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-9. Jahrgang. AK S22 Menö-Ausgabe Montag» 12. Juli 1928 Drahtanschrift, Nachricht«» Dr«d«». F»rnspr«ch»r - Samm«dnmrm»r: SS S-41. Nur für Nach«o«iprSch,i SO 011. Gegründet 1838 »»" l. dt, Ib. Juli l»LS d»> chaltch »weimalia« Juitrllun» >r»> ,,uu» Polw«LUg»preld iür Monat Juli 3 Mar» odn» PoiizuN«Uunj,»g«»üvr. Liu„l»»»»»r lii Vlruui,. Dt« Lnzeiarn w«rd«n nach Soldmar» d«r»chn«l, di» »inipallia» 30 mm breite silnioicron/^roiii»» 2*0« 30 Mn., «tir au««Lrt, 3S Psg. Jamilienanzeigen und Slellrnaeiuch« ohne ^MgLlZLlt-PtLIsL» Nadatl 10 Mg- aunrrdalb 20 P!g., die 20 mm breit« Reklamezeil« ISO Pta. nusierbalb 200 Pla. Ols«rlengedübr >0 Psg. Au»w. Aufträge negen DorauibeAanl Schrtftt«t»una und Lauplgeichäftaltell«: Marir»lte«I>i üiS/42. Druck n. v«äag von Uie»s» » ««tckardl m Dr««d«n. Poftlch«ck.K«nlo 1OSS Lr»»a»». Nachdruck nur mli deutlicher auellenanaad, .Dresdner Aackr "' culitMa. Unverlangte SckrtftttUck» werden n,ch> autdewadrt. „Kmtttlch «O sich sM sjellm!" Bittere Wahrheiten aus dem Munde des französischen Finanzdiktators. Revolution ln Albanien. - Drohungen Mussolinis an -ie Schweiz. — Weilers Explosionen im amerikanischen Zenlralmunilions-epol. Eine Ae-e Ealllaux'. Paris, 12. Juli. Bei einem ihm zu Ehren in seinem Wahlkreise veranstalteten Bankett hielt Finanzminister Caillaux eine Rede, in der er erklärte:. ES gibt im Leben eine- jeden Volkes Augenblicke, in denen es notwendig ist, Männern, die die Verantwortung sür die Regierungsgeschäfte tragen, die nötigen Mittel zu gewähren, damit sie für das Wohl ihres Landes wirksam arbeiten können. Die Parteien müssen in diesen Zeiten ihre besonderen Ziele zurückstcllen. Wenn, Frankreich sich nicht aufrasst, wirb eS sehr schwere Stun den durchznmachen haben. Ich bin der Ansicht, haß der Fran- ken mehr wert ist, als er an der Börse notiert wird. Aber es hängt von dem Willen der Franzosen selbst ab, ob sein Wert znnehmen wird. Frankreich muh sich selbst helfen. Dann wirb ihm das Glück wieder günstig werden. Die Verhandlungen in London. Optimistische Nuffassnna der Pariser Presse. Paris, 12. Juli. In dem Abkommen, das Caillaux in London, unterzeichne» wirb, sind nach Angaben besonders des „Petit'Parisien" und des «.Matin"' sämtliche Wünsche Frank reichs verwirklicht: Moratorium, Transfer und Sicherheitsklausel. Nach dem «Matin" ist zwar die DurchschnittSannuität von 12,3 Millionen Pfünd nicht ver mindert worden, doch ist für die ersten Jahre ein Abschlag auf dt« Hälfte gewährt, der durch einen entsprechenden Aufschlag auf die späteren Annuitäten wieder wcttgemacht würde. «Petit Paristen" glaubt dagegen zu misten, hast die Bedingungen des Moratoriums noch unsicher seien. Die so genannte Sicherheitsklausel ermöglicht Frankreich eine voll ständige Revision des Abkommens, wenn seine Zahlungs unfähigkeit aus irgendeinem Grunde nicht mehr zur Ab tragung der Annuitäten anSreicht. Das von der Bank von Frankreich an England verpfändete Gold soll tm Laufe der Schuldenregelung nach und nach zurückgezahlt werden. «Matin" teilt noch mit. daß Caillaux morgen abend bei Lord Montaguc zu Gaste sei, wobei er sämtliche Grvß- bankicrs der City treffen und eine erste FMlungnahme mit ihnen über die Kreditgcivährnng aufnehmcn wirb. Eingehende Vcrliandlungcn wird Caillaux selbst noch nicht beginnen, aber er wird sich mit der Einrichtung einer französischen Wechsel kurs- und Börsenkommission in London beschäftigen, die dort ständig die Interessen der Bank von Frankreich und des Schatzamtes vertreten soll. Appell französischer Kriegsteilnehmer an Amerika. Für Milderung des Schuldenabkommens. Paris, 11. Juli. Heute vormittag bat die Ver einigung der ehemaligen Kriegsteilnehmer jhre von der Regierung erst auf Vorstellungen bin zugelastene Kundgebung veranstaltet, um eine Milderung des Washingtoner Abkommens