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Dresden, dm 6. Mai. — Daß unsere Staatsregierung, wenn auch nur für die nächsten Jahre, die Steuern zu erhöhen sich genöthigt sieht, kann Niemand verwundern. Allein Sache der Landstände wird es sein, sich darüber zu entscheiden, ob den Steuer;»-- schUizen in dem vorgeschlagenen Umfange auch eine zweckmäßige Vertheilung zu Theil geworden ist. Dmn durch die Grund steuer sollen jährlich gegen 400,090 Thlr. aufgebracht werden, durch die Personal-, Gewerbe- und Einkommensteuer aber gegen 800,000 Thlr. — Die Frage dreht sich daher darum, ob bei Erhöhung der Beiträge von den Steuereinheiten von nur 2 Pfmnigm jährlich, der Grundbesitz nicht zu wenig herangezogen, die Personal- und Gewerbesteuer aber nach ^tel nicht zu hoch belastet werde ? Denn während der Landmann bei den jetzigen ho hen und wohl auch noch steigenden Preisen aller Produkte, die fragliche Steuererhöhung kaum empfinden wird, wird der Be amte, der Gewerbtreibende, der Handarbeiter u. s. w. bei der jstzignt Theurung aller Lckensbedürfnisse und der fortdauernden Nahrungslosigkeit sehr schwer betroffen werden. Auch bleibt es überdies noch fraglich, ob die Gleichstellung der Rentiers mit dem vorbezeichneten Steueransatze in einem richtigen Verhältniß stehe, dieser vielmehr nicht zu erhöhen sein würde, und ob es überhaupt bei den jetzigen Ausnahmezuständen als thunlich er scheine, daß die bisherige üjährige Befreiung der in Sachsen sich aufhaltenden Fremden von der Einkommensteuer auch für die Folgezeit fortbestehe? — Die friedliche Wmdung, welche die Luxemburger An gelegenheit genommen hat, bestätigt die Meinung Derer, welche von Haus aus glaubtm, daß Preußen in irgmd einer Art gegen Frankreich die Hände gebunden wärm, und daß man sich daher in seinem patriotischen Zorn gegen Frankreich nicht gar zu sehr echauffirm brauche. In dieser Beziehung mag auch hier daran erinnert sein, daß die „Augsb. Allg. Ztg." vom 6. Aug. v. I. ein als officiell bezeichnetes Pariser Telegramm brachte, welches «örtlich folgmdermaßm lautete: „Als authentisch wird berichtet, Preußen habe wiederholt Frankreich das Großherzogthum Luxemburg angeboten, Kaiser Napoleon aber dasselbe bis jetzt (5. August) anzunehmm verweigert. Preußen erklärte, wenn die Annahme nicht vor dem Zusammentritte des Parlamentes (norddeutschen Reichstags) erfolge, werde die Einverleibung später unmöglich sein." Dieses Telegramm ist von Berlin aus niemals dementirt worden. Die Reue mag nachträglich ge kommen sein und so ist dann im Reichstag die Vcnnigsensche Interpellation durch den Grafen Bismarck veranlaßt worden. Es waltet in der Geschichte des vorigen Jahres noch manches Geheimniß, welches vielleicht eine spätere Zeit erst enthüllen «ird. (S. Z.- — Auf die mit der neuen Verwaltung unseres Telegraphm- »esms eingetretmen Verzögerungen von Depeschen, besonders der Berliner Börsentelegramme, ist wiederholt von verschiedenen Seiten her öffentlich hingewiesen worden, und haben dieselben, zum großen Nachtheile unseres Handelsstandes, noch immer keine Abstellungen gefunden. Aus welchen Veranlassungen die oft stundenlangen Verzögerungen geschehen, dafür ist ein triftiger Grund bis jetzt nicht angegeben worden. — Wie fast alle Jahre, so hat auch diesmal die Zahl der traurigen Selbstmorde in und um Dresden die größte Höhe in den Dionatm Viärz und April erreicht. Selbst der Anfang Mai brachte noch zwei solche unglückliche Beispiele von innerer Zer rissenheit in den Dörfern Gohlis und Blasewitz. Andere Groß städte, namentlich Berlin, lassen dieselbe Berechnung in denselben Monaten anstellen. — Einen besonderen Sonntagsschmuck trug gestem die Stelle an der Ecke der Frauen- und Galcriestraße, nämlich einen