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71.Jahrgang. HISS Donnerslag, 31. März 1»S7 DrablanschrMr Vtachetchte« Dresden Fernlorecher-Sammelnuimner! LS 241 Nur für NachtoclprSche: 20011 vom 18. bi» 81. MS« IV27 bettSgltchnveimaligcr Zustellung frei Haus 1.58 Mk. ÄöAU95-1D6HUOt Poftbeiugsvrcis für Monal MS« 3 Mark ohne Post,ustcllungsaebükr. «tnielnnmmer 1« Pfennig Vle Amelaen werden nach Goldmark berechnet: dle einivaMae 38 mm breite Zeile 88Psg„ für auswärts 85Psg. Familicnametaen und Stellengesuche ohne LjNA6lKkK"^sk6ls6. Rubati >0 Psa., austerkalb 20 Pfg.. die «8 »»» breite Reklamezeile 158 Psa., austcrkalb 2MPsg. Offcrtcngebübr i8Psg. Ausw. Aufträge gegen Voraiisbeiakla. Schristleitung und AauvigeschSftsfteller Marienftrast« OS 4L Druck u. Verlag von Ltepfch ck Reichardt in Dresden Postscheck-Konto lOSS Dresden Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe «.Dresdner Nachr.'i «ilässtg. Unverlangte Schriftstücke werden nicht aufbewab't VIütknersL empsisßll rm ssonsilmstioo gllsLoklko fsinstsn sssttsskovlisn krager 5traÜe 12 kernruk ISZ78 l^rsnsportsble Hertts lr, Sotimisctssissr, uncl SulZ — Ssvornugl» ^»drlienl« i^rsiswsets unci prsktisctis Sisclslungsiiserla flonsn krocliklls »selifolgvk Orsscks«-^., DüpfsestrslZs S, 13, IS Sine KompromWrmel in Genf. Kolonialtruppen und militärische Organisationen.—Die deutsche Auslegung. Ehamberlaln über -en Terror in Nanking. — Abschluß -er Wehr-eballe im Aeichslag. — Eine Bismarck-Rede Westarps. Die Vorbehalte bleiben bestehen. Genf, 30. März. Die englisch-französische Auseinander, sehung über die Frage der Einbeziehung der Koloiiialtruppen in die Kontingentierung der effektiven Truppeiibcstäiide, die auch gestern abend zu keiner Einigung führte, wurde in der Aormittagssitzuiig der vorbereitenden AbrüstniigSkoinmissivn fortgesetzt. Es kam zu einer lebhaften Debatte zwischen Lord Robert Cecil und Paul Boncvur. Bet der Berichterstattung über die gestrigen Koinproinisiverhandlniigen teilte Lord Cecil den englischen Eintgungsvorschlag mit, der aus eine Kontingentierung der gesamten Truppenbestände, sowohl der Heimat- als auch der Kvlvntalarmee, hinauslänst. Die Truppen in den Kolonien sollen nicht begrenzt werden, dagegen sieht der Vorschlag eine besondere Begrenzung vor für die Kolonialtrnppcn, die im Mutterland« ver wendet werden dürfen. Lord Cecil betonte, das wesentliche Ziel der Abrüstung müsse eine Beschränkung der Angriffskrast eines Landes sein. Hierzu müsse die Gesamtstärke sowohl der -Heimat- als auch der Kolonialtrnppen begrenzt werden. Paul Bonconr lehnte auch heute den englischen Standpunkt ab und forderte eine eindeutige Unterscheidung zwischen Heimat- und Kolonial- truppen. Fn der heutigen NachmittagSsttzung der vorbereitenden AbritstnngSkommission einigte man sich dahin, in den Kon- vcntionscntwnrf folgende fünf Tabellen hinein zu nehmen, durch die eine Kontingcnticrnng der Bestände ge schossen werden soll: 1. Das Maximum der Hcimarmee. 2. Das Maximum der Kolonialtrnppcn, die in dem Heimatland stationiert sind 3. Das Maximum aller in der Heimat stationierten Truppen. i. Die Kolonialtrnppcn; hierbei ist jedoch ausdrücklich auf englischen Wunsch die Festsetzung eines Maximums nicht vor gesehen. In einer fünften Tabelle sollen die überzähligen Strelt- krästc ohne Bindung an eine Höchstzahl enthalten sein, womit zivc! wichtigen englischen Bedenken Rechnung getragen werden soll. Innerhalb der durch diese siins Tabelle« ausgestellten Maximalsordernngen soll cS in besondere» Fällen ibedrohte Sicherstem jeder Partei gestattet sein, die Verteilung Ihrer Ltrcitkrästc zwischen Mutterland und Kolonien zeitweilig zuändcrn. Dieser in erster Lesung angenommene Vorschlag soll