über die fran- zösischen Schulden zu erreichen Sie ist völlig ruhig verlaufen. Der Zug der vom Triumphbogen ausging, zählte etwa 20 000 Teilnehmer aus allen Teilen Frankreichs. Am Denkmal für die amerikanischen Kriegsteilnehmer und vor dem Washington-Denkmal wurden Blumen niedergclcgt. Am Washington-Denkmal ereignete sich ein Zwischen fall. Trotz -es Verbotes, versuchten die Teilnehmer an der Kundgebung, eine Marmvrplnttc an diesem Denkmal anzubringen. Dies wurde von den Poltzei- präfekten verhindert. Die Tafel wurde iednch am Denkmal niebergclegt. Sic enthält eine Inschrift, in der die französische« Frontkämpfer sich direkt an das amerikanische Volk wenden und erklären, sie wünicktc« nicht, daß Abkommen geschloffen werden die den Ruin Frankreichs «nb de» Verlust seiner Unabhängigkeit zu Folgen haben würden. Die Frontkämpfer verlangten vielmehr, das, das amerikanische Volk die Frage der Schnldenregelnna nochmals einer Prüfung unterziehe. Dieser Text ivar ans der Tafel auch in englischer Sprache angebracht. An der Kundgebung haben auch eine Anzahl Abgeordnete der rechtsstehenden Parteien tcilgenommen. Ausierdem nahmen Vertreter der „Aktion Francaise" und Vertreter der Frontkämvfer- organiiation der Faschisten in ihren blauen Hemden daran teil. Der Zug ivurde nachmittags ohne Zwischenfall aufgelöst In Nizza und inTrot cs haben nach den bisher vor liegenden Nachrichten ebenfalls Kundgebungen stattgefunden Kritik des Sokolkongresses. lB o n unserm Pariser Kundgebungen gegen -ie Lebensmittel leuerung. Paris, 12. Juli. Gestern nachmittag fand bei Paris eine Kundgebung der Gewerkschaften Moskauer Richtung von Paris und Umgebung gegen die Lebcnsmittelteuernng, die Finanz plane der Regierung, das Schiildenregelnngsabkommen von Washington und für den Achtstundentag statt. Nach der „Hu manits" kam es nach Schlust der Versammlung zu einem Zu sammenstoß mit der Polizei, bei dem mehrere Teil nchmer verletzt wurden. Das Elsaß im Kamps um -ie Aulonomie. Paris, 13. Juli. Der Führer der elsaß-lothringischen Autonomtebewegung, Dr. Ricklin, hat einem Vertreter des «Ouotidien" folgende Erklärung abgegeben: Die elsaß lothringischen Autonomieanhänger verlangten nur das Rech der Selbstbestimmung der Völker. Der Friedens vertrag habe das Schicksal der Elsässer geregelt, ohne baS Volk zu hören. Die Elsässer verlangten, daß Frankreich ihre Gesetze und Gebräuche achte. Sie verlangten ferner e t n Parlament, bas eine Regierung des Elsaß wähle, die mit der Pariser Regierung den Kontakt aufrechterhalten könne Wenn Frankreich bas nicht wolle, würde« sich die Elsässer a l S nationale Minderheit betrachten, deren Rechte ge brochen seien, «nd an de« Völkerbund appellieren. Die Explosionskalaslrophe in Amerika. A4 Tole, an 2V0 Verwundete. Nenyork. IS. Juli. An der Unglücksstelle der ErvlosionS- katastrophc wurden bisher 9 Tote geborgen. 2S Personen werden vermißt, die wahrscheinlich auch «ms Leben ackommcu sind. WO Menschen liege» verwundet in den Hospitäler», stiege» 200 Gebäude wurden vollständig zerstört. Die Ort schaften Mounthope. Rockaway und vibernia sind so gnt wie vernichtet. Biele kleinere Dörfer wurden schwer hcimgcsucht. Die Explosionen danern weiter kort, wenn auch das Umschlagen des Windes eine unmittelbare Gc- sahr vom Picotiny-Arseual vorläufig abgewenbet bat. Die Explosionen -auern an. Nenyork, 12. Juli. Di« Sachverständigen nehmen an, daß die Sprcngstoss-Explosionen noch mindestens drei Tage fortdaucrn werben. Die ganze Gegend ist durch starke Militärkettcn abgesperrt und den Einwohnern verboten wor- den. in die geräumten Dörfer zurückzukehren. Das Zentrum der Unglücksstelle, wo der die Explosionen verursachende Blitz einschlug, bildet ein Ricsentrtchter von 100 Fuß Länge, 10 Kuß Breite und 80 Fuß Tiefe. Bisher sind 10 Magazine teils ausgebrannt, teils in die Luft geflogen. Man hörte