auf einen Stock gepflanzten Strohwisch, der im Pflaster paradirte und von allen Paffanten in dm Morgenstunden neu gierig betrachtet wurde, bis man endlich bei näheren Recherchen darauf kam, daß diese Sonntagsfahne eine redselige Warnungs tafel war, um den Kutschern anzuzeigen, daß dort eine Straßen- pfiasterpieye bedeutend sich gesenkt hatte. — Eine ergötzliche Scene verursachte Sonntag früh ein braunes Lohnkutscherpferd. Dem Lohnkutscher Berger auf der Salzgaffe gehörig, stand es mit seinem andern vierbeinigen Wa- gengefährtcn im Hose seines Herrn, um vom betreffenden Kutscher den Alltagsrock abgestriegelt und den Sonntagsrock angebiegelt zu kriegm. Mochte ihm nun bei den wmigen Grad Reaumur daS Putzgeschäft zu lange gedauert oder in seiner Pferdeseele der Stallgedanke plötzlich Platz gegriffen haben, sich auch einmal einen freien Augenblick zu gönnen — kurz, es riß aus und »hne Sattel- und Zaumzeug, frei wie da« wilde Roß auf den Prairim, galoppirte es die Salzgaffe hinaus und im ! Rundzange, wie der Renz'sche Emir in der Manege, immer um j die Frauenkirche herum. Da kein amerikanischer Last« zum j Medereinfangen zur Hand war, so versuchten e« einige Hand- i feste, dm Flüchtling durch Schwenken von Mützen, Hüten und ' Stöcken wieder in die hohle Heimathsgaffe zu dirigirm. Einige versuchten es, den Braunen, da er ganz nackt war, an der Nase zu fassen, aber er schien doch einigermaßen CircuSdreffur zu haben, denn er setzte sich auf die Hinterbeine und parirte mit den vorderen wie der geübteste Fechter von Ravenna alle Quarten und Primen glücklich ab, bis endlich der Kutscher an das Ge- müth des Zügellosen appellirte und seinen vierbeinigen Eollegen herbeiführte, dem er lammfromm und friedlich in den heimath- lichen Stall nachfolgte. Einige aufmunternde Peitschenschmitze wurden ihm als improvisirte Warnungstafel kunstgerecht ver abreicht. — Wenn wir in Bezug auf die papiernen Vatermörder, Kragen rc., deren Entstehung Sachsen zu verdanken, deren größere Aufnahme anderen Ländern zuzuschreiben ist, noch einmal das Wort ergreifen, so muß allerdings Jeder, der von diesem Fabrikat Gebrauch gemacht, bis jetztzugeben, wie sie bedeutend kostspieliger sind, als die leinenm; denn einmal nur gebraucht, höchstens zweimal, sind sie untauglich geworden und wandem in den Pa pierkorb oder dienen zuletzt noch als Fidibus, nicht aber die leinenen, die in den Wäschkorb wandern und oft jahrelang halten. Unter 5 Pfennigen im Dutzend sind diese papiernen Vatermörder nicht zu haben. Jeder kann sich nun das Exempel selbst machen. Anders ist es allerdings mit den papiernen Ballwesten, die zwar auch nur einen Abend, wenn es gerade glückt, aushalten, aber doch wenigstens einen reellen Zweck auf einige Stunden für Den erfüllen, der sonst nicht Besitzer einer weißen oder über haupt einer zufällig gewaschenen Weste augenblicklich ist. Das Neue ist nicht immer gut. — Die Glücksräder der Lotterie werden schon eingeschmiert, die letzte Ziehung ist da. Bald werden die Glücklichen lächelnd vor den blanken Schätzen stehen und sich die Finger wund zäh len an den harten Thalern; denn wo Fortuna ihr Füllhorn ausschüttet, da giebt cs einen guten Klang. In öffentlichen Lo calen und am Familientische ist das Tagesgespräch nur jene sechsziffrige Zahl, die am Himmel der irdischen Glückseligkeit mit Flammenschrift in der Gestalt der 150,000 verzeichnet steht. Hin und wieder eilen noch fliegende Collecteure von Local zu Local — den letzten Trumpf mit süßen Worten anpreisend und Mancher greift noch ins Säckel, um sein Glück zu versuchen. Ach, so Mancher setzt noch seine letzte Hoffnung auf die wichtigen kommenden vierzehn Tage und Mancher wird am Ende dieser Lotterieoctave grimmig murmeln: „'s