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Dresdner Nachrichten : 21.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189905210
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990521
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990521
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-05
- Tag 1899-05-21
-
Monat
1899-05
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 21.05.1899
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Seite 2 V. Belletristische Sonntags-Beilage zu den „Dresdner Nachrichten Atkerrtsi Hie AvLlrrerrrvetL. Merksy««ch: Der Frühling verscheuchte des Winters Schmerze», Pstrigstgtocken tönen von nah und fern! lind über der Erde, >oie über den Herzen 7 Schwebt liebevoll segnend der Geist des Herrn. »d. o. E«ttb»r». Der Schmuck unserer Wohnräume. (Schlug.) Etwas, was auch auf die Physiognomie des Zimmers von Einflug ist. sind die Gardinen. Darüber Nur den Rath: man vermeide, sie sehr gelb gefärbt zu nehmen, damit nicht die Personen im Zimmer sich fortwährend gegenseitig für krank und elend aussehend halten: denn daS einfallende Tageslicht lägt Alles im Zimmer gelb Uder bräunlich «scheinen. — Was man heutzutage an Handarbeiten für das Zimmer ansertigt. ist im großen Ganzen aus einer Stufe hoher Vollendung angelangt. Die modernen stilisirten Blumenmuster tragen wesentlich dazu Lei, ein Zimmer schön zu machen. Freilich giebt es auch da Auswüchse, die man nicht zulassen sollte; so schön nämlich ein Kissen mit stilisirten Schwert lilien ausfleht. so häßlich ist daisselbe mit einem Muster stllisittcr Klceblumen bestickt. Während man dre Schwertlilien in richtiger Größe verwendet, mutzte «an die Kleeblumen so vergrößern, daß sie alle Naturwahrheit einbüßten und Latz sie nun eher grünlich-rolhen Kartoffeln, als jener zierlichen Feldblüthe glerchen. Die gehäkelten decken mit ihren unpraktischen Löchermustern, durch die der Staub wie durch ein Sieh fiel, sind ja nun glücklich überwunden, und «a ihre Steile sind reizvolle Stickereien in waschechter Seide auf Leinen. Wundervolle Streumuster oder Blumenranlen getreten. Auch die Smyrna- Knüp fernen für Stuhlkiffen, ganze Stühle und Teppiche vereinigen in seltener Weise Schönheit und Haltbarkeit, wenn sie auch nicht gerade so billig sind. Die Brandmalerei, die jetzt schon wieder etwas ebbt in ihrer Be wegung, ist nicht so ganz einwandfrei. Es empfiehlt sich nicht, jeden Halter, Brotteller oder gar Möbeleinrichtungen damit zu versehen, well sie doch eben nur ein Dilettantismus ist. Anders ist es, wenn man sie nur zum Umranden von Malreien auf Holz, auf Truhen. Bilderrahmen rc. verwendet. Damit kann man sehr schöne Wirkungen erreichen, — vor Allem, wenn man den Grund dunkler, grünlich oder bräunlich tönt, um die et was grelle Farbe» des rohen Holzes zu dämpfen. Eine Truhe z B von dunklem Nutzdaumholze mit Hellen, eingelegten Feldern von Erlenholz, auf denen Kanten von stilisirten violetten Kleatisblumen mit dazugehörenden Blättern und Rauken auf bräunlich getöntem Grunde, eingefaßt von schmalen Kante» vo» stilisirtem Lpheu auf der einen und solchen mit halben Sonnen blumen aus grünlichgetöntem Grunde auf der anderen Seite hinlaufen, — daS ergiebt em Möbel von großem Reize. — Wir kommen nun zu den kleineren Kuustgegenständen. Bon der Plastik sind noch einige Worte zu sagen. Da mau selten Marmor besitzt, so kann man sich einen ausgezeichneten Ersatz bieten in den schönen Nachahmungen aus Elfenbeinmasse, die mit ihrem warmem geld.ichen Tone