ab- wechselnd Donnerschläge und Maschtnengewehrgek,notier. Die Löscharbcttcn sind völlig unmöglich, da man nicht näher als bis auf eine halbe Meile herankommen kann. Der Wind trieb gestern baS Feuer zunächst auf das Picatiny-Arsenal zu, wo 10 000 Pfund Dynamit lagern. Plötzlich schlug der Wind um, so daß das Arsenal vorläufig außer Gefahr ist. Die völlig vernichtete Kommandantur überragt unversehrt die Fahnenstange mit der amerikanischen Flagge. Die Unglücks- stelle liegt in einem Tal, das von 800 Meter hohen Bergen umrahmt ist. Der Kriegs- und der Marineministrr besichtigten das Gelände und erklärten, künftig würden -ie Magazine nicht wieder so dicht zusaimmengelest werde«. Die ungeheure Panik unter -er Meng« legt sich nur sehr langsam. Der bisherige Schaden wird auf ungefähr 200 Millionen Dollar geschätzt, Neue Erdflöhe auf Sumalra. London. 12. Jnli. Meldungen ans Dnmatra berichte» von neue« Erdstösce«. Die Zahl der Tote» im Padanger Be zirk wird mit 220 augegeben. Die Unruhen in Persien. London, 12. IM. Der Teheraner Korrespondent der «Morning Post" berichtet über die Unruhen in Persien: Etwa 3000 Turkmenen haben die persischen Städte Busnurd und Shirvaln angegriffen und eingenommen. Die dortigen Gar nisonen sollen sich ihnen angeschloffcn haben. Regierungstreue Truppen sind in aller Eile nach Kouchan in Marsch gesetzt worden, um Mesche- zu verteidigen. In SalnaS hat -ie stsarnison kürzlich gemeutert und ihren Obersten getötet. Dort hin entsandte Truppen haben die Aufständischen erschossen und die Ordnung wiederhergestellt. Französische Offensive in Marokko. Paris, 12. Juli. Wie Havas aus Rabat meldet, haben französische Truppen im Frontabschnitt von Tasa gestern abend die Offensive ergriffen und die Höhenlinien von Dschc- bel Tanut zum Dschebel Bnllib eingenommen. Den ersten Nachrichten zufolge haben sie die Aktion ohne größere Schwie rigkeiten durchgcführt. Es sind mehrere Unterwerfungen zu verzeichnen, so diejenigen von Bcni Abdallah, Beni Sutmet und Beni Makebel, sowie die endgültige Unterwerfung des Dissidentenführers Bellagur Azerodual. Zwei Söhne des letz teren setzen den Widerstand fort. Aus der spanischen Zone wird bet mehreren Abteilungen von Genhaja eine gewisse Gärung gemeldet. Die Offensive einer Abteilung von Tasa ist heute sortsesctzt wor-err, . rag er Vertreter.) Prag, ö, Juli 1026.) Die Tage des 8. Sokolkongresses standen im Zeichen einer solchen Fülle von Eindrücken und sahen das „goldene Prag", wie es die Tschechen nennen — in einem so ekstatischen Rausche der Begeisterung, daß in dem unerhörten Masscntrubel selbst eine von Vernunft und Objektivität diktierte Betrachtung nicht völlig frei von dem Einfluß der Faszination sein konnte» die dieses Fest auf alle und alles in diesen Tagen ausübts. Erst jetzt, wo unter den noch nicht herabgeholten blau-rot- weißen Fahnen die Prager Straßen wieder an allen Ecken und Kauten aufgertssen werden und damit der sicherste Be weis dafür gegeben ist. daß der normale Pulsschlag in der Stadt am Mvldaustrande wiedergckchrt ist, soll dt« Bilanz des Sokolkongresses gezogen werden. Man sprach in diesen Tagen von offizieller tschechischer Seite sehr viel von einem „Fest beseelter Kraft", von „Demokratie", von „Volk" — natürlich „tschecho-slowakischem"l — und sonstigen guten Dingen, die den tschechischen Pro pagandisten nicht erst seit heute oder gestern geläufig sind. Insbesondere Len 200 ausländischen Journalisten, die nach Prag gekommen waren, um über den Kongreß zu berichten, wurde unter sehr angenehmen äußeren Begleitumständen vieles erzählt, was bei Unkenntnis der die Tschecho-Slowakei beherrschenden Probleme sehr nett, sehr logisch und im Zeit alter der allgemeinen Krisen für die Tschecho-Slowakei sehr schmeichelhaft klang. Alle Register der in Fiktionen wühlen- den, gastfreundschaftltch aufgezogenen tschechischenUeberredungs- kunst