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Dresdner Nachrichten : 22.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189901221
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990122
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990122
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-22
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 22.01.1899
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Seite IO. BeUctriittsche SountagS-Betlage z» den „Dresdner Nackrichtcrr". fLrv Sie ZlrnrrenrVett. Die Korsetfraye t Artikel, den wir mit gütige: Zöllner, rum Abdruck drin Merkspruch: Wird erst der Schmerz Dein Lehrer, Dann stehst Dn's trauernd ein: Ein schweres Herz ist schwerer Als eine Last von Stein. Frida Schanz. Vom ästhetischen Standpunkte. Diesen tiger Erlaubnis Lee Verfasserin. Frau Klara Znmpe- zum Abdruck dringen, erschien zuerst in der „Deutschen Frauea- ^amg". ES ist lobend anzuerkenuen, dag sich dieses in ganz Deutschland verbreitete Organ seine volle Objektivität in Sachen des Korsets gewahrt bat, und dementsprechend auch urtheilt: Doch hören wir die Verfasserin tzlbst . „Die Frage: Korset oder weiches Leibchen? bewegt einen groben Theil unserer Frauenwelt. Sie hat viel Berechtigung angesichts der sich mehrenden Frauenleiden. Ihre Lösung wird vielfach schon seit Jahren cmge- strebt, das beweisen die mancherlei auftauchenden Gesundheits-Korsets und Büstenhalter. Der nicht zu leugnenden Nothwendigkeit, etwas gegen die hergebrachte, oft bis zur Abnormität ausgeartete Form einzelner Thelle unserer Kleidung zu thun, steht die Gewohnheit d« Menge entgegen. Wir sind ge wöhnt. dre weibliche Figur nach eurem bestimmten Schema zu sehen. Sic mutz gewisse, unseren Augen geläufige Linien innehalten, um uns zu gefallen. Datz diese Linien dem wahren Schönheitsideal nur zum Thcil entiprechen, machen sich die Wenigsten klar. Dre Linien, die wir zunächst ziehen und die mit den natürlichen wid deshalb schönen in direktem Widerspruch stehen, sind die der sogenannten Taillenlünge von der Achselhöhe bis zum Gürtel. Jrn natürlichen Zustande ist diese Linie fast senkrecht, »irr ein wenig nach innen gebogen, wir aber ziehen sie ss schräg, daß der Tailleiischnitt sich scharf mar- nrt, während er in Wirklichkeit nur leise angedentet ist. Ebenso ist es mit der Linie vom Halsarrsichiriü bis zum Gürtel und eine Hand breit darüber binares, der sogenannten vorderen Taillenlünge. Es würde ein Kleid für sehr unschön gelten, wenn es die Erhöhung über dem Blagen (vulga Herzgrube», die bei gut genährten Personen stets vorhanden ist, sehen ließe. Diese Linie mutz ebenfalls wieder um zwei bis drei Eeirtimeter nach innen gehen, damit die Linien der Büste voller hernuStreten. In Bezug auf Letztere deckt sich das moderne Schönhcitsgefüchl mit dem antiken — oder sagen wir lieber, mit dem natürlichen. Hier treuen wir aber auch aus eine besonders schwache Seite deS den Wandlungen der Jahre unterworfenen Weibes. Wandlungen, die aufzuhalten es kein Mittel giebt, denen Jedes unterworfen ist. Wenn uns von Äesthetikern und Aerzten die Venus von Milo als das einzig schöne Frauenbild mit wahren natürlichen Formen vorgeiührt wird, fühlen wir uns sehr zerkniricht, daß wir diesem Ideal so wenig entsprechen. Dabei bedenkt kaum Jenrand, daß diese in ihrer ganzen entzückenden Erscheinung ein Alter repräsentirt, in welchem die meisten, von der Natur nicht stiefmiittcrlich be dachten Frauen ohne Belleidung einen ähnlichen Eindruck machen würden. Es sind die knospenhast