eventuell in zweiter Lesung auch aus die Sec- und Lust- strcitkrästc ausgedehnt werden. Die Bestimmungen über Kolonial- und Heimattruppen wurden jedoch nur in erster Lesung, und zwar unter den übliche» Vorbehalten der grundsätzlichen Bedenken der verschiedenen Delegierten an genommen, die diese bei der zweiten Lesung noch einmal zur Geltung bringen werden. Ferner wurde die in dem französischen KonventionS- entwurs vorgesehene Regelung besprochen, nach der die all gemeine Einschränkung der Truppcnbcstälidc sich auch auf die mililärtsch organisterlen Formattonen beziehe» soll. Hierunter wollte Frankreich alle Polizeiorgani- sationcii, die Gendarmerie, die Zoll- und Forstpolizci sowie, sämtliche Organisationen verstanden wissen, die zur Mobiltsie- rung Verwendung finden könnten. Auf Vorschlag der Ver treter Hollands. Deutschlands und der Bereinigten Staaten wurde einer Fassung zugestimmt, ans der auf Grund der heutigen Aussprache klar hervorgcht, dass darunter nur solche Formationen verstanden werden sollen, die „infolge ihrer Aus bildung. Rcwassnung und Ausrüstung ohne besondere Mobilisierung sofort verwendet werden können". Unter Zustimmung des Ausschusses stellte der holländische Vertreter Nuiwers fest, daß cs absolut klar ist, daß cs sich dabei nur um Kräfte handelt, diebewaffnet sind und infolge ihrer Bewaffnung ohne besondere Mobilisierung verwendet werden können. Die endgültige Formulierung für die erste Lesung soll, wie bereits Präsident London erklärte, vom Bureau morgen dem Ausschuß vorgelegt werden, nachdem über den Be griff selbst bereits Ucbcrcinstimmung herrscht. ' Im weiteren Verlauf der heutigen Nachmittagssitzung wurden noch die Begriffe Mobilisation - Efsektivbcstände, Dienstzeit und B e g r e n z u n g der Z a h l der Offiziere und Unterossiziere durchgcsprochen, wobei sich im wesent lichen eine Zustimmung zum französische" Vorcntwurs ergab. Die AnSschntzfaflnna selbst wird von der erst in zweiter Lesung zn tresfenden Entscheidung über die Frage der Einbeziehung nnd Beschränkung der anSgcbildcten Reserven abhängig ge macht. Die nächste Sitzung wurde auf morgen vormittag an- gcsetzt. Zu dem Beschluß über die militärisch organisier ten Formationen wird von seiten der deutschen Delegation besonders daraus hingewiesen, daß der gegen wärtig behandelte Kvnventionsentwnrf lediglich diejenigen Kategorien der militärisch organisierten Formationen sowie der Polizei, Gendarmerie nsw. umfaßt, die eine volle militärische Ausbildung besitzen. Damit fallen die in Deutschland befind lichen militärisch organisierten Formationen sowie die deutsche Polizei, Gendarmerie, Zoll- und Forstwachcn nach Auffassung der deutschen Delegation nicht unter die Abrüstung, da sic be kanntlich keinerlei militärische Ausbildung besitzen. Deutsch land würde daher in der in Aussicht genommenen Aufstellung in dem KonventionScntwurf lediglich mit dem nach dem Ver sailler Vertrag vorgesehenen Heere von 100 008 Mann er scheinen. Deutschland ein Staat zweiter Ordnung! Der „Temps" gegen Bcrnstorsfs Abrüstnngssordcrnng. Paris. 8». März. Der „TcmpS" polemisiert gegen die von Graf Bern stör ff in der Sitzung der Abrüstungs- delcgation in Genf ausgestellte Alternative: „Entweder all gemeine Abrüstung oder Gleichberechtigung Deutschlands in der Frage der allgemeinen Rüstungen." Gras Bcrnstorff übersehe, daß in dieser Frage zwischen Deutschland und den Alliierten weder rechtlich noch praktisch irgendwelche Gleich heit bestehen könne. Die Alliierten hätten volle Handlungs freiheit, während Deutschland nach seiner Niederlage 1818 kraft eines Vertrages entwaffnet worden sei, den keine Kon ferenz der Welt irgendwie aufznhebcn oder zu modifizieren vermöge. Alle Bemühungen