wunderbare Effekte erzielen und zugleich auch sehr praktisch sind, La sie waschbar find. Sie vor Allem verlangen min eine Umgebung vou Bla ttpflanzen, und es ist nicht oft genug darauf hinzuwcisen. wie dankbar übechaupt Blattpflanzen sind. Sie kommen auch in fast sonnen losen Zimmern fort, wenigstens einige Arten. Palmen freilich, die Krone dieser Gewächse, erfordern schon eine größere Pflege. Aber sie lohnen daS auch. Wer mm noch so glücklich ist, einen Garten zu besitzen und sonnige Fenster zu haben, der wird ja wohl von selbst auf die Pflege blühender Pflanzen kommen. Davon kann man eigentlich nie genug bekoinmen. Und wer wohlhabend ist und in einer Stadt wohnt, sollte wahrlich nicht ver säumen, mit einem Gärtner eine fortwährende Verbindung zu unterhalten und sich seine Zimmer stets mit blühenden Topfgewächsen ausstatlen lassen. Wenn ick noch einmal von dem Reize spreche, den geschnittene Blumen in Lasen uud Gläsern auszuüben im Stande sind, so muß ich zugleich noch über die letzten ein Wort hinzufügen. Das Angebot von Vasen, Gläsern und audereu Erzeugnissen der Keramik und der Glasindustrie ist so groß, daß es schwer ist, mit kurzen Wotren viel zu sagen. Die größeren Schmuckvasen ans den Porzellanfabnken, mit ihrer wundervollen Ornamentik find nnr den Wohlhabenden zugänglich. Aber von kleineren Stücken sich nach und nach einige zujammenpassende anzuschaffen, sollte auch der weniger bemittelte nicht versäumen. Ein Osensims, vielleicht an einem blaugrünen Kachelofen, mit einer Garnitur von Meißener Väschen geschmückt, vermag einem Salon etwas ungemein Trauliches zu geben, oder gar eine Schüfergruppe von Meißner Porzellan! — Auch die Erzeugnisse der bekannten Kopenbagener Fabrik sind theilweise wunderbar geschmackvoll, umsomehr, weil dieselben mit ihren matte«, graublauen oder zartgrünlichen Farbentöncn sich gar wundervoll für die Aufnahme geschnittener Blumen eignen. Eins dieser bauchigen, zart- «tönten Ersätze von einem dicken Strauch gelber Narzissen gekrönt, aus einer Decke von dunkelresedagrünem Tuch« gestellte, oder auf ein dunkelbraunes Möbel gegen eine graugrüne Wand l Das sind wahre Schaugerichie für das Auge. Auch in Gläsern hat man reiche Auswahl. Da denke man sich einen großen Blumenkelch aus dunkelviolettvn, pflaumenblauem Glase, nicht gan, elmäßig geformt, außen mattweiß. Fuß und Henkel vieles Gesäßes aus tgrünem Glasflüsse in Form von grünem Geranie. Sinn fülle man dielen mienkelch voll jener weißen, zarten Rosen, die man maidenblufh, Mädchens erröten. nennt. — Oder zwei jener schlanken, hohen, steilaufsteigeuden Glas- Imsen von mattgrünem Material. Diese gekrönt von einigen Marechal-Niel- A>>en. die schwer und tiefgelb aus ihren mattgrünen Blättern nach unten hoZgen. Diese beiden Gefäße hoch — etwa auf ein Schränkchen gestellt, so, d«» das Licht vom Fenster schräg gerade auf Gläser und Blumen fällt, Möoel mm Tapeten aber in braunen Schatten bleiben! — Genug! Man kann sich L? wahre Farbenorgien bereiten. — Noch ein Paar Worte über das Schlafzimmer. Luch dieses kann man mit einigem Geschick über die Fläche des Alltäglichen echeben. Hier sind helle Farben, rosige Gardine» am Platze. Bilder sind nicht viel von Nöthen. Höchstens ein schöner, ruhiger Kopf in Kupfer- oder Stahlstich möge die Wände schmücken. Aber Blattpflanzen tonnen auch hier- vertreten sein. Blühende Pflanzen, wenigstens duftende, sind nicht am Platze. Aber eine einzelne Rose in einem Glase verdirbt nichts. Im Gcgenlheil. — Alle diese Ausführungen zeigen