frischen und festen Formen, welche die Göttin in ewiger Jugend zeigt und die uns als einzig schön erscheinen. Leider vergehen diese Attribute der Jugend bei den armen Staubgeborenen nur allzu schnell. Aus der Jungkau entwickelt sich die junge Frau und Mutter und diese wird endlich zur Matrone. Und auch diejenigen, welche ihre natürliche Bestimm ung nicht erfüllen konnten, müssen der Zeit ihren Zoll entrichte». Jede aber möchte so lange wie möglich die Zeichen der Jugend festhaltc», und wenn sie Vergangen sind, Vortäuschen. Als nächstes Mittel zu diesem Zwecke dient mit vollem Recht das vielverläsiert« Korkt. Unsere Augen werden beleidigt von den zerfließenden Formen einer üppig gewachsenen Frau, welche ohne das schützende Korset einhergeht. Was beim Tragen eines solchen in leidliche Form gezwängt wich, ist weiches, lockeres Fleisch, bei dem der Zwang nicht allzuviel Schaden anrichtet. Das AuSeinandergehe» der Formen wird im zunehmenden Alter immer stattfinden, wie es schon stattgefundcn zur Zeit, als die Venns von Milo geschaffen wurde. Wie wir es heute als unschön em pfinden und nach Kräften zu verbergen suchen, so empfanden es auch die Griechen und Römer als unschön und verbargen es mit viel Geschick und gutem Erfolg. Schon im Alterthum trug nian feine Lederbindrn, um die Küste zu stützen, und nur jugendliche Personen zeigten sich mit theilwcis ent- blötztrm Oberkörper. Matronen hüllten ihn so geschickt in weite faltige Ge wänder, daß man weder von dem Verfall der Formen, noch von ihren Unter stützungsmitteln etwas gewahr wurde. In jeder Sammlung antiker Skulp turen kann man sich von der Wahrheit des Gesagten überzeugen. So schön uns diese Bilder auch anmutheil, so wenig können sic uns als Vorbilder dienen. Tunika, Palla und Pepton paffen nickt in unsere modernen Verhält nisse. ^Klassische Geberden" konnte wohl die von Sklaven in jeder Weise be diente Römerin oder Griechin ausfichren. Die sich selbst und andere be dienende Frau von heute mit ihrer lebhaften Beweglichkeit braucht andere auf fester Grundlage gearbeitete Kleidung. Jede Tracht entwickelt sich aus den Verhältnissen heraus, und hat somit ihre Berechtigung. (L-hluh D-,Eag.) geschmacklos, so daß es dem armen erwählten Opfer ohne jedes Auffallen leicht beigebracht werden konnte. Im Innern des Menschen aber richtete es zwar langsam, aber mit unfehlbarer Sicherheit sein grausames Vernichtungs- Werk an, so daß, je nach der Natur des betreffenden Opfers, in längerer oder kürzerer Zeit der Tod bestimmt eintrat. Als die Toffana merkte, dag auch in Neapel von der Justiz aus ans sic gefahndet wurde, flüchtete sie in ein Kloster, in welchem sic allerdings für einige Zeit Schutz und Unterkommen fand. Als sie nach einem Jahre sich wieder sicher glaubte, sing sie von "Neuem an, ihr ruchloses Geschäft zu betreiben, und fiel mm endlich doch der Justiz in die Hände, welche bald eiir erdrückendes Beweismaterial gegen sie angeiammelt hatte, so daß sie einsehen mußte, daß ihr Spiel ein verlorenes sei. Unter diesen Umständen legte sie denn auch ein offenes Bekenntniß ab. und gestand, ungefähr 6000 Menschen, ohne deren Wissen und Willen zum Tode befördert zu haben, wie sie auch in ganz Italien Helferinnen gehabt habe. Natürlich hatte sie sich ihre Hilfe nur mit Gold anstviegen lassen, so daß man annehmen mußte, daß nicht arme Leute zu ihr gekommen waren, um irgend welche „un bequemen Personen" unbemerkt aus dem Leben gehen zu heißen. So suchte man denn auch nicht vergeblich in den Kreisen des höchsten Adels nach den