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7». Fahrgang. AL 234 Gegründet 1838 Dradtanlchrl»! Nechrtchl«, D rekte». gernIprecher-Sammelnummer! LS 241 «tu» tUr Nachlqelpritche: 20 Oll. >.50 Mark. vom I«. dt» 31. Mat I»2» b«t litglcchzwetmaliger ZuNeUun» trethaus I. ÄkAUgö* GtzvUyk PoIIdewl>»vr»ts tttr Wona^Wat^ Z Mark odn^oslzuIIeUungegebüdr. 4>>» Anzeiarn werden nach votdmord »»rechnen dte »intoatlige ZV mm drette Anzeigende,te: D L «"r'S. "LLS'KL" aukerdatd 200 Pta. Offertenaedtldr 10 Pta Ausw. Auttritae nenen ltornusdezadl. Donnerstag. Lg. Mat Schrtfttettuna und kauptgetchiMkllell» Martenilrat,» SS »2. Druck u. Dertaq oon Utevlch » Netchardt m Dresden. PoMchech-Nontn 1OSS Dreaden. Nachdruck nur mi> deutttcher 0ueU»nanqave '.Dresdner Nochr.- „ilttlltq Unverlnna'e Echrc-IItucke werden ni-l» -utdewakrl. Pttets Kampf gegen den ensturz. Ein Ministerrat im Elyfee. — Umgestaltung des Kabinetts? Dillmanns Entgegnung aus -as Referat Brüninghaus über -ie Marine-Meulerei. - Die Schuhbrrndlagung in Deukhen. Eine Frankenslurz-Ksnferenz. Eine Umgestaltung der Negierung? «Durch Aunksvruch.t Paris, SN. Mai. Hm Elysce trat heute vormittag ein Minister rat zusammn, der wichtige Beschlüsse fassen soll. Der Finanzminister berichtete über seine londoner Verband, lungen und über Mastnahmen zur Stabilisierung des Franken, über die bereits gestern in Anwesenheit der bedeutendsten Per sönlichkeiten der Bank von Frankreich verhandelt wurde. Nach der Morgcnpressc soll dabei die Möglichkeit der Aushebung deS Gesetzes über die Kapitalflucht zur Sprache komme», ferner die Beseitigung des KontrollscheincS für Wcrtpapicrbcsitzer und die Schaffung einer Devisenzentralc. . Paris, 20. Mai. Finanzminister P^rct hat Mittwoch abend eine längere Besprechung mit Briand gehabt, um über das Ergebnis seiner Londoner Bcrhandlungcn zn berichten. Briand begab sich daraus unverzüglich in das Elnse, wo kurz »ach ihm auch Pcrct eintraf, austerdem erschienen noch Robineau, der Direktor der Bank von Frankreich, und zwei Finanzdircktvren. Unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik wurde eine Konferenz abgchaltcn, in der die Lon doner Gchuldenvcrhandlungcn und die gcaenwärtlge Lage aus dem Devisenmarkt besprochen wurden. Nack einer amtlichen Mitteilung wurde volles Einvernehmen über die Mast- uahmen erzielt, die man zur Hebung des Franken für ge eignet hält. Um 8,30 Uhr abends empfing Perct die Pressevertreter und erklärte, Maßnahmen zur Stützung des Franken müsse man plötzlich einleiten, um ihre Wirkung nicht z» gefährden. Offiziell wird bestritten, dast eine Intervention schon eingesetzt habe. Aber trotzdem wird allgemein angenommen, dah die Kursbesserniig des Franken ans dem Ncnnorker Markt ans ein Eingreifen für Rechnung Frankreichs zurüekzusührcn sei. Aus jeden Fall scheint die Zeit der Untätigkeit der fran zösischen Negierung gegenüber der Entwickln»« des Frank- korscS aufgcgcden worden zn sei». Ueber die Verhandlungen des gestrigen Abends berichtet das »Echo de Paris" noch, dast der Ftnanzministcr ans den Bormnrf, er habe kein Programm, erklärte, die Negie rung befolge ein Programm, dast sie jedoch nur allmählich durchführe. Unterdessen werde gegen den Franken von gewisser Seite spekuliert. Tie Franzosen hätten nicht geling Zutrauen zu ihrer Währung. Wenn man jemand für be fähigt halte, das Bert rauen wieder herzustcllen, so werde er ihm ohne Zöger» Platz machen. Weiter wies der Finanz- mtnister darauf hin, dast der Bcrfalltcrmin des 20. Mai be reits erledigt sei. Alles sei gut vvrübergcgangen. Es sei kein Anlah zur Beunruhigung vorhanden. Frankreich brauche keine Inflation zu machen. Bei der Besprechung der Finanz- krise und der Forderung der Sozialisten und Radikalsozia- listen, dast die Kammer sofort cinbernscn werden solle, wird von der Presse die Möglichkeit einer Kabinettskrise in Er wägung gezogen. „Oeuvre" verzeichnet ein Gerücht, dast infolge des Ernstes der Finanzlage