der Dcutschen würden an diesem Wall zerschellen. Italiens Luftrüstungspläne. Rom, 80. März. Staatssekretär Balbo gab bei der Aussprache über das Budget der Flicgerwarte eine Dar legung des Standes des italienischen Militärflugwesens. Er erklärte, daß binnen drei Jahren die italienische Flugflotte ans 88!» Bombenflugzeugen, 18S0 Jagdflugzeugen, 888 Appa raten für Rekonstruierung nnd 8770 Linicnslngzcugcn bestehen werde. Das sei genügend, um -en italienischen Himmel gegen jeden Angriff zu schützen. Man sicht wieder einmal: Wir leben im Zeitalter der Abrüstung! Deulschenhehe im tschechischen Keere. Ein Jnstruktionsbnch mit Anfeindungen Deutschlands. Prag, 30. März. Von einem Berliner Blatt ver- össenilichte Enthüllungen über das deutschseiudliche offizielle Fnstruktionsbnch zur Erzieh«»«, der tschecho-slowakischen Soldaten haben unter den sndcteiideiitschen Parteien und in der gesamte» Presse große Erregung hcrvorgerufen, die sich mit Rücksicht a»f den Umstand steigert, daß eben jetzt ver schiedene Wchrgcsctzc, insbesondere das über die Verlängerung der Milttärdicnsizcit, mit de» Stimmen der deutschen aktivistl- schen Abgeordneten im Plenum der .Kammer genehmigt werde» sollen. Auch innerhalb der deutschen Regierungs parteien macht sich wegen des chauvinistischen Lehrbuches, das einen Teil der Dienstvorschriften der tschecho-slowakischen Armee bildet. Erregung bemerkbar Eine deulfche ErklSrima in Praq. Prag, 30. März. In der heutigen Sitzung deö Abgeord, netenlianseS gab Abg Zirrhut sBiind der Landwirtes namens der im Deutschen Verband vereinigten Parteien zu der in Verhandlung stehenden Wehrvvrlagc eine Erklärung ab, in der es u. a. heißt: Die deutschen Regierungsparteien sind be reit, dem Staate das zu geben, was er zu seiner ruhigen und friedlichen Fortentwicklung bedarf. Auch dle derzeit in Ver handlung stehende Wehrvorlage soll diesem Zwecke dienen. Daß durch diese Wehrvorlage das frcnndschastliche Verhältnis z« unsere« Nachbarn und besonders zu unserem natürlichen Freunde. dem Deutschen Reiche, in keiner Weise berührt oder beeinträchtigt werden darf, ist für nnS selbstverständliche Vor aussetzung. Mit Beseitigung des Wahlrechts sür Militär- Personen wird auch einem Mißbrauch gesteuert, der vordem vielfach zur Beeinflussung der Gcincindcwahlen im deutschen Gebiet angewendct worden ist. Die deutschen Regierungs parteien fordern schließlich, daß die auS der Revolutions zeit stammenden Dien st Vorschriften nnd Dicnstbchclse sür die Armee einer Neberprüs« ng in der Richtung unter zogen werden, daß alle gehässigen und das National» gestthl der Völker des Staates verletzenden Bestim» m « ngen und Ausführungen schnellstens beseitigt werde». * Prag. 80. März. DaS Abgeordnetenhaus hat die Wehr- Vorlage in erster und dann In abgekürztem Verfahren auch in zweiter Lesung angenommen. lW. T. B.j Geßlers moralischer Sieg. Der Reichstag hat gestern die große Aussprache über den Wehretat beendet und damit das Ringen um die Zukunst unserer Wehrmacht zum Abschluß gebracht. Der günstige Ein- druck, den gleich die ausgezeichnete Eröffnungsrede Dr. Getz- lers erweckt hatte, hat sich im weiteren Verlauf der drei tägigen Debatte nur befestigt und vertieft, daß nämlich der Minister und seine Ncichswehrpolitik einen entscheidenden moralischen Sieg errungen haben in dem Kampfe, den die Sozialdemokraten mit ihren rosa- und knallrote» Freunden seit dem vorigen Herbst führten, um den Neichswehrminister zu stürzen und das Heer in ihre Parteihände zu bekommen Ein schöner Erfolg zugleich der neuen Negicrungskoalition die sich ja hauptsächlich wegen der Sorge am das Schicksal der Wehrmacht zusainmengefunden hat, und auch des Reichs präsidenten, der aus dem