Abnehmern des entsetzlichen Giftes, und das Ergebniß dieser Enthüllungen war ein so schauerliches, die angesehensten Familien kompromittireudes, daß Kaffer Karl Vt., unter dessen Regierung der berüchtigte Prozeß gegen die Giftmischer»! geführt wurde, gebot, daß nach der Verurtheilung aller Bc- theiligten sämmtliche Akten darüber vernichtet werden sollten, was denn auch geschehen ist. Die Erfinderin aber, Monna Toffana, die durch ihr schreckliches Gist zur Mörderin von Tausenden geworden war, ohne nur ein einziges Mal Mitleid mit einem ihrer unschuldigen Opfer Kerker durch Henkershand erdrosselt. zu fühlen, wurde 1720 in ibrem L> L. rvaruin Verschenkt bat Gott viel Seligkeit, Bedacht sind alle Herzen: Warum nur schus er auch das Leid? Wozu die viele» Schmerzen? In tausend süßen Wonnen schwelgt, Was Odem bat und Leben — Das Glück jedoch verweht, verwelkt, Und's Leid blüht gleich daneben. Verklärt ist heut' Dein Angesicht, Dir lachen gold'ne Stunden -, Doch morgen — ob verdient, ob Nicht — Schlägt Dir das Schicksal Wunden. ' ws-.n? Das anzeschost'ne Nehlein hink Zum Bach im Bucbenschlaze, Und ernst in: dunklen Wald verklingt Der Nachtigall Gelinge. Sckeu zieht sich in sich selbst zurück Die schüchterne Mimose, Und, ach, wohin entschwand das Gluck Der liebeskranten Ross? Sogar der scheinbar toste Stein Kann Herbes Dir erzählen . , . Ich sage: Leid und Schmerz muß sein, Zur Läuterung — der Seelen! W tthclir. Resset. rrösselspt-ung. Monna Toffana. Im Jahre 1709 wurde die Justiz auf eine Person aufmerksam, die von Palermo nach Neapel geflüchtet war, und daselbst sehr bald den heimlichen Besuch des vornehmsten neapolitanischen und römischen Adels erhielt. Man forschte lange im Stillen nach dem Zwecke dieser ge- heinmißvoll« Besuche, und suchte die in diesen Kreisen sich mehrenden Todes fälle,, die untereinander von erstaunlicher Gleichheit waren, damit in Einklang zu bringen, welche Kombination sich denn auch als richtig erwies. Die be obachtete Person, eine hagere, gelbwangige Italienerin, nannte sich Bi an na Toffana und war die Erfinderin eines Giftes, welches unter dem Namen ^Toffcma-Wasser" in den beiden lctztvergangerien Jahrhunderten zu trauriger Berühmtheit gelangte. Es war^pöllig wafferhell und klar, sowie gernch- und an lie- nehmt ern- mit der Brust psun- deS ben- res für eher dm stöhn heut er er- hin bei Wei- ent- ih- keit g?- Blum- Iah- eu- Mor- wohnt li- gen schön- bar- srenr ^ nacht ! da- rer sind weiht chen euch st- gm re gend- treu be 2or- das Dank- Herz sel- sie Lust gl. dar Stun- was Müh ein in Lie- dm doch und Lick g- da« Lösungen der Aufgaben in Nr. 1(5 (1898-, 1 u. 2 ((899): Erlangen. — Puppe. -- Niese. — Hermelin mantel. Nichtige Lösungen sandten ein: Frida und Felir Meijchner, Bertha Müller, Ella Noack, Gertrud und Frloa Inchofs, Otto Ltppner. Jda Gottschling, Margarete Held, Richard Ulbricht, Gertrud Bernstein, Gustav Janke, Elia und Johannes Ludewig, Ernst und Bertha - . Dresden. A, Kot' ' und Emma Strei. und Richard Win^.'r in Metz . . Hritzich, Fritz Corner, fänuntlich in tzsch in kürschwltz, Emma Mbnch tn Hirschfeld Kora Marx in Grw'.ma. Jda G oldmann st'le in Großrlicke...wald?, Friedrich ^'.ode: c. , o.ife Krad ^ Önndr-dübet ichnert, Johanna Feuereiflen, Margarete uh in Hirschfeld § Aelketrillische Sonntags-Anlage M de« „Sres-iier Nachrichten". Mo. LO. Sonntag, den 22. Januar. L8SV. Die chinesische Mauer. Roman von Marie Bernhard. (Fortsetzung.) Ein Seufzer dehnte Wulfien's breite Brust. „Frag mich dann lieber!" stieß er ungeduldig