war wieder nischt!" — Der Deutsche Rechtsschutzverein in London räth seinen Landsleuten an, die in Deutschen Blättern erscheinenden An noncen, durch welche von London aus Darlehne und Vorschüsse angeboten werden, nicht eher zu berücksichtigen, als bis sie durch Freunde in London oder durch den obigen Verein über die Position der Anzeiger befriedigende Auskunft erhalten haben. — Der auch in hiesigen Bierhauskreiscn allbekannte Schauspieler Fritz Dotter, Fallstaff's seligen Andenkens, ein Eß- und Trinkkünstler ersten Ranges, vor dem selbst die größte Speisekarte nicht sicher war, ist, nach langen Leiden am 23. v. Mts. im allgemeinen Krankenhause in Wien, seiner Vaterstadt, gestorben. — Glücklich der Mensch, dem das Schicksal eine Tcnor- stimme geschenkt; er trägt ein Californien in sich, sie ist die Wünscheiruthe, um damit das goldene Ei von dem Märchen- Huhn hervorzuzaubern und ein solch Bevorzugter ist Theodor Wachtel. Zu Hamburg nahm er unlängst bei seinem Gast spiel in 14 Vorstellungen 0000 Thaler ein und seinen Sieges lauf setzt^ der Rothschild des Gesanges jetzt an unserer Hof bühne fort, lieber seine außerordentlichen Mittel haben wir bei seinem letzten Gastspiel alle Brunnen des Lobes trocken ge pumpt und das vorgestern Abend außerordentlich gefüllte Haus bei erhöhten Preisen bekundete die Spannung, mit welcher das Publikum von dem Gast die Darstellung des George in „die weiße Dame" von Boildicu erwartete. Noch kürzlich sahen wir Roger in dieser Parthie, die einst tn ihm nach Aller Aus spruch den würdigsten Vertreter fand und durch sein chcvalc- rcskes Wesen dieser Rolle eine Poesie einzuhauchen verstand, die trefflich mit dem Balladentone harmonirtc, der sich in allen Gesängen des .gemüthlich-frohen Volkes kund giebt. Ohne Zweifel lieferte Herr Wachtel hier und da eine sichtbare Copie, aber er nahm den doch heldcnmüthigcn vom Schlachtfeld heim kehrenden Unterleutnant zu komisch, er gab ihm nur allzuoft den Anstrich eines jovialen Kunstreiters, er flocht in den Dialog die Lachlust erregende Dinge ein, wie wir sie noch von keinem Darsteller vernommen. So auch im Gesang; wo der Componist vollen hinströmenden Fluß verlangt, läßt Herr Wachtel plötz lich ein Parlando vernehmen. Man könnte hier mit Göthe sagen: „Wenn man's so hört, mag's leidlich klingen, doch steht es immer schief darum." Solche Dinge, die sich manchmal daS Genie erlaubt und die Grenzen zu überspringen sich für berechtigt hält, verblüffen zwar für den Augenblick, man denkt: da« ist frappant, da« ist etwa« Neues, noch nicht Dagewesenes, i e« hat aber bei ruhiger Ueberlegung keine Berechtigung, es ! fehlt das Motiv, was die Veranlaffuug erheischen könnte. Vor allen Dingen nur keine Komik von Seiten des George, keine Lazzi in dieser Oper, die mit besonnenem Geiste dem Sinn des schottländffchen Volkes, wie dem Bereich der Musik angemessen ist. Der Titel: „komische Oper" kann und darf nicht dazu verleiten, die Benennung ist überhaupt gänzlich un passend, denn weder einzelne Naivetäten des George, noch die hin und wieder sich kundgebende Furcht des gemüthlichen Dickson, eben deshalb eine ernstere, weil sie Gcisterfurcht ist, geben ein Recht zu jener Benennung. Sehen wir ab von dieser Schatten seite und gedenken wir des Guten und Vorzüglichen daS im zweiten Akt sich besonders hervorhob, der im Ganzen sich als Glanzpunkt zeigte. Trefflich bei Stimme war an jenem Abend Herr Scaria (Gaveston), ihm und vor Allem Fräulein Hänisch (Anna- war es vergönnt, mit Theil an den Auszeichnungen und Hervorrufen Theil zu nehmen, womit Herr Wachtel be ehrt wurde. . '(iPs — Oeffentliche Gerichtssitzung am 4. Mai. In dm Nachmittagsstunden des 8. Januar d. I. wupde in dem Hause Flemmingstraße Nr. 3 parterre