gestern von einer möglichen Umgestaltung dcö Ministeriums vor dem Wicderzusammentritt der Kammer ge sprochen worden sei. — „Ouottdicn" schreibt: Die Negierung ist von dem Ernst der Stunde, von der Unzulänglichkeit ihrer Vorschläge und von der Dringlichkeit, direkte und wirkungs volle Mastnahmen zu treffen, überzeugt. Sie ist deshalb, wie man versichert, bereit, sich znrUckznzichen. um einem Ministc- rinm Plast zu machen, besten Zusammensetzung selbst die Bürgsckzast für die Durchführung einer Aktion sein würde. Aber welches Ministerium? fragt der „Ouotidien". Gewisse Leute behaupten, es handle sich um ein nationales Ministe rium, und Briand sei bereit, in ihm einen Posten anzunehmen, selbst wen» eS seiner politischen Einstellung nicht entsprechen würde. Andere schlagen ein homogenes Kabinett vor. das allein die notwendigen Mastnahwen ergreifen könnte. lWTB.s Die Soziallslen für Einberufung -er Kammer. Paris, 20. Mai. Mit welchem Interesse man in politischen Kreise» die Vorgänge aus dem Devisenmarkt verfolgt, zeigt die Tatsache, dast eine Abordnung sozialistischer Depu tierter sich gestern zu Briand begab, um in Hinblick auf de» Ernst der Finanzlage zu bitten, das Parlament noch vor dem 27. Mai cinznbrruscn. Die Abordnung wurde von dem Generalsekretär des Außenministeriums empfangen, da Briand selbst durch eine dringende Konferenz am Quai d' Orsankn Anspruch genommen war. Die Sozialisten haben daraus eine Resolution angenommen, in der sic unter Hinweis daraus, dast ihre Gruppe ursprünglich die Wieüercinbcrufung des Parlaments ans den 1>. Mai vorgcschlagen hatte, der Negierung nahe legen, unverzüglich zur Einberufung der Kammer zu schreiten. Wie die Sozialisten haben auch die Nadikalsozta liste» die Negierung ersucht, wegen der Frankkrise die Kammer sofort cinzubcruscn. Aakserwetterung. Pariser Sieaesberichke aus Marokko. Paris, 20. Mai. Die neuesten Nachrichten aus Marokko besagen, dast die groste französisch spanische Offensive sich auch weiterhin günstig entwickelt. Die französischen Truppen sind ans einer 80 Kilometer breiten Front vorgedrungcn. Die erste Division hat unter dein Kommando von General Vernois den Diebel Rokdi trotz erbitterten Widerstandes des Gegners im Sturm genommen. Der Bvrmarsch dieser Division aus das nur zwölf Kilometer entfernte Targist wird trotz der Vcr schaiizungen, die Abd cl Krim auf der Wcststrccke errichten ließ, mit Erfolg fortgesetzt. Die marokkanische Division besitzt den Tjebel Bn Zincw. Die Spanier haben schließlich der Reihe nach Alfran, Svdi, Tru und Annnal genommen und damit die blutige Niederlage gerächt, die General Sitvestre im Jahre 1021 bei dem zuletzt genannten Orte zugefügt worden war. Die spanischen Truppen sind schliestlich bis Tennasint vorgestoßen. Ab- el Krim konnte sich nur durch die Flucht der Gefangennahme entziehen. lT.-U.s Die Berliner Presse zur Regierungserklärung. Berlin, 20. Mai. In der Besprechung der gestrigen Kanzlerredc wird in der Rechtspresse auf den Unterschied bin gewiesen, der zwischen der Ltiminnng vor acht Tagen und gestern herrschte. Vor acht Tagen, sagt die „Deutsche Tageszeitung", raste der parlamentarische See der LintS- parteten, wollte sei» Opfer haben und rtst Herrn Dr. Luther in die Tiefe. Gestern lag ans diesem selben gefährlichen, um nicht zu sagen, gemetugesährltchen Sec eine fingerdicke Oel- schtcht, die alle Ungebärdigkcite» bannte, Ocl in der Erklärung des Herrn Marx, Oel t» der Rede des Genossen Müller- Franken, Oelflccke ans der ohnehin schon abgetragenen politi schen UeberzeiigiingSivestc der Demokraten. Wenn man das gesehen hat, sv ist man sich klar, dast dem eine erhebliche K a t e r st i m m u n g zugrunde liegen must. Die Rechte wird nicht nur auf der Wacht, sie wird auch aus dem Sprunge stehen müssen. Die „K re nz z e i t u n g" sagt, daö Ziel, dem Kabinett die Regierung zn ermöglichen, sei durch doppelte Dürftigkeit er reicht worden, durch Dürftigkeit der Erklärung