waren gezogen, um den zahlreichen prominenten Aus ländern und Regierungsvertretern angesichts der wirklich großartig aufmarschierenden 60 000 Sokoln und einer eine halbe Million starken wildbegeisterten Volksmenge zu demon strieren, daß der tschecho-slowakische Staat — eine Ordnungs zelle ersten Ranges sei. Die das Sokolfest mitmachten, glaubte» eS ihnen sicherlich, denn sie sahen ja nichts anderes, als Disziplin, Unterordnung, Begeistern»« und die größte Ein- tracht. Sie wußten ja nicht, -aß sich am „Svkol" weder dt« zwei Millionen Slowaken, noch die katholische Bevölkerung, noch die Sozialdemokraten, noch die durch eine Million Stimmen vertretenen Kommunisten beteiligten. — daß der „Sokol" eine von der Regierung sanktionierte, mit ungeheuren staatlichen Mitteln auSgcstattet« und mit so etwas ähnlichem wie Generalvollmacht versehen« Kampforgantsation gegen die andere Hälfte der Bevölkerung der Tschecho-Slowakei darstellt. Und so erlebten wir die geradezu grotesk anmutende Situation, daß die ausländische» Regierungen und di« internationale Meinung durch die An wesenheit ihrer Vertreter eine Organisation ehrten, die —, in ihrer inneren Zusammensetzung wohl tschechisch-demo kratisch — nach außen hin aber in nationalem Chauvinismus in schärfster Kampfstellung gegen über fünf Millionen Staatsbürger, darunter allein 8>4 Millionen Subetendeutsche» steht. Sind doch dt« Sokoln heute die Träger -er Tschechi- sterungsarbeit in den deutschen Siedlungsgebieten der Tschecho- Slowakei. Greifen sie doch aber außerdem noch tu sehr scharfer Weise in den Kulturkampf ein, indem sie -- gegen die katholische Kirche gerichtet — die Propaganda deS hussitischen Gedankens und der tschecho-slowakische» Nattonalktrche sich zum Ziel gesetzt haben. Ein Fest beseelter Krastl" . .. Diese Kraft wird aber nicht beseelt von dem Gedanken -er körperlichen Ertüchtigung, sondern in allererster Linie von einem politischen Programm» bas in direktem Gegensatz zu den Grundzügen der Demokratie steht, das nicht die friedliche Entwicklung, sondern den Kampf will. Oder hat eS etwas mit Demokratie zu tun, wenn der „Sokol" die Vorherrschaft eines Volkes zu sichern bestrebt ist, baS im Staate kaum 60 Prozent der Bevölkeruna anSmacht?! Kann man von der Verkörperung der „tschecho-slowakischen StaatStdce" durch das „Volk" sprechen, wenn — abgesehen von den abseits stehenden andersnationalen Völkern -eS Staates — selbst die zwei Millionen Slowaken durch ihre Abwesenheit die willkürliche Konstruktion eines einheitlichen „tschecho slowakischen" Volkes ack adsurckum führen?! Aber das hindert alles nicht, baß der Lordmayor von London. Herr L. Newton, in einer offiziellen Ansprache an die Sokolfithrcr von der Ueberzeuguna sprach, die die ausländischen Gäste mit nach Hause nähmen und -ie insbesondere in Großbritannien ver. treten werde, von der Neberzengung nämlich, daß der „Sokol" ein hervorragender Garant für — Friede und Ruhe in Mitteleuropa seil . . . Aber hinter der glänzenden Aufmachung deS SokolsesteS versteckt sich noch eine große, schwerwiegende Frage: das ist die Frage seiner Ziele und seines NufgabenkreiscS. Die Geschichte des „Gokols" ist auch die Geschichte des tschecho- lowakischen Staates. Seit seiner Gründung im Jahre 1862 diente der „Sokol" zwei Ideen: der p a n s l a wi st i sch e n und der Idee der Selbständigkeit der tschechischen Nation in einem eigenen Staate. Die Selbständigkeit ist inzwischen errungen, aber auch die panslawistischen deale haben keinen realen Hintergrund mehr, as hat dieser Kongreß mit aller Deutlichkeit bewiesen, zu dem die Bulgaren. Polen und Lausitzer Serben nicht erschienen waren, während das große Rußland in unheimlicher Schweigsamkeit abseits vom Wege der Sokoln steht. Der Panslawismus ist mit der Selbständigkeit der ehomalS österreichischen Slawen und der Polen viel pro-