gleichen Grunde durch wiederholtes Eingreifen während der Krise die sich noch sträubenden wehr- freundlichen Parteien znsammengcführt hat. Auch die Reichs, wehr selbst kann mit diesem Ergebnis zufrieden sein, denn cs gibt ihr die Möglichkeit zu ruhiger und sachlicher Weiter- arbeit am eigenen Aus- und Aufbau, und es bringt ihr end lich nach den vielen unverdienten Anfeindungen und Schmä hungen der Vergangenheit den so lange vorenthaltencn Dank und die Anerkennung der Volksvertretung. Daß auch die Opposition eingesehen hat, daß sie aus diesem Kampf gegen und um die Reichswehr als zweiter Sieger her- vorgegangcn ist, erkennt man aus den wehmütigen Epilogen der Linkspresse, die recht kleinlaut fcststellen. baß die Debatte „auf keinem hohen Niveau" gestanden habe und daß es Dr. Geßler nicht allzu schwer gefallen sei, „gewisse Lorbeeren" zu sammeln, ineil die Kritik eigentlich um das herumgcgangen sei, was hätte gesagt werden müssen. In der Tat. man muß mit dem Neichswehrminister anerkennen, daß die Debatte auch von seiten der Gegner mit einer bei diesem Gegenstand noch nicht dagewesenen Ruhe und Sachlichkeit geführt wurde —man nennt das in der Linkspresse „mangelndes Niveau" —, und besonders die Kritik der Sozialdemokraten mar gegenüber der Hetzrede Scheidemanns so sehr auf Moll gestimmt, daß man versucht ist, an einen auf bessere Einsicht begründeten Gcsiniiiingsumschwiing zu glauben. Man könnte in dieser Annahme noch bestärkt werden 'urch die auffallende Tatsache, daß nicht nur die demokratischen, sondern auch der sozialdemo kratische Redner einen scharfen Trennungsstrich gezogen haben zwischen ihrem Standpunkt zu den Wchrfragen und dem des unbedingten Pazifismus. Es scheint, daß auch in diesen Kreisen der „Nic--mieder°Krtcg"-Leute allmählich die Erkennt nis aufdämmert, daß man mit der Verwirklichung pazi fistischer Ideologien nicht das erreichen wird, was man sich davon versprochen hat, am allerwenigsten aber eine Abrüstung oder auch nur eine Niistungseinichränkung der anderen taaten. Wären die Ncichswchrscindc ehrlich, so hätten sie sich nach dieser Wehrdebatte, in der ihnen eine Waffe nach der anderen zerbrochen wurde, als geschlagen bekennen müssen. Sie haben cs aber vorgezogen, den starken Mann zu spielen, und haben dazu ein aussichtsloses Mißtrauensvotum ein- gebracht, das sich in dieser Lage nur lächerlich ausnimmt. Auch Dr. Geßler hätte es nicht ernst nehmen brauchen. Sonst aber blieb es bet kleinlichen Nörgeleien an den einzelnen Posten des Etats und einigen recht lendenlahmen Vorstößen gegen das Ersatzsystem der Reichswehr. Auch hierbei liegt der Zweck klar zutage: die Schlagfcrttgkeit der Truppe sollte, soweit noch möglich, -urch eine rigorose Kürzung Ihrer Nnterhaltsmittel gelähmt, ihr Geist sollte nach österreichischem Muster partei mäßig verfälscht werden. Dr. Geßler hat als -er gegebene Anwalt des HeereS dis Wehrmacht und seine eigene Politik gegenüber diesen An- griffen glänzend verteidigt. Seine frischen, die Einwände der Opposition Schlag auf Schlag abfertigendcn Neben waren aber zugleich eine große Apologie seines eigenen Werkes, an dem er nun sieben Jahre mit Hingabe und Erfolg gearbeitet hat. Wenn sich die Meinung gewisser parlamentarischer Kreise bestätigen sollte, daß Dr. Geßler zum letzten Male seinen Haushalt vertreten hat, weil er ans politischen und per- sönlichcn Gründen das Amt Im Lause dieses Jahres abgeben will, so hat er sich einen verdient guten Abgang verschafft. Da aber solche Gerüchte schon öfter ausgetaucht sind, ohne sich zu bewahrheiten, wird man auch diesmal nicht allzu viel davon halten dürfen Einstweilen hat er sich, trotz des schweren per- sönlichcn Schlcksalsschlages, der ihn vor wenigen Tagen