freilich, daß eine sorgsame Hand, ein geschultes und wachsames Auge dazu gehört, eine Wohnung zu verschönern und dem Auge angenehm zn macken, ohne die Behaglichkeit zu beeinträchtigen. Daß das immer nur etwas lein kann, was der Frau zukommt, braucht man wohl nicht erst zu sagen. Kein dienendes Wesen kann hier die Frau ersetzen. Darum sollte jedes junge Mädchen, das sich einen eigenen Haushalt zu gründen ge denkt, zeitig damit beginnen, Anye und Geschmack zu schulen und zu veredeln. Sie wlrv später die schönsten Früchte ernten. Hann» Schubert. pfingstglocken. Achtlos des Frühlings, — ich saß versunken In Arbeitssrvhn, in sorgen und Leid. Da trasen mich leuchtende Sonneufunken. Da sah ich die Bäume mit Blüthen beschneit. Pffngflröschen sproßten an allen Hecken, Pfiiigflm.iien grünten vor meiner Thür. Pfingstglockenkiänge mit lieblichem Wecken, Sie schallten so lockend herüber zu mir. Da warf ich von mir die drückenden Sorgen, vertraute sie Ihm, der das Weltall erschuf, Ich eilte hinaus in den thausrijchen Morgen Und folgte der Glocken mahnendem Ruf. «dilaidr von Eotlberg-Herzog. Räthsel-Lcke. l Wohl Dir, ist Dir's vergönnt zu leben. Wo frei das Erste Dich nmgiedt, Wo reine Lüfte Dich umschweben. Der Körper sich in Arbeit übt l Dort wirst Du auch das Zweite bleiben, Gar Mancher hat s verlernt zu lein In des Vergnügens Lustgetnebe, Verlockt von trügerischem Schein. Nennst Du das ganze Wort Tein eigen Und ward Dir häuslich Glück beschert: Ein treues Weib uud liebe Kinder — Bist wahrlich Tu bcneidenswerth! ». o. «. ll. Mein erstes Wort, bald weiß und weich. Bald häßlich, hart und braun, Bei Jung und Alt, bei Arm und Reich, Bei Jedem kannst Du's schau'n. Wenn Dich Dein Lieb damit beglückt. Als treuer Liebe Preis, Wird's selig an Dein Herz gedrückt, Geküßt so mnig-heiß. Doch wenn der Druck des Zweiten dalw Verbittert Dir das Glück, Ziehst Du, o vielgeplagter Mann, Gewiß Dich schnell zurück. Das Ganze ist des Ersten Kleid, Du siehst s bald neu, bald alt. In allen Farben, eng und wett, Von wechlelnder Gestalt. - v s Buchstaben-RSths-l. In jedem der folgenden 10 Wörter: Kind. Wolle, Rabe, Zeug, Elle. Else, Haft. Habe. Alpen. Kapital, ift ein Buchstabe durch einen anderen zu ersetzen, so daß ein neues Wort gebildet wird, etwa in der Weise, wie aus ..Wild" „Wald", aus „Rost" „Roie" entfleht. Die neugesundenen Wörter sind so zu ordnen, daß bezeichnet wird durch 1. ein Geschenk: 2. eine griechische Göttin: 3. eine historisch berühmte Festung; 4. ein Baum: 5. Schlinggewächse: 6. ein Theil des Wassers: 7. ein deutscher Strom: 8. ein wohlschmeckendes Wildpret; 9. ein nützliches Hausthier; 10. eine olympische Gottheit. Die neu gewonnenen Buchstaben ergeben Vor- und Zunamen eines zeitgenössischen beliebten deutschen Dichters. s-°rg Eb-rs. ZZelletriliische Sonntags-Anlage zu den „Dresdner Nachrichten". t^<». «». Somit«,,, de» 21. Mai. LS»». Weibliche Waffe». Roman von Konrad Telmav». (Fortsetzung.) In Graf Ewald von Kerßenbrook's Tagen zählten nur die Stunden für ihn. die er in Donna Dolores' Nähr verbringen durste. Wenn er ihr fern war, blieb er gegen Alles gleichgültig und ubgcstumvst. Ruhelos durchirrte er die Straße, an der ihr Hotel lag, froh, wenn er sie nur gewahrte, wie sie den ihrer harrenden Wagen bestieg, zufrieden, wenn er sie nur droben in ihren Zimmern allein wußte, und in qualvoller Aufregung, wenn ein Anderer bei ihr im Gemache weilte. Alle seine Gedanken waren dann in wildem Ausruhr, sein Blut fieberte und er kannte sich selber