heraus- „Wie Du willst. Gleich also die Hauptsache: Warst Tu glücklich?" „Ja — und nein! Ich liebte meine Frau und hätte glücklich sein können, ich wurde aber zu bald eifersüchtig!" „Lag das in Dir, oder gab sie Dir Anlaß dazu?" „Beides! Sie wurde sehr gefeiert, die Männer waren wie toll nach ihr, und ihr machte das Vergnügen : sie konnte ohne Anbetung nicht sein. Anlage zur Eifersucht war ohnehin m mir, und sie bekam überreiche Nahrung!" „Gingst Du nicht auf Reisen mit ihr, um sie zu zerstreuen?" „Das that ich, aber unterwegs war es noch weit schlimmer, als daheim. Besonders anziehende, klugen Frauen gefährliche Männer waren nicht um Wulsshagcu herum, cs war da mehr das allgemeine Element der Anbetung, was sie umgab. Aus Reffen tauchten Persönlichkeiten ans, die fesselnd gemig waren, um meine Eifersucht wach zu rufen. Ich hielt cs nie lange an einem Ort aus, sie mußte ihren Hofstaat sehr oft wechkln." „Litt ihre Stimmung darunter?" „Sehr! Sie, die anier Fremden die temperamentvollste, sprühendste Konversation machen lonnte, ging halbe Tage stumm mit mir hemm, well ich selbstständig meine RciscdiSpositioiici! traf, ohne ihre Wünsche dabei zu be rücksichtigen. Eie ließ sich bann auch weder durch Bitten, »och durch Ge schenke, noch durch die größte Liebenswürdigkeit von meiner Seite ver'öhnm; ihr Wille sollte geschehen und nicht der meine!" „Bevorzugte sic eine ganz bestimmte Klaffe von Männern?" „Leute vorn Tbeater — ja!" Die Antwort kam sehr widerwillig nnd erst nach längerem Zögern. „»tonntest Tu denn das nicht verhindern?" „Wie sollte ich wohl? Wenn wir ani dritten Ort mit den Leuten znsaminentrafen und sic sich uns höflich näherten, hatte ich keinen Grund, sie schleckt zu behandeln Wollte mir die Sache nicht langer gefallen, so reisten wir eben ab." ^ „War Deine Gattin eine gute, liebevolle Mutier?" „Sie war enttäuscht, doch wir eine Tollster bekommen hatten, sie hatte sich einen Knaben gewünscht: ich ebenso! Wir batten große Pläne in Bezug auf den Solm entworfen sein Name, sein Crziehnngsgang. Alles war schon bestimmt. Das Mädchen wurde uns mit der Zeit ein Spielzeug, das man vornimint und bei Seite legt, je nach Belieben!" Pernvczewsti schüttelte mißbilligend den Kopf. „Das nenne ich eine sehr ickleclste Art. hohe und heilige Pflichten auf- zumffcn! Du wirft vielleicht denken, wir, meine Frau und ich, babcn kein glanzendes Resultat erzielt niit nnkrer Erziehungsmethode; aber eine Methode hatten wir! Wir thaten unser Bestes nnd haben unsere Kinder niemais als ein Spielzeug angesehen," „Für mich," sagte Wulfsen bitter, „kam das Kind erst in dritter und vierter Linie. Bei mir dreiste sich zunächst Alles um die Frau. Wenn dies eine Sünde, eine Ungerechtigkeit war den Trost kann ich Dir geben, daß sie sich bitter an nur gerächt hat!" „Ihr hattet dann noch ein zweites Töchterchen!" „Ja, drei Jahre nach dem ersten Mädchen. Kurze Zeit darnach wurde uns die dritte 'Lockrer geboren, die aber schon nach wenigen Tagen starb. Wir waren damals schon oft sehr unglücklich mit einander. Meine Frau hatte ein paar Jahre hindurch nicht reffe» töimen, was sie sehr verstimmte. Die Kinder waren ihr, so lange sie sein klein waren, nur eine Last, die sie un geduldig crbschüttelte: im besten Fall, wie ich schon sagte, ein gelegentliches Spielzeug. Außerdem fürchtete sie. die Geburt jedes Kindes stetste ihr Jahre der Jugend und beeinträchtige ihre Schönheit. Unser zweites Kind erkrankte einmal sehr heftig, als es kaum zwei Jahre all war: der Arzt sagte, es ginge um Tod und Leben. Jlka