik. Verteidiger (zum Angeklagten): „Seien Sie froh, daß man Ihnen mildernde Umstände zngebilligt hat; mehr war nicht zu e-reichen, obwohl ich für Sie — das müssen Sie doch zugeben — gesprochen habe, als ob Sie mein eigener Sohn wären!" Angeklagter: „So, ist das auch so'» Lump?" Optimistischer Dichter. A. : „wie steht's mit Deinem neueste» Drama?" B. : „G, ich danke, — es macht sich.' A: „Schon ringercicht?" B.: „Ja, — und diesmal wies der Direktor bloß stumm nach der Türe."