nicht mehr. Wie ihm die Zeit h inging, wußte er kaum mehr, er that nur noch mechanisch, was tede Stunde, da er nickt lein eigener Herr war, vou ihm forderte, und sein Wollen und Sinnen blieb allezeit uud an jedem Ort aus das Eine gerichtet: Domra Dolores zu sehen, den Vollklang ihrer Stimme zu hören, den Dust einathmen zu dürfen, der ihrem Lockenhaar, ihren knisternsen Seidengewändern entströmte. Wenn ein Blick ihrer dunklen, mandelförmigen, laugdewimpertcn Augen ihn streifte, war er im Innern beglückt und wenn er seine heißen Livpen auf ihre kleine, warmdurchpulste Hand pressen durfte, riß ihn seine Leidenschaft in einem Wirbel des Entzückens fort. Es kam ihm vor. als habe er vorher nie geliebt, als sei all' sein Leben bis dahin Traum gewesen und beginne erst setzt für ihn die berauschende Wirklichkeit. Vergangenheit uud Zukunst lagen vor seinen Blicken versunken und nur die Gegenwart bot und verlangte ihre Rechte, un bekümmert um das. was gewesen war oder kommen mußte: das süße Heut' wob seinen Zauber um Ewalds Stirn. „Donna Dolores," sagte er einmal, als die schnaubenden Renner sie wieder im Schlitten über die Eisbahn des Stromes dahingezogen, „weshalb sind Sie nach Deutschland gekommen? Sie haben mir noch immer die Antwort auf diese Frage verweigert." „So soll sie Ihnen heute werden," lachte sie und ihre Weißen Zähne schimmerten zwischen dem schwellenden Roth ihrer Lippen hervor, „ich bin gekommen, um zu erproben, ob die Eisrinde deutscher Männerherzen vor den Strahlen der andalnsischen Sonne Sraud hält." Seine Augen funkelten sie in irrer Leidenschaftlichkeit an, „Und wenn Sie erfuhren, daß Sie überall Siegerin blieben, Donna Dolores, was dann? Was dann?" „Dann," und Frau von Esponceda zuckte gleickmüthig die runden Schultern, „dann ist es Zeit, an den Gualdalguivir znrückzukehren." Jede Aeußcrung einer Leidenschaft, die ihn beiß und wild durchstammte, erwiderte Donna Dolores mit einer schalkhasten Wendung, als ob sie seine Andeutungen nicht begriffe. Sie hatte immer einen Scherz bereit, wenn es ihm am schwülsten zu sinne war, so daß er meinte, an dem Ueberschwall seiner Empfindungen ersticken zu müssen. Er wußte nicht mehr, ob das Koketterie und Verstellung war, oder ob diese Spanierin, die sich an ihre Triumphe über alle Männecberzen gewöhnt hatte, so daß ihr Keiner mehr nahe ging, wirklich so unbefangen die Macht, welche sie ausübte, belächeln konnte. Von Tag zu Tag wurde sie ihm mehr zum Räthsel; bald erschien sit ihm wie ein Kind, das sich seines Spielzeuges freut, wenn die Männerwele sie umschwärmte uud Keiner dem Andern nur minutenlang ihre blähe allein gönnen wollte: bald stand sie ihm wie ein starres Marmorbild gegenüber, dessen Augen unbewegt über die blöden Tboren hingingen, die sich anbctend zu ihren Füßen drängten. Manchmal glaubte er, er müsse sie hassen, bis ein einziges. Ireundlich-theilnebmendes Wort ihn wieder in den Wirbel seiner Leidenschaft zurückriß, und das Erz, mit dem er seine Brust umpanzert wähnte, wie eine Schncekruste unter dem ersten Sonnenstrahl zerschmelzen ließ. An ledem Tage entdeckte er neue Eigenschaften, neue Reize an ihr und wenn er meinte, >re endlich ganz zu kennen, erschien sie ihm bei einer abermaligen Begegnung vollends wie eine Fremde, mit der er noch nie vorher in Berühr ung gekommen. „Ties Weib ist eine Schlange, die täglich sich häutet, ein Chamäleon. daS täglich in neue» Farben schillert," hatte Briese» einmal beim Champagner gesagt und er hatte recht. Dabei wußte sie Ewald immer