bat sich gar nicht um die Kleine bekümmert, sie überließ sic der Bonne, bat nickt einmal während der Krisis neben ihrem Bett gesessen!" PernnczewSki unterdrückte mit einiger Mühe einen Ausruf der Entrüstung. Er war eine weiche Natur und ein sorgsamer, zärtlicher Vater. Die vielen Nächte fielen ihm ei», die er, sammt seiner Gattin, im Kinderzimmer am Krankenlager seines Nicolas, seiner Katia durchwacht batte. „Entschuldige," sagte er zuletzt tu etwas brüskem Ton. „weckte diese That- sache Dick nicht endlich etwas unsanft aus Deinem Licbesrcnffch aus?" Wulfsen schickte einen düsteren Blick zu ihm hinüber. . Ich fand es unrecht, ich fühlte mich oft sehr unglücklich — aber " Mit einem jähen Ruck fuhr er aus seiner zusammcngestlnkenen Stell-, ung ans. „Wozu das Htnschleppen, das tropfenweise Hcraussickern? Wir hatten lange daheim bleiben müssen, nun endlich gingen wir wieder auf Reisen, ... noch nicht volle acht Jahre war ick vccheirathet. Jlka war wie eine Gefangene, die jahrelang im Kerker gesessen nnd sich glühend die Freiheit ersehnt hat, Lebensdurst brach wk eine mnbkm gebändigte Flamme aus ihr heraus, es war eine Leidenschaftlichkeit ohne gleichen in ihr. Wir waren im Haag, dam» in Brüssel, sie wünschte sich, die Stätten wiederzusehen, wo sie ihre erst« Jugendiahre verbracht hatte. Außer diesem Wiedersehen feierte sie noch eine-, das beißt, ich wußte damals nicht, daß cs ein Wiederschen war." Eine schwüle Pause. Des Barons Gesicht sah so drohend auS, daß sei» Freund es nicht wagte, eine Frage dazwischen zu werfen. „In Brüssel gewllte sich ein Herr zu uns, ein Schauspieler, nicht be sonders berühmt, nicht besonders schön, auch kein besonderer anziehender Gesellschafter. Männeransichten und Weibergeschmack treffen za in solch« Punkten selten zusammen. Tie Frauen, die es uns anthun, finden bei ihres Gleichen fast irre Beifall, und was die Weiber reizt und hinreißt bei dm Männern, bleibt unsereiucm meistens ein RLthsel. — Nun, wir gingen von Brüssel nach Paris, nnd er folgte uns nach, wir traf« dort mit dem Graf« Oswald nnd der Gräfin Stephanie zusammen; der Graf war bedenklich er krankt, mußte sich einer gefährlichen Operation unterzieh«. Ich besuchte ihr oft, meine Gegenwart that ihm wohl, ich nahm mich der Gräfin an, die sehr betrübt war und all' ihre kleinen Eitelkeiten ausgegebm batte, Ihre Söhne dienten bei der Garde, die Tochter war verheiratyet, die Gräfin hatte Niemand in Paris als mich. Es freute mich, ihr nütz«, den .Kranken aufhcttern und pflegen zu können. Jlka betheiligte sich nicht viel daran, sie hatte neue Bekanntschaft« angekuüpft, die sie sehr in Äiffpruch nahmen, und Kranke konnte sie nicht um sich haben, das wußte ich ja ans Erfahrung. — Die Operation beim Grasen war gelungen, darnach aber stellte sich ganz un erwartet ein verschlechtertes Befinden, große Schwäche ein. Dre Acrzte thaten. was sie konnten, die Gräfin und ich wacht« Tag nnd Nacht bei ihm, die Pflege war die denkbar sorgsamste. eS half Alles nichts. Der Tod mm und nahm der Gattin den Gatten, mir den einzigen wahr« Freund, den das Leben mir außer Dir zugesührt hat. T ie Gräfin war verzweifelt, ich durfte, bis ihre Kinder einrrafen, an die telegrapdirt worden war, nicht von ihrer Seite weich«, sie hätte sich, fassungslos wie sie war, ein Leid anthun können. Ich beschloß, ber ihr zu bleib«, bis die Nächstliegenden Pflicht« erfüllt, bis ihre Söhne ihr zur Stütze herbcigeeilt ivären. Ich hatte Jlka mehrmals Botschaft geschickt, Jvic es stände: zu mir lass« konnte ich sie nickt, da