ein Diebstahl ver übt. Dem dort wohnenden Drechsler Hennig war Geld «nd Sachen, welche einm Werth von circa 80Thlrn. repräsentiren^ gestohlen worden. In demselben Hause und in derselben Woh nung in einer Stube neben der Hennigschen wohnte auch Clemen tine Sidonie Heinfius, aus Weißmborn gebürtig. Ihr Leben ist nicht mehr fleckenlos, denn bereits Gefängniß- und Arbeits hausstrafe hat sie verbüßt. Sie nährte sich durch Nahm Md besorgte Frau Hennig die Aufwartung. Es lmkte sich der Ver dacht der Thäterschast auf diese Person, welche auch sofort ver haftet, aber nach zwei Tagen wieder entlassen wurde. Inzwischen mehrten sich die Jndicien gegen sie und am 10. Februar wurde sie wieder in Haft genommen. An, 29. Januar versetzte die Heinfius beim Pfandleiher Franke Sachen, die als Hennig ge stohlene erkannt wurden, es war dies ein Paletot, ein Rock und Weste. Ferner hat sie einm Leihhausschein zu verkaufen ge sucht, der auf 18 Thlr. gelautet und sich auf silberne Sachen bezogen hat. Auch ein solcher Schein ist Hennig gestohlen wor den. Ferner haben sich bei der Heinfius m Folge Aussuchung mehrere Sachen vorgefundm, die zu den bei Hennig gestohlmm . gehören. Endlich wird constatirt, daß die Heinsius nach dem 8. Januar viel Ausgaben gemacht, obgleich sie keinen Verdienst gehabt hat, insbesondere ist sie auch im Besitz von zwei Fünf- thalerscheinm gewesen, welche Gattung von Papieren ebenfalls unter den gestohlenen Gegenständen sich befunden haben. Diese die Angeklagte schwer belastenden Verdachtsgründe erklärt die Heinsius folgendermaßen: die bei Franke versetzten Sachen seien ihr von einem Tischlergesellen, der auf die Wanderschaft ge gangen, zur Aufbewahrung übergeben worden, mit der Erlavch- niß, wenn sie Geld brauche, zu versetzen. Der Pfandschein über 18 Thlr. sei ihr von einer polnischen Dame zum Verkauf über geben worden, und die zwei Fünfthalerscheine hätte sie von einem Herrn zum Geschenk erhalten. Alle drei Personen will sie zwar der Person, aber nicht dem Namen nach kennen. Staatsanwalt Held beantragt trotz Leugnens die Bestrafung, welche auch dahin erfolgte, daß die Heinsius l Jahr 8 Monate Arbeitshaus zu verbüßen hat. Als Vertheidiger fungirte Advocat Schanz. — Der wegen Brandstiftung am 1. Mai in öffentlicher Gerichts sitzung vermtheiltc i 5jährige Brauerlehrling Päckert ist nicht zu Correctionsanstalt, sondern zu 3 Jahren Arbeitshaus verurtheilt worden. — Tagesordnung der 41. öffentlichen Sitzung der Zweiten Kammer, Montag, dm 6. Mai, Nachmittags 5 Uhr: Bericht der dritten Deputation über den Antrag des Herrn Abg. Weidauer, die Vorlegung eines Baupolizei - GcsetzentwurflS betreffend. Ein ernstes Wort über die Erhöhung der Srempeistcuer sächsischer Kalender« Nicht ohne Bedenken und in trübe Stimmung versetzt habm Tausende im Volke das von der Negierung ausgegangme Decret gelesen, nach welchem nicht der Stempel für Spielkarten, wohl aber der Kalenderstempel einer Erhöhung und zwar einer sehr umfangreichen unterliegen soll. Vollükalendcr und Almanache, welche bisher sechs Pfennige zahlten, sollen mit zwanztst Pfmnigen besteuert werden, und Kalender, die sich durch feineres Papier, besseren Druck, bildliche Verzierung oder durch Beigabe feinerer Bilder von den Volkskalmdern unterscheiden, sogar ftlnf Neugroschcn Stempel zahlen. Es hat diese Sache eine Bedeutung, die schwer i« die tie- ferm Schichten des Volkes cingreift und deshalb, ehe das Ge setz in Kraft tritt, eine Beleuchtung um deshalb werth ist, well die Regierung hierbei jedenfalls den preußischen Kalmderstempal im Auge hatte. Hier aber ist vorerst die Größe der Länder «r Obacht zu nehmm und Sachsen mit Preußen in Parallele zu pelle«. In einem s« -roßen und umfänglichen Staate wie Pr«-