mit einem Blick, mit einem Wort in seinen Schranken zu halten. Wagte er je ein vertrauliches Wort, hielt er ihre Hand länger in der seinen, als cs die Sitte znließ, oder küßte er sie heißer und ungestümer, so sprach sie in scheinbar unbefangenem Ton plötzlich von seiner Frau oder zeigte sich kalt uud beleidigt gegen ihn. bis er ihr im Stillen jeden unlauteren Verdacht, jeden unreinen Gedanken, mit dem er ihr Wesen je in Verbindung gebracht, wieder abbat. In solchen Augenblicken kam er sich selbst wie verworfen, wie ein Elender vor, der am besten daran tdät« hinzugchen und sich die erstbeste Kugel aus einer seiner Pistolen durch die Stirn zu jagen oder sein Weib aus den Knieen um Vergebung für Alles anzuflehen, was er an ihr und ihren Kindern gesündigt. Aber solche Regungen verflogen rasch wieder und ans solchen Sitmmungen riß ihn ein einziges Wort der Spanierin, die ihm gleichmüthig aukündigte, in einigen Tagen werde sie die Stadt aus Nimmerwiederkehr verlassen, oder es sei um seiner Ruhe willen bester, ihn nicht mehr allein zu empfangen. Dann beschwor er sic. zu bleiben und seine Nähe zu dulden, und sie fügte sich achselzuckend, schadenfroh, be dauernd oder entrüstet darein. Die Frauen fühlten sich gekränkt, daß es keiner von ihnen, sondern der Fremden gelungen war. den blasierten Abgott de» Gesellschaft noch einmal in die unzerreißbaren Fesseln der Schönhett zu schlagen, und aus den Worten der Männer sprach ebenso viel Neid als mora lische Empörung: es hätte beinahe Jeder von ihnen gern mit dem Grafen getauscht. Naturgemäß wurde in der Anschauung des kiKb lcks das zwilchen den Beiden unleugbar bestehende Verhälmiß nach Gutdünken ausge chmnckt und erweitert. Von dem. was Ewald in Donna Dolores' Banden litt und wie vergeblich er nach einer aufrichtigen Gunstbezeugnng von ihrer Sette schmach tete, wußte man nichts und man glaubte auch nicht daran. Die Entdeckung der Wahrheit hätte Alle zum Mitleid für ihn hinreißen muffen und man be neidete ihn um so VieW lieber. Man durfte sich auch selber nicht so wett erniedrigen, daß man annahm, ein Graf Kecßenbrook werbe vergeblich um die Gunst der Spanierin und reibe sich in nutzlosem Kampfe auf. Leute, die sich aus ihre Klugheit nud Weitsichtigkeit im Urtheil etwas einbildeteu, äußerten sogar unverhohlen, daß etwas Aehnliches früher oder später habe eintrefsen müssen, da es psychologisch vollkommen unmöglich sei, daß em Mann, wie Graf Ewald, in seiner Ehe mit einer so fehlerfreien, aber auch so herzlich unbedeutenden Frau, wie Gräfin Laura, dauerndes Genügen hätte finden sollen. Für diese Letztere selbst hattenWenigeeinWort des Bedauerns übrig. Und sie wußte von dem Allen nichts, was über sie und ihre Ehe von de» geschäftigen Zungen in der Gesellschaft geraunt nnd getuschelt wurde! Sie wußte, daß ihr Gatte ihr und seinem Hause mit jedem Tage mehr entfremdet wurde, aber durch wen und weshalb, wußte sie nicht. Sie wollte es auch nicht wissen. Sie ahnte nicht einmal, daß eS eine Frau sei. Sie batte nur die Empfindung, daß er zu Hause keine volle Befriedigung mehr finde uud daß dies angesangen habe, seit er sich wieder in den Strudel des großen Lebens hatte mit sortziehen lasten, in das er früher gehört, dem er um ihret willen allein entsagt hatte. Daraus ergab sich für sie die Pflicht, es ihm in seinem Hause behaglich zu machen, ihn mit Licht und Wärme darin zu um geben. damit er sich nicht mehr daraus fort)ebne, vielmehr häufig und gern dortkiu znrückkehrc. Er mußte immer ein heiteres Antlitz bei ihr finden, freundlich bewillkommnende Worte hören, wenn er heimkam. alle häusliche« Sorgen mußten ihm fern gehalten werden und ein Gefühl, daß er hier heimisch sei, mußte ihn zu jeder Stunde wodlthuend durchströmen. Darnach strebte ne. das blieb ihr einziger Wunsch mitten in der Qual und dem Jammer, die heimlich an ihrem Herzen nagten. „Ich will ihn mir zurückerobecn", war ihr Gedanke, „nud meine unwandelbare, zärtliche Liebe soll um ihn werben, bis er wieder ganz mein ist." Sie versuchte, eine Andere ans sich zu machen: sie wollte hingcbender sein, ihn ihre tiete Leidenschaft für ihn empfinden lasten, vielleicht, daß ihn die volle Eckenntniß der Wahrheit ihr wieder näher brachte. Nie mehr tas er de» leisesten Vorwurf auf ihrem Antlitz, wenn er zu un passender Stunde heimkam, tagelang sich kaum sehen ließ toder in einem Zu stande zurückkehrte, der nahe an Trunkenheit grenzte. Immer fand er sie be reit, ihm jeden, auch den uugerechtfertigsten Wunsch, zu erfüllen, und wem» er ihr jeden zärtlichen Gruß. >ede Umarmung versagte, wenn er selbst gegen die Kinder glcichgiltig blieb und manchmal durch mehrere Tage nicht nach ihnen fragte, so weinte sie ihren Schmerz darüber nur aus iu der Stille uud in der Einsamkeit. Ewald selber sah und erfuhr nichts davon; er liebte ja verweinte Gesichter nicht. Aber dann kam die Zeit, wo auch ihr die Augen über den wahren Gruud der Veränderung im Wesen ibres Braunes geöstnet wurden. Ewald trug längst keine Scheu mehr, sich offen an Donna Dolores' Seite sehen zu lasten, und trotzte dem Gerede der Welt. Eines Tages fuhr er im Schlitten mit ihr durch die Gasten, als die Gräfin an ihnen vorüberging. Ewald blickte zur Seite, aber Frau von Esponceda grüßte mit unbefangener Freundlichkeit. Laura mußte sich sekuudenlang an den eisernen Stangen vor dem Schaufenster eines Ladens mit beiden Händen sesthalten, um nicht ans der Straße umzn- sinkeii, als sie vorüber waren. Es gab ihr einen Stich in's Herz, daß sie meinte, nun werde es stillesteben und nie mehr schlagen. Aber auch das überwand sie und ging nach Hause und saß bei den Kindern nnd weinte still vor sich hin. Weshalb sollte er im Grunde auch der schönen Frau nicht den Hof machen und mit ihr spazieren fahren? In der großm Wett nahm man sicherlich keinen Anstoß daran, nian war dort an solche Ver hältnisse gewöhnt und sah darüber hinweg. Ewald war eben nicht anders als sie Alle. Der Untreue durste sie ihn deshalb doch nicht zeihen: dir Sitten jener vornehmen Gesellschaft, in der sie nie heimisch geworden, ließen daS in milderem Lichte erscheinen, was ihr wie ein Alp auf der Brust lag und ihr das Athmen erschwerte. Wie viel schöner, wie viel reizvoller war die Spanierin auch, als sie selber! Wenn sie ibn hätte umstricken können, wie Jene! Warum mangelte es ihr auch an allen Vorzügen, durch die das Weib den Mann zu fesseln versteht und in denen ihre Macht beruht, vor der selbst die Stärksten sich willenlos beugen? Sie wäre so gern schon gewesen, um um ihn wieder für sich zu gewinnen, um über ihre Nebenbuhlerin trinmphsien zu könne» i Aber eine schmerzliche Entdeckung folgte aut die andere Als Ewald sie eiurS Abends flüchtig umarmte, um ibr die Stirn zu lüsten, entströmte seiner Uniform der nämliche Duft, den sie bei ihrer ersten Begegnung mit Frau von Espou- ceda auf dem Ballabend in deren Haaren und Kleider» gewahrt. Sie kannte ihn gut: Ewald mußte geraden Weges von der Spante rin zu ihr gekommen
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