die Gräfin mit keiner Silbe geäußert batte, sie wünsche ihre Nichte zu sch«. Bon Neuem schrieb ich au meine Frau, thcilie ihr das traurige Ercigniß mit, ebenso meinen Entschluß, bei der Wittwe zu bleib«, bis die Söhne cinträfen. ermahnte sie, sich ruhig zu halten und legte sie ihr« neu« Bekannten, die sie schützen und ihr Gesellschaft leisten sollten, an's Herz. — Das war ganz verlorene Liebesmüh', sie brauchte keinen Schutz, auch keine Gesellschaft! Tenn während ich mit der Gräfin neben dem Sterbebett kniete und der Bischof dem in den letzten Zügen liegenden Mann die Sterbesakramente reichte, während die Wittwe vcwußtlos in „reinem Arm lag und hundert Pflicht« auf mich cinstürmtcn, war Jlka mit dem Schauspieler verschwunden, davongclauf«, wie eine Dirne! — Das war meine Ehe!" Der Baron hatte rascher, immer rascher gesprochen, so daß Pernycrcwski ihm kaum noch zu folgen vermochte. Die Augen glühten ihm im Kops, das volle weiße Haar sträubte sich wild und zerwühlt um die gewölbte Stirn, die Lippen zuckten. Er goß den Wein so hastig in sein Glas, daß daS weiße Lamastgedeck naß nnd fleckig wurde, dann Kant er ans, goß von Neuem ein, trau! wieder aus. und so fort, bis die dritte Flasche geleert war. Dem zu- sckarrcnd« Freunde griff es wie mit kalter Hand än's Herz, jetzt verstand er Wulsicn's Ausspruch, er sei, ebenso, wie ein scharfer Raucher, in dies« Jahren auch ein scharfer Trinker geworden! „Das Nachspiel, das mochtest Tu auch noch von mir erfahren, was?" fuhr der Erzähler mit einer heuern«, höhnisch klingenden Stimme sott. „Dir soll Dein Wille geschehen, Hab' ich so viel schon von meinem pikanten Roman zum Besten gegeben, so kannst Du auch das Weitere erfahr-«! Mir leider, was unmittelbar, nachdem ich Dir die soeben mitgetheilte interessante That- sache erfahren hatte, mit mir geschah, das kann ich Dir beim besten Willen nicht mittheilen, denn ich weiß es selbst nicht! Es brach eine Gehirnhaut entzündung bei mir aus, die um ein Haar die menschliche Gesellschaft eines so wichtigen Mitgliedes, wie ich es bi», beraubt hätte. Aber nein! Das Schicksal muß mich wohl noch zu besonders großen Dingen auserseh« baden, denn ich erholte mich allmählich in einem der vortrefflich« groß« Pariser Krankenhäuser, wo sie mich hingcbracht hatten. Nicht mal verrückt war ich gcivordcn I — Im Krankenhaus hatte ich dann die schönste Zeit zum Nach denken, denn zum Handeln war ich für's Erste zu schwach. Nicht Hand, nicht Fuß rühren können, und die Gedanken, die kommen und fallen über Dich her. wie ne losgelaffene Horde wilder Bestien und lassen sich nicht abscbüttelri. und zerren Einen hierhin und dorthin, und zeig« Einem die Zähne: Hast Du denn damals das und das nicht gemerkt? Und bei jener Gelegenheit, wo waren Deine Augen und Ohren, Ivo war Deine ewig wache Eifersucht, daß nichts Dich gewarnt bat? — Und Du möchtest wie ein Besessener, wie ein Teufel aus dem Bett springen und rennen, lagen bis air der Welt Ende, bis daß Du sie gefunden hast und über sie kerfallen kannst, ihr ihre roth«, gold- gleißelweir Locken um den weißen Hals schling« und sie daran erwürgen, und lieg» da, hilflos, wie ein kleines Kind, und wenn Du blos einen Tropf« Wasser trinken willst, mußt Du ein Weib mit einer weißen Haube bitten, daß sie kommt und Dir den Kops hebt! Daß diese schöneir, nwrdlnstigen Ge danken meine Genesung nicht eben! beschleunigte,!, wirst Du Dir leicht Vör stetten können i immer wieder kamen die Fieberpöantasien zurück, und dir
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