des Herrn Dr. Marx und durch Dürftigkeit des Antrages, mit dem die Regierungsparteien zwecks Errettung des Kabinetts die cin- gcgangenen Mtsttraucnöanträgc totgeschlagen hätten. Stuck, die „Tägliche Rundschau" findet, dast man gestern mit dem besten Willen die Parteien nickst wieder er kennen konnte, die vor acht Tagen gegen Tr. Luther Sturm liefen, weil er. wenn auch ausführlicher so dock, inhaltlich genau dasselbe sagte, wie Marx. Die demokratische Aktion gegen Dr. Luther erscheine doppelt groteSk. wenn man sie beute rückschauend betrachte. Aber sie habe doch leider vom Standpunkt der Demokraten eine» Erfolg gehabt, -er den Umschlag ln der Haltung der Linksparteien erschwere. Dr. Luther sei der Neigung nach rechts verdächtigt gewesen, von Marx sei die Linke überzeugt, dast er nie mit rechts anknüpscn, sondern vielmehr darauf sehen werde, dast der Anschlnst nach UnkS nicht verloren gehe. Hier seien auch die Grundrisse der Grasten Koalition, die sich gestern in dem Abstimmungs ergebnis zeigten. Tic „B ö r s c n z e i t u n g" sagt, das offizielle Ende dieser Kriscnetappe sei ebenso absonderlich wie der Anfang. Die Abgeordneten hätten den Eindruck gemacht, als wenn sie sagten, der gegenwärtigen Zwischenlösung willen lohne sich der größere Verbrauch von Temperament nickst. Die „D. A. Z." meint, Das Schicksal des Kabinetts hänge von dem Geschick ab, möglichst lange zwischen rechts und links zu pendeln. Seine Aufgabe sei, im rechten Augenblick und nach der rechten Sette hin zu sterbe». Die „Germania" stellt fest, dast die gestrige Reichstags sitzung nickst den Eharakter eines großen Tages getragen habe, dast aber das Vertrauen, das sich infolge her Vorgänge der letzten Wochen zwischen Reichstag und RcichSregicrnng bedenklich gelockert hatte, wieder hcrgestellt »nd so wenigstens wieder eine neue Grundlage zur Weiterentwicklung geschossen worden sei. Die „Vossische Zeitung" legt den Hauptivert der gestrige» Reick,stagSsitzung aus die Erklärung des Reichs inncnniinisters, weil sie »ack, ihrer Auffassung ergebe» Hütte, dast zu mindestens der Anfang mit der Politisierung der Reichswehr versucht worden sei. Das „Berliner Tageblatt" vermißt in der Re gierungserklärung eine besondere Erklärung, dast die Durch führung der Flaggciwervrdnnng ans unbestimmte Zeit anS- gcsetzt sei und bedauert, dast darüber unter den Regierungs parteien keine Einigung zu erzielen gewesen sei. Der „Vorwärts" meint, cS sei eine Regiernngs- erklärnng ohne neuen Kurs «nd ohne neue Ideen gewesen. Die Verhältnisse bliebe» nach wie vor unklar und gespannt. Vieles spreche dafür, dast dte Mehrheit siir eine künftige Re- gterung, zu der das Kabinett Marx ja nur den Ueber- gang bilden soll, nicht durch Verhandlungen der Parteien, sondern erst in schwere» Kümpfen gewonnen werde. «Von unserem Genser Vertreter.) Genf, den 18. Mai. Gran in Grau liegt Genf. — Regen und Stürme habe« die Frühlingslandichast gestört. — die berühmte Genfer Luft, in welcher dte Friedcnspalmen so reichlich wachsen sollen, streicht kalt durch glitschige Gassen und freudlose Kats ent lang. Das Weiter hat auf die Stimmung abgcsärbt und er tötet sie ganz. Ter Völkerbund arbeitet mit Hochdruck: aber überall atmet Frost. Gleichgültigkeit, Müdigkeit. Sitzungen jagen sich, die Berichte überschwemmen das Palais, man redet und redet, und alles erscheint so unendlich bedeutungslos, be sonders da die schlechten politischen Botschaften wieder einmal demonstrieren, was praktische Politik ist und Genf von ihrer ehernen Stimme gänzlich iibcrtönt wird. Eine Woche lang tagte die Konferenz der Großmächte. Deutschlands und einiger „bevorzugter" Neutraler über dem Problem der Ratsfrage» cs tagt die Pnßkonscrenz und es tagt jetzt die vorbereitende Ab rüstungskonferenz. Keines dieser Ereignisse hat vermocht, hie Blicke der Welt aus sich zu lenken: der Journalisten„andrang" ist diesmal eher gleichbedeutend mit einer Flucht der Jour nalisten auS Genf. Zwar orientiert der Telegraph täglich und gewissenhaft über die Entwicklung der D-inge: aber auch in Genf selber ist kein merkbares Interesse dafür übrig, obwohl die europäischen politischen Ereignisse natürlich ihre« Einsbuß im Palais des Nations auch ausübcn. Bemerkens wert ist, wie wenig die Genfer Presse von der „furchtbaren Gefahr des NechtSputiches in Deutschland" Notiz nahm, — die Sache wurde offenbar nickst tragisch genommen, und auch die Demission des Kabinetts Luther hat, trotz Sem engen Verhältnis zwischen dickem und Genf, keine Wellen auf geworfen. Das Stcrcotiive ist der Satz: „Es mutz alles getan werden, um Deutschlands Eintritt im Herbst zu erleichtern, — und glücklicherweise geschieht auch alles." Man kann letztere Feststellung auffassen wie man will. Geschehen ist insofern etwas, als eingctrcten ist, was wir an dieser Stelle bereits ausgesprochen haben: Polen ist als ständiger Sitzanivärlcr ausgeschiedcn. Das ist an und kür sich noch kein großes Faktum, denn die Uebcr-- raschnngcn können erst noch bcvorstchcn. Wohl ist man sich über viele Tinge prinzipiell einig geworden, im ganzen aber darf wohl scstgestcllt werden, daß die Konferenz am Ende fast noch ans dem gleichen Flecke lag wie am Anfang, und irgend etwas Feststehendes in keiner Weise vereinbart worden ist. Was bedeutet die Ucbereinstimmung, die ständigen Sitze nicht zu erhöhen, wenn Brasilien nach wie vor auf seinem Anspruch bcharrl und ncucstens wieder zur Erinnerung bringt, daß cs an seiner Kandidatur unverändert schalte? Ist mit einem Austritt Brasiliens zu rechnen, der aus eine Wegwahl im Herbst als Natsmitglied erfolgt, oder ist noch Hoffnung, daß die Lösung ans Grund der Regelung der nichtständigen, aber wiebcrwälilbaren Sitze erfolgen kann? In Konfercuzkreiien scheint diese Hoffnung stark ver treten zu sein. Mir müssen ihr pessimistisch gegen übersiehe«« WaS die Lage Deutschlands anbctrifft. so glauben wir an den statlgefnndcnc» Eintritt eines Nach gebend in dem Sinne, daß Deutschland sich mit der Schaffung von zwei nichtständigen, aber wiederwählbaren Sitzen abiindet und nach und nach der französischen These znneigt. daß der deutschen Einstellung insofern volle Gerechtigkeit widerfahren sei. alS mit seiner Teilnahme an der fetzigen Konferenz Deutschland praktisch dem Völkerbünde zngchörc und deshalb cko laatc» mit einem jetzigen Envciteriingsvorgchen gerade das ge schehen ici. was Deutschland so leidenschaftlich »erfochten hattet daß -ic Ratsfrage n i ch t z u g l e i ck, mit dem Eintritt Deutsch lands, sondern erst nachher diskutiert werde. „Nachher" >ei jetzt, den» Deutschland nehme ja an den Verhandlungen anasj als Völkcrbundsmacht teil. Es ist müßig, Uber diesen Knisi besonders nach,»denken, denn auch der sonst vor herrschende Eindruck von der Konferenz ist derjenige, daß eS ich bei Ihr in erster Linie darum handelte. Deutschland von seiner prinzipiellen März-Haltung abzubringen und auf dem Verzicht Deutschlands, als alleinige Macht in den jetzt be stehenden Rat ausgenommen zu werden ein Kompromiß anf- ziibane». Darauf und aus der Annahme. Brasilien werde sich mit einem formell nichtständigen, praktisch aber doch so gut wie ständigen Sitz bescheiden, basieren offenbar die zuversicht lichen Meinungen der Optimisten. Ob damit die Formel gesunden ist. die es Deutschland und der deutschen öffentlichen Meinung ermöglicht, den Verzicht auf die prinzipielle Stellung nahme als Erfolg deS gegenseitigen Verständig,maSwillenS »mziidcutcii? Im Augenblick steht als Faktum unweigerlich lest daß sich die deutschen Befürchtungen anläßlich des Be schlusses. an der jetzigen Konferenz tellznnehmen, nicht alS gegenstandslos erwicien haben, indem tatsächlich mit diesem Beschluß das deutsche Prinzip a»l „Nichtetnmischen in innere BölkerbundSangelegenheiten" durchbrochen worden ist und Deutschland in einer gewissen Bindung sich befindet, -I« sich notgedrungen